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#BlackLivesMatter „Das Privileg, nicht in Gefahr zu sein, verpflichtet zum Schutz derer, die es sind“

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Sami Omar (Quelle: Menasse Gebregzi)

Ich habe George Floyd noch nicht beim Sterben zugesehen. Das Video ist überall. Ich muss es online aktiv meiden. George Floyd’s Tod ist zum Symbol für die Wiederentdeckung der Ungleichbehandlung geworden, von der schwarze Menschen und People of Color zu aller Zeit wussten und erzählten. Ich gewinne nichts dadurch, dass ich es sehe. Alle Wahrheiten, die es erzählt, kenne ich schon. Ich fürchte es, weil es mir vom Unwert schwarzen Lebens erzählt. Ich bin ein schwarzer Mann, der Schwarze Kinder hat. Ich kann keine Distanz dazu wahren. Immer würde ich mich sterben sehen. Meine Kinder. Meine Würde. Die Trauer ereilt mich ohnehin. In meinen Medien wird seit George Floyds Tod unablässig der Wert Schwarzen Lebens betont. Die Welt sagt mir, ich dürfe atmen. Sie erlaubt mir zu sein. Wir leben als Minderheiten in einem weißen Deutungszusammenhang, der uns Empörung und Wut zu seinen Konditionen gestattet. Ich finde keinen Weg, aus diesem  Zustand des Sein-Gelassen-Werdens. Ich rede, um zu sein. Ich spreche mit weißen Menschen über die Würde schwarzen Lebens und ringe um die Zustimmung jedes einzelnen. Zur Disposition steht in jedem dieser Gespräche nicht weniger, als der Konsens über meine Berechtigung zu sein.

Eigentlich ist es nicht meine Aufgabe, um die Anerkennung meines Wertes zu ringen. Es ist die Welt, die in mir ihresgleichen sehen und an meinem Wert, ihren eigenen bemessen müsste. Doch das spiegeln meine Erfahrungen nicht wider. Als ich mit 19 Jahren auszog, die Welt auf ihre Gefahren zu prüfen, kannte ich schon viele von ihnen. Ich war angespuckt, mit einer Gas-Pistole bedroht, beschimpft, ausgeschlossen und geschlagen worden. Alles mit Verweis auf die Farbe meiner Haut. Als einer die Pistole auf mich hielt, rief er lachend, „Tanz, N***, tanz“. Und ich tanzte.

Mein Anspruch an die Demokratie, in der ich lebe, ist nicht weniger, als das Protektorat der Mehrheit über die Minderheit. Das Privileg, nicht in Gefahr zu sein, verpflichtet zum Schutz derer , die es sind.

Weiß-Sein bedeutet für mich die Freiheit, sich positionieren zu können, wie man selbst es möchte. Weiße Menschen müssten anerkennen, dass schwarze Menschen ihnen zwar in Wert und Würde gleich sind, aber nicht in der Freiheit zur Gestaltung des eigenen Seins.

Die Solidarität, die so viele Weiße Menschen derzeit mit der schwarzen Sache erklären, ist das Resultat, eines Erregungspotentials, dass durch das Video eines Mordes erzeugt wurde. Sie ringt mir keine Dankbarkeit ab, weil ich sie als Erfüllung einer Bringschuld deute. Ich warte skeptisch ihre Dauer ab.

Während dessen sterben an Europas Außengrenzen nahezu täglich Menschen – viele von ihnen sind schwarz. Auch in Deutschland wurden in jüngster Geschichte People of Color aus rassistischen Motiven ermordet. In Hanau. In Halle. In Hamburg wurde der  BWL-Student William Tonou-Mbobda 2019 durch das Sicherheitspersonal des  Universitätsklinikums Eppendorf derart zugerichtet, dass er an den Folgen starb. „Einer ist mit dem Knie, aus einem halben Meter Höhe, immer wieder in den Rücken, in die Nieren hinten rein“, berichtete ein Augenzeuge. Ich kann mich an keinen Themenschwerpunkt, keine Sondersendung, keinen Maischberger-Talk dazu erinnern.

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