George Floyd wollte in Minneapolis mit Falschgeld bezahlen und wurde festgenommen. Dabei behandelten ihn die weiße Polizisten so brutal, dass Floyd erstickte. Seitdem protestieren tausende Menschen in den USA gegen Rassismus und gegen Polizeigewalt. Meist sind die Proteste friedlich, vereinzelt wird auch geplündert und gebrandschatzt. Im Internet finden sich viele Dokumentationen auf Video, wie Polizist*innen hart und bisweilen gewaltvoll durchgreifen, auch gegen friedliche Demonstrant*innen.
Die beteiligten Polizist*innen am Einsatz gegen den 46-jährigen Floyd sind entlassen worden. Der mutmaßliche Haupttäter wird angeklagt. Dennoch gehen die Proteste weiter. Floyds Tod war der Stein des Anstoßes, doch die Proteste seien Ausdruck einer echten und legitimen Enttäuschung über ein „jahrzehntelanges Versagen“ bei der Reform von Polizei und Strafjustiz in den Vereinigten Staaten, erklärte Ex-Präsident Barack Obama in einem Kommentar. Es gehe den Demonstrant*innen nicht mehr nur um Gerechtigkeit im Fall Floyd, sondern um die Beendigung rassistischer Polizeigewalt und des strukturellen Rassismus.
Zwar sind viele Szenen und Vorkommnisse in den USA aktuell schockierend, aber andere machen zugleich etwas Mut, dass sich etwas an Problem des strukturellen Rassismus ändern lässt – auch in Deutschland. Denn längst sind die Proteste auch in andere Staaten übergeschwappt.
Die Angst Privilegien zu verlieren
Andere wollen keine Veränderung, sehen ihre privilegierte Machtstellung gefährdet. Indirekte Unterstützung erhält diese Gruppe dabei von niemand geringerem als dem Präsidenten der USA, Donald Trump. Er heizt den Konflikt an, statt zu versöhnen. In vergleichbaren Situationen aus der Vergangenheit haben US-Präsidenten eher die Rolle der Schlichter eingenommen, doch nicht so der einstige TV-Milliardär und jetzige Bewohner des Weißen Hauses.
Trump: Mit Tränengas zum Bibel-Foto
Vor allem Trumps medienwirksamer Auftritt vor einer Kirche in Washington am Dienstag erhitzt in den USA die Gemüter. Nachdem Trump in einer Ansprache mit dem Einsatz des Militärs wegen der Unruhen gedroht hatte, ging Trump zu Fuß zur St.-John-Kirche nördlich des Weißen Hauses, um vor dem Gotteshaus mit einer Bibel zu posieren – ohne ein Wort zu sagen. Den Fußweg ließ er sich zuvor mit Tränengas gegen Demonstrant*innen freischießen.
Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, das Militär einsetzen zu wollen, um die Ausschreitungen am Rande der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt zu unterbinden, hat das US-Verteidigungsministerium rund 1.600 Soldat*innen nach Washington verlegt – ein einmaliger Vorgang.
Für Trump sind Neonazis „anständige Leute“, „die Antifa“ will er hingegen als Terrororganisation einstufen
Dass Trump offenbar nicht der Präsident der Versöhnung ist, verwundert nicht, schließlich begann seine Karriere mit Rassismus gegen den damaligen Präsidenten Obama. Neonazis auf der rechtsextremen Demonstration „Unite the right“ 2017 in Charlottesville, die den Hitlergruß zeigten und antisemitische Gesänge anstimmten, nannte Trump „sehr anständige Leute“. Hingegen irritierte er jetzt mit einem Tweet, in dem er „die Antifa“ als Terrororganisation einstufen lassen will. Ein absurder Vorschlag, weil „die Antifa“ keine Organisation ist und es folglich weder Führungsfiguren noch Mitglieder gibt. Wenn Trump damit meint, Engagement gegen Rassismus und Rechsextremismus verbieten zu wollen, verließe er damit den Boden der Demokratie.
Mit seiner „Law and Order“-Rhetorik heizt Trump die eskalative Stimmung noch weiter an. Seine gesamte Amtszeit befand sich Trump quasi im Wahlkampf-Modus, so auch in der jetzigen Situation. Er wirbt um die Stimmen der weißen, rassitischen Amerikaner*innen.
Von einem kalten in einen heißen Bürgerkrieg?
Die Philosophin Susan Neiman spricht im Deutschlandfunk Kultur davon, dass sich die USA seit der Wahl Trumps in einem „kalten Bürgerkrieg“ befinden. „Sollte dieser Krieg heiß werden, sind es die Rechtsnationalisten, die die Waffen haben“, warnt sie.
Es gibt jedenfalls diverse amerikanische Waffennarren und Neonazis, die genau darauf gewartet haben und zum Bürgerkrieg bereit sind. Sie meinen, jetzt sei der viel beschworene „Tag X“ endlich gekommen, an dem sie zu den Waffen greifen “müssen”. So kursieren bereits etliche Bilder und Videos im Netz von weißen Amerikaner*innen, die mit Schusswaffen ausgestattet durch Straßen marschieren, erwartungsfroh und gewaltbereit.
Wie reagieren deutsche Neonazis?
Und auch die deutsche rechtsextreme Szene reagiert auf die USA. Während am Dienstag unter #BlackOutTuesday in den sozialen Medien dazu aufgerufen wurde, Posten und Werben einmal ruhen zu lassen, um Schwarze Stimmen zu verstärken, und die Solidarität durch ein ein schwarzes Bild kundzutun, posteten deutsche Neonazis: weiße Bilder. Diskurse umwerten und verdrehen ist eine beliebte rechtsexreme Strategie, uns so nutzten die Rechtsextremen auch vermehrt in sarkastischer Weise den Slogan „I can’t breathe“, in Anlehnung an die letzten Worte von George Floyd „ I can’t breathe“. „I can’t breathe“ ist mittlerweile zum Schlachtruf der Protestierenden geworden. Generell kann man beobachten, dass viel rechtsextreme Akteur*innen besonders in den sozialen Netzwerken in dieser Zeit vermehrt in demokratische Diskussionen eindringen, um diese zu stören. Oft versuchen sie, Anti-Rassist*innen durch rassistische Kommentare zu triggern, Salz in die Wunden der Betroffenen zu streuen und damit auf ihre Weise der Tatsache entgegenzuposten, dass zugleich offensichtlich wird, dass sich größere Teile der Weltbevölkerung ein Ende von Rassismus und Gewalt wünschen.
„Die Antifa“ sei George Soros Armee
Und auch das liebste Feindbild der internationalen Rechten ist zurück: Um George Soros wurde es während er Covid-19-Pandemie etwas ruhiger. Nun gibt es wieder zahlreiche Erzählungen dazu, dass der Milliardär und Philanthrop die Proteste bezahlen würde, weil er hinter „der Antifa“ stecken würde. Mitunter werden die Protestierenden als „Soros Armee“ bezeichnet. Immer wieder wird Soros von rechten Aktivist*innen bei bestimmten Ereignissen als Agitator imaginiert. Nicht unwesentlich ist dafür die jüdische Herkunft des Philanthropen. Sie dient Verschwörungstheoretiker*innen international ihn und seine demokratiefördernde Arbeit in antisemitischer Weise zu diskreditieren.
QAnon mischt auch mit
Zentral für die Verbreitung solcher Theorien sind die Kanäle von QAnon. Der fiktive Internet-Charakter Q ist zum ersten Mal im Oktober 2017 auf dem Imageboard 4chan aufgetaucht. Ein anonymer Nutzer behauptete von sich selbst zum engsten Kreis um Trump zu gehören und veröffentlicht seitdem kurze fragmenthafte Texte, die von seinen Follower*innen wie Bibelzitate lang und breit ausgelegt werden. Q und seine kryptischen Äußerungen wurden zum Mittelpunkt einer merkwürdigen Verschwörungserzählung die sektenartige Züge annimmt: Donald Trump kämpft aus dem Weißen Haus heraus gegen den „tiefen Staat“, der vollkommen korrupt und menschenverachtend lediglich für das Wohl der Eliten arbeitet. Über die Nachrichten von Q kommuniziert Trump, der Geschichte nach, mit seinem Unterstützer*innen. Und so sehen sie auch in Trumps merkwürdigem Spaziergang zur Kirche am Dienstag für ein Foto mit Bibel eine Botschaft. „Vor mehr als 2 Jahren sagte Q uns, es werde Unruhen und militärische Kontrolle geben, und das Beste kommt erst noch.“ prophezeien ein deutschsprachiger Q-Kanal etwa.
Nicht die Zeit für Scheindebatten
Doch wie dem auch sei, unser Augenmerk sollte nun nicht darauf liegen, wie und wo sich weiße Menschen angepickst fühlen. Die Debatten die momentan angestoßen werden sind wichtig. Und es ist nun endlich Zeit sie zu führen. Daher sollten wir uns nicht auf Scheindebatten einlassen wie „Rassismus gegen Weiße“, oder #AllLivesMatter-Diskussionen, zwar sind alle Leben gleich viel wert, doch leben wir in einer Welt, in der tatsächlich nicht alle Leben gleich viel wert sind.
Wir sollten jetzt nicht nur in den USA über strukturelle Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen reden, die sich in vielen Bereichen des täglichen Lebens zeigen. Wir sollten darüber reden, was die Ursachen für solche Schlechterstellung sind und wie wir sie angehen können.