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Borna Rechtsradikal auch nach Silvester

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Teenager mit rechtsextremen Klamotten in Borna auf einer rechten Demonstration im Mai 2022 (Quelle: Paul Podbielski)

Nach der Silvesternacht zeichnet sich ein Bild der Verwüstung: Lädierte Fenster und Briefkästen, ein beschädigtes Polizeiauto, kaputte Verkehrsschilder in zahlreichen Straßen der Umgebung. Die Rede ist nicht etwa um die rassistische Integrationsdebatte um Berlin-Neukölln. Die Rede ist vom sächsischen Borna. 

Im Zentrum der sächsischen Kreisstadt hatten sich laut Medienberichten etwa 200 Menschen versammelt, ein Teil von ihnen vermummt. Jugendliche sollen versucht haben, den Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz mit Feuerwerk in Brand zu stecken. Dabei wurden Polizist*innen mit Pyrotechnik angegriffen. Die Täter*innen sollen laut einer Anwohnerin „Sieg Heil“-Rufe gegrölt haben, die Polizei habe aber bislang keine Hinweise dazu und es werde noch ermittelt, heißt es. Zwei Tatverdächtige konnten bislang identifiziert werden: zwei 19-jährige Deutsche.

Am 9. Januar 2023 ist der erste Demonstrations-Montag des neuen Jahres. Die rechte und verschwörungsideologische Szene will wieder Präsenz auf der Straße zeigen. Mit dabei sind drei bekannte Gesichter: Andreas ist ein Rentner, dem bis vor kurzem ein Autohandel gehörte. Paul ist noch ein Teenager, der insbesondere durch sein unkontrolliertes aggressives Auftreten bei den wöchentlichen Demonstrationen auffällt. Und Monika war vor einigen Jahren Mitglied in einem Kirchenvorstand aus der Region. Sie alle eint, dass sie zum Umfeld der „Bürgerbewegung Borna“ gehören. Das ist eine Vereinigung, die zur letzten Bürgermeister*innenwahl mit Thomas Siegmund angetreten ist. Außerdem bewirbt die Gruppe in ihrem Telegram Kanal seit Januar 2022 verschwörunsgideologische und rechtsradikale Versammlungen in Borna. Und so stehen diese drei auch diesen Montag, dem 9. Januar 2023, wieder auf dem Marktplatz von Borna. Doch fangen wir von vorne an. 

Es ist 15 Uhr, auf dem Weg durch die Innenstadt sieht man mehrere rechte Graffitis und das zerstörte Fenster des Parteibüros der Linken. Auf dem Markt steht die AfD. Sie hat zu einer Kundgebung unter dem Motto: „Einwanderung stoppen! Energiewende beenden!“ geladen. Anwesend sind aktuell nur etwa vier Personen, vermutlich alles Mitglieder und/oder kommunale Abgeordnete der AfD. Sie stehen neben einem Anhänger mit einem Plakat, auf dem steht „Volle Energie für Deutschland“. Im Verlaufe der kommenden vier Stunden scheint der als Versammlung angemeldete Stand nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das Highlight wird wohl der Besuch des Kameraden Sebastian Weber, auch als „Weichreite“ bekannt, gewesen sein. Der ehemalige Bornaer, der jetzt in Großdalzig wohnt, hat für die AfD als Stadtrat kandidiert und sitzt im Landkreis Leipzig für sie im Kreistag. Bekannter ist er jedoch als rechter Medienaktivist und Streamer. Auch hier in Borna streamt er. 

Um 19 Uhr baut die AfD ab. Gleichzeitig versammeln sich ca. 50 Personen auf dem Markt, um an der ersten verschwörungsideologischen Demonstration im neuen Jahr in Borna teilzunehmen. Eröffnet wird das Treffen von Andreas mit einer kurzen Ansprache. Er scheint enttäuscht zu sein, dass nur so wenige Personen da sind, wollte er doch etwas Wichtiges besprechen. Das verschiebt er nun eben auf das nächste Mal. Trotzdem spricht er seinen Plan für die nächsten Kommunalwahlen an, denn im großen könne man nicht viel bewegen, insbesondere wenn es nur so wenige sind. Doch im kleinen will er Einfluss nehmen. Er fordert alle Anwesenden auf, sich zu überlegen, wie sie sich zur Stadtratswahl verhalten wollen. Außerdem sollen knapp ein Dutzend Kandidierende für eine eigene Liste gefunden werden. 

Erster rechter Protest in Borna am 9. Januar 2023

Nach dieser kurzen Ansprache setzt sich die Versammlung in Bewegung. Erst geht es in Richtung Bahnhof, dann über die Angerstraße zur Sachsenallee/B93. Über die Leipziger Straße und die Heinrichstraße ging es schließlich wieder zum Markt zurück. 

Viel passiert ist auf der Strecke nicht. Es wurden die üblichen Sprüche, wie „Frieden. Freiheit. Souveränität“ und „Regierung weg. Souverän her“ gerufen. Außerdem waren eine Sachsen-Fahne und zwei Schilder mit Aufschriften gegen die NATO und die Grünen zu sehen. 

Die Berichterstattung selbst war nur unter Polizeischutz möglich. Insbesondere da es bereits in der Vergangenheit zu Bedrohungen und Übergriffen kam.

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Alltag in Borna 

Auch wenn es aktuell nur eine kleine Gruppe ist, die in Borna ihre Menschenverachtung offen auf die Straße trägt, ist die Stimmung hier seit Jahren aufgeladen. Seit Jahren häufen sich hier rechte Gewalttaten – Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und Angriffe auf Menschen und Institutionen, die nicht in das rechte Weltbild passen. 2015 wurde hier die rechte Terrororganisation „Oldschool Society“ (OSS) verhaftet. Trotzdem nehmen viele Stadträt*innen das Problem der rechten Hegemonie nicht ernst.

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Viele Jugendliche, die nicht in rechtsextremen Kreisen sozialisiert sind, wollen Borna so schnell es geht verlassen. Sie erzählen, davon, dass sie Angst haben, sich an öffentlichen Orten zu treffen. „Sieg Heil“-Rufe seien in der Nacht keine Seltenheit, nicht nur zu Stadtfesten und anderen größeren Veranstaltungen. Borna hat offensichtlich ein Rechtsextremismus-Problem. 

Falls Sie Menschen vor Ort unterstützen möchten, dann spenden Sie doch an Bon Courage: https://boncourage.de/kontakt 

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