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„Brandgefährlich“ Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte steigt

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Bei Wismar wurde in der vergangenen Woche das Hotel Schäfers Eck, eine Unterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine, in Brand gesetzt. Zuvor waren an die Tür Hakenkreuze gesprüht worden, auf dem Stromkasten gegenüber prangt weiterhin "Heil Corona". (Quelle: Kira Ayyadi)

In Groß Strömkendorf, Mecklenburg-Vorpommern, verübte ein Feuerwehrmann einen Brandanschlag auf ein ehemaliges Hotel, in dem 14 Geflüchtete aus der Ukraine wohnten. Verletzt wurde niemand. Wenige Tage zuvor hatten Unbekannte in der Nähe der Unterkunft ein Hakenkreuz gesprüht. In Bautzen, Sachsen, warfen Angreifer*innen die Fensterscheiben eines Hauses ein, das künftig als Unterkunft für asylsuchende Menschen genutzt werden soll. Im Inneren des Gebäudes brach ein Brand aus. Die vier Personen im Gebäude wurden glücklicherweise nicht verletzt. In Simbach am Inn, Bayern, haben Unbekannte eine Asylunterkunft mit Hakenkreuzen und rechtsextremen Parolen beschmiert. Das sind nur drei von insgesamt 121 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte aus dem Jahr 2022.

Erstmals seit 2015 haben die Angriffe auf Unterkünfte von geflohenen Menschen in Deutschland wieder zugenommen. 2022 gab es 121 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Im Jahr zuvor gab es 70 solcher Straftaten. Das ist eine Zunahme von 73 Prozent. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, über die zuerst die Neue Osnabrücker Zeitung am Donnerstag berichtete. Die meisten Taten seien rechts motiviert gewesen. 115 Menschen seien verletzt worden. 6 davon waren Kinder. 

Als Grund der Zunahme von Gewalt gelten dem Bericht nach das Auslaufen der Corona-Auflagen, aber auch die gestiegene Zahl der ankommenden Geflüchteten. Nach dem sprungartigen Anstieg an Asylanträgen 2016, mit 745.545, ging die Zahl der Neuzugänge von Asylsuchenden seither wieder zurück. Im Jahr 2021 lag sie bei 190.816. Vergangenes Jahr erreichte sie mit 244.132 gestellten Asylanträgen einen neuen Höchststand. Zusätzlich zu diesen Asylantragsteller*innen hat Deutschland im vergangenen Jahr mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine aufgenommen, die vor dem russischen Angriffskrieg geflohen sind. Aufgrund der Massenzustrom-Richtlinie müssen sie keinen Asylantrag stellen.

Die Behörden verzeichneten im vergangenen Jahr zudem nach Ministeriumsangaben zusätzlich 1.248 Angriffe gegen Asylbewerber*innen oder geflohener Menschen außerhalb von Unterkünften. Das waren in etwa so viele wie 2021 mit 1.259 Fällen. Jeden Tag werden somit im Schnitt in Deutschland drei Asylbewerber*innen Opfer von Angriffen. Hinzu kamen 18 Angriffe gegen Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer.

Derzeit scheint es, als würde das Thema Flucht und Migration wieder vermehrt von Rechtsextremen aufgegriffen werden. Deutschlandweit, aber besonders im Osten, finden seit Ende 2022 wieder flüchtlingsfeindliche Demonstrationen statt. Auf Informationsveranstaltungen zu geplanten Flüchtlingsunterkünften ist die Stimmung aufgeladen. Rechtsextreme Demagog*innen missbrauchen und instrumentalisieren die Ängste in Teilen der Bevölkerung und laden sie rassistisch auf. Für rechtsextreme Aktivist*innen sind die steigenden Zahlen von geflohenen Menschen in Deutschland ein Segen. Sie können nun wieder ihr Haupt- und Lieblingsthema bespielen. Allein im vierten Quartal wurden 11 Proteste und Kundgebungen mit 1.330 Teilnehmern gegen Flüchtlingsunterkünfte verzeichnet. Als Organisator fiel hier vor allem die rechtsextreme Gruppe der „Freie Sachsen“ auf.

„Was sich da gerade wieder zusammenbraut, ist eine Stimmung, die den Weg für Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte ebnet“, so Robert Lüdecke, Pressesprecher der Amadeu Antonio Stiftung. „Sie ist buchstäblich brandgefährlich. Politik muss sich jetzt auf allen Ebenen klar gegen rassistische Stimmungsmache stellen und konsequent für den Schutz von Geflüchteten sorgen. Gerade beobachten wir aber eher das Gegenteil: Immer wieder ist davon die Rede, dass man die Ängste der Bürger*innen ernst nehmen müsse.“

Doch während vermehrt auf die Ängste der „besorgten Bürger*innen“ eingegangen wird, fällt wiedermal ein zentrales Thema hinten runter: Die Sicherheit und die Bedürfnisse der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen. Und leider scheint die Gewalt gegen sie, ihre Einrichtungen und Unterstützer*innen immer mehr zur Randnotiz zu verkommen.

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