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Braune Kameradschaften

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Wieder einmal ist es den „Snevern Jungs“ gelungen, ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft zu behaupten. Die Neonazi-Kameradschaft zählt zu den am besten organisierten Freien Kräften in Norddeutschland. Der Name „Snevern Jungs“ soll Bodenständigkeit vermitteln und harmlos klingen. Nur wenige in der Heidestadt wissen, dass der niedersächsische Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht 2005 namentlich vor dieser Neonazi-Kameradschaft warnt, eben weil sie auf „politisch-ideologische Außenwirkung“ ausgerichtet ist. Ihre Anhänger gehen bürgerlichen Berufen nach, sind verheiratet und aktiv in den örtlichen Vereinen. Nebenher pflegen die „Snevern Jungs“ enge Kontakte in die bundesweite Neonazi-Szene, sie nehmen an zahlreichen Skinhead-Konzerten und NPD-Aufmärschen teil. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit konnten sich die „Snevern Jungs“ gesellschaftlich etablieren, sie beteiligen sich nicht nur an Volksläufen, sondern spielen auch bei einem Preisskat-Tunier der „Katholischen Männergemeinschaft“ mit oder bekommen Anerkennung, weil sie die Müllsammelaktion „Sauberes Schneverdingen“ tatkräftig unterstützen.

„Freie Kräfte“

Im Schatten der rechtsextremen NPD haben sich Neonazis als so genannte „Freie Kräfte“ unauffällig umstrukturiert. An die Stelle juristisch belangbarer Organisationen ist in den letzten Jahren ein Netzwerk scheinbar autonom agierender Kameradschaften getreten, die besonders militant agieren und offen dem Nationalsozialismus huldigen. Nach der Verbotswelle gegen kleinere neonazistische Vereinigungen in den Jahren zwischen 1992 und 1995 begannen einige führende norddeutsche Neonazis, ein neues Organisationsmodell aufzubauen, das vor Zugriffen des Staates besser geschützt ist. Die bundesdeutschen Behörden gehen mittlerweile von 200 Kameradschaften aus, Insider behaupten, es wären weitaus mehr. Innerhalb dieser Strukturen und unter Eigenbezeichnungen wie „National-Germanische Bruderschaft“, „Bierpatrioten“ oder „Kameradschaft Ostara“, finden sich militante Neonazis, gewaltbereite Skinheads, so genannte Autonome Nationalisten oder aggressive Rechtrock-Anhänger zusammen. Sie prägen heute den „Nationalen Widerstand“.

Die ideologische Radikalität von etablierten Führungsstrategen wie Christian Worch und Thomas Wulff, genannt „Steiner“, schürt auch die aggressive Atmosphäre bei den Anhängern. Vor allem Jugendliche in Ost und West fühlen sich von den Kameradschaften, ihrer radikalen Propaganda, ihrem aggressiven Aktionismus und ihrer Kampfbereitschaft angezogen. Um Mitglied einer Kameradschaft zu werden, bedarf es keines Ausweises und keines Vereinsstatuts, der Eintritt vollzieht sich eher schleichend. Es reichen die gemeinsame Gesinnung von Neonazismus, Antisemitismus und Rassismus sowie die Bereitschaft sich regelmässig locker zu treffen. In der Öffentlichkeit wollen die „Freien Kräfte“ als lose, selbstständig handelnde Kameradschaften erscheinen. Aber der Schein trügt, die lokalen Kameradschaften, sind über regionale Aktionsbüros oder Dachorganisationen wie dem „Sozialen und Nationalen Bündnis Pommern“ (SNBP) in Vorpommern, zusammengeschlossen. Nur langsam erkennen das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter die Bedeutung des Netzwerkes der Kameradschaften, als Basisstruktur der Neonazi-Szene an. Immer wieder wurde zwar bestätigt, dass sich „viele Skinheads“ und Neonazis den Kameradschaften angeschlossen hätten, aber es hieß dann auch immer wieder beschwichtigend, deren Aktivitäten würden, eine „fehlende Koordination“, aufzeigen.

Beeinflussung im vorpolitischen Raum

Am Beispiel der Snevern Jungs lassen sich die Folgen mangelnder öffentlicher Aufklärung aufzeigen, denn nach Ergebnissen einer Befragung des Kriminologischen Forschungsinstitutes in Hannover soll der Anteil rechtsextremer Jugendlicher nirgendwo so hoch sein, wie im Landkreis Soltau-Fallingbostel. In diesem Landkreis liegt auch die Kleinstadt Schneverdingen. Seit 2004 zeichnen sich im rechtsextremen Lager neue politische Entwicklungen ab. Die „Freien Kameradschaften“ beeinflussen maßgeblich im vorpolitischen Raum den „nationalen Widerstand“, die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) ist indes im parlamentarischen Raum der „nationalen Opposition“ bestimmend. Mit dem Erstarken der NPD geht ein Zusammenrücken der ältesten neonazistischen Partei der Bundesrepublik mit den jungen Kameradschaften einher, die die Partei bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen, den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin und den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern offen unterstützen. Zwar ist manchem jungen Kameraden die Partei nicht radikal genug und taktisch zu moderat, doch hat sie seit dem gescheiterten Verbotsverfahren von 2003 innerhalb der Szene an Ansehen gewonnen.

Am 19. September 2004 zog die NPD mit 9,2 Prozent der Stimmen in den sächsischen Landtag ein. Bereits vor diesem Erfolg hatten Parteistrategen und führende Kameradschaftsaktivisten in zahlreichen Hinterzimmertreffen ein Zusammenrücken vereinbart. Jetzt kamen noch Wahlabsprachen mit der „Deutschen Volks-Union“ (DVU) hinzu. Die beiden Parteien einigten sich darauf nicht gegeneinander anzutreten. Unter der Parole „Volksfront von rechts“ propagierten NPD-Anhänger: „Der Bruderkampf ist eingestellt.“ Trotz zahlreicher Missstimmungen blieb die Zusammenarbeit bis heute bestehen. Vor allem im kameradschaftsgeprägten Mecklenburg-Vorpommern schufen Freie Kräfte das notwendige kulturelle Milieu, das gerade Erst- und Jungwähler überzeugen könnte, die NPD zu wählen. Denn Neonazi-Gruppen wie die „Mecklenburgische Aktionsfront“ oder das „Soziale und Nationale Bündnis Pommern“ bilden soziale Netzwerke, in denen das politische ins Private wirkt.

Erstmals nach 1945 sind in einigen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns sogenannte Parallelwelten entstanden, in denen junge Anhänger 24 Stunden rund um die Uhr rechte Angebote nutzen und erleben können. Es gibt u.a. eigene Zeitungen, die sogenannten „Inselboten“, Tanzgruppen wie den „Heimatbund Pommern“, eigene Handwerksbetriebe, Rechtsrockbands, Jugendclubs und Szene-Partys. Nach Angaben von Experten dominieren rechte Jugendkulturen bereits in einigen Regionen um Ueckermünde und Anklam. „Die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber rechtsextremen Inhalten wächst weiter an“, warnt Karl-Georg Ohse vom „Mobilen Beratungsteam für Demokratische Kultur“ (MBT) in Schwerin. So verfügt die NPD dank der Kameradschaften bereits über eine Stammwählerschaft. Mit leichter Besorgnis soll der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt den mächtigen Einfluß von Doppelfunktionären wie Tino Müller aus Ueckermünde aufgenommen haben. Immerhin kandidiert der Kameradschafts-Drahtzieher Müller für die Partei auf Listenplatz Nr. 2. Aber auch die NPD weiß: die meisten der zahlreichen Kameradschaftsanhänger hören nur auf sein Kommando.

Dieser Text stammt aus dem Online-Dossier zum Thema Rechtsextremismus der Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de/rechtsextremismus
Erstveröffentlicht am 13.9.2007

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