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Braune Strukturen Die „Kameradschaft Aachener Land“

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Militante Strukturen, die KAL wurde im August 2012 verboten; Foto:Michael Klarmann, c

Bis Mitte August machte die „Kameradschaft Aachener Land“* (KAL) wiederholt mit Sprühaktionen in der Region Aachen auf sich aufmerksam. Ein Streifenwagen der Polizei wurde mit Graffitis, Hakenkreuzen und dem Schriftzug der KAL besprüht. An die Fassade eines Stadtverwaltungsgebäudes, in dem sich auch die Polizeiwache befindet, wurde großflächig eine Parole gegen den „Bullenstaat“ geschmiert. Eine Gedenktafel für die im Nationalsozialismus ermordeten Juden wurde mit einem Hakenkreuz und einer rechten Parole geschändet. Auch am Wasserberger Rathaus, an der Polizeiwache und im Umkreis wurden Hakenkreuze, die Kürzel KAL und A.C.A.B. (All Cops are Bastards) sowie die Losung „Deutsche halten zusammen“ gesprüht. In allen Fällen handelt es sich um Sachbeschädigung mit eindeutig neonazistischem Hintergrund.

Die KAL ist vermutlich auch für einen wenige Tage später in Aachen verübten Anschlag gegen den Veranstalter des „Rock gegen Rechts“-Konzertes verantwortlich. Ein unmittelbar neben dessen Wohnhaus geparktes Auto wurde in Brand gesetzt und mehrere Farbbeutel gegen die Fassade geworfen. Den Verdacht, dass die KAL dahinter steckt, legt ein kurz zuvor auf ihrer Homepage veröffentlichter Text nahe. In diesem wird über den Gewerkschafter sowie dessen geplantes Konzert berichtet und ein vager Hinweis auf dessen Adresse gleich mitgeliefert.

Doch die „Kameradschaft Aachener Land“ beschränkt sich bei ihren Aktivitäten nicht nur auf Sprühaktionen und Brandstiftung, sondern muss als weitaus gefährlicher eingestuft werden.
Dementsprechend wird die Kameradschaft auch von der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln beobachtet. „Die Aktivitäten der Neonazi-Szene im Raum Aachen bewegen sich seit einigen Monaten auf gleichbleibendem Niveau. Im Fokus der Neonazis stehen vor allem politische Gegner*innen, die durch Gewalttaten und Sachbeschädigungen eingeschüchtert werden sollen“, erläutert Hendrik Puls vom ibs. „In den vergangenen Wochen wurde unter anderem das SPD-Büro in Stolberg mit Hakenkreuzen beschmiert. Zuletzt griff Ende Juni eine Gruppe KAL-Mitglieder in der Nähe des Aachener Hauptbahnhofs einen vermeintlichen Antifaschisten mit Reizgas und Schlägen an. Am 27. August führten ungefähr 70 Neonazis vier nicht-öffentlich beworbene Kundgebungen im Rheinland durch. Die Gruppe, unter denen sich auch Mitglieder der KAL befanden, waren mit Reisebussen unterwegs.“ Definitiv ist die Situation in Aachen und Umland also besorgniserregend.

Die Hintergründe

Kameradschaften sind meist kleine, männliche dominierte Gruppen, die insbesondere durch feste neonazistische Einstellungen und gewaltbereites Verhalten auffallen. Da es sich bei diesen, auch als „Freie Kräfte“ titulierten Gruppen, um keine gesetzlich definierte Organisation, wie eine Partei oder einen eingetragenen Verein handelt, sind sie rechtlich nur schwer greifbar.

In Nordrhein-Westfalen hat sich im letzten Jahrzehnt entsprechend der gesamtdeutschen Entwicklung eine umfassende Kameradschaftsszene entwickelt. Zu dieser gehört auch die „Kameradschaft Aachener Land“, die sich nach eigenen Angaben auf ihrer Homepage offiziell 2002 gründete. Obwohl die KAL eine eigenständige, dem neonazistischen Gedankengut verbundene Kameradschaft ist, entstand sie nicht nur aus dem Umfeld des NPD-Kreisverbandes Aachen, sondern steht mit diesem bis heute in engem Kontakt. Inzwischen gilt sie als eine der ältesten und zugleich, nach Einschätzung des Verfassungsschutzes als eine der aktivsten Kameradschaften in Nordrhein-Westfalen.
Schätzungsweise 15 bis 20 Personen gehören zum harten Kern der KAL, die neben der engen Verbindung zur örtlichen NPD, auch Kontakte zu anderen Kameradschaften sowohl im Umkreis als auch deutschlandweit, zur Hooligan-Szene von Alemannia Aachen sowie zu anderen Neonazigruppen in Europa unterhält.

In der ihnen eigentümlichen Weise machten die Kameradschaftsmitglieder bereits im 2001 auf sich aufmerksam, indem sie einen Brief mit dem vermeintlichem Milzbranderreger an die Jüdische Gemeinde Aachen schickten. Obwohl es sich bei diesem nur um harmloses weißes Pulver handelte, ist dies nicht nur ein geschmackloser Scherz, sondern eine mit Angst spielende, eindeutig menschenverachtende Aktion.

Kopf der KAL ist der sogenannte „Kameradschaftsführer“ René Laube. Er ist nicht nur Mitbegründer der Kameradschaft und Leitfigur der militanten Neonaziszene in Aachen und Umgebung, sondern war auch bis Mitte 2010, als ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Düren und Vorsitzender des Ortsverbandes im Rhein-Erftkreis. Auch für die Justiz ist Laube kein Unbekannter. Er wurde in der Vergangenheit wegen Volksverhetzung, Sachbeschädigung und Falschaussage strafrechtlich belangt. Erst Ende Juni diesen Jahres wurde Laube zusammen mit zehn anderen Neonazis, überwiegend KAL-Mitglieder, festgenommen, nachdem sie einen mutmaßlichen Antifaschistischen angegriffen hatten.

Liederabende und Sprengstoff

Die Gesinnung der KAL wird auch auf ihrer Homepage deutlich. Schwarz-weiß-rote Banner, mehrere dreiarmige Hakenkreuze, die Triskele, und Überschriften in altdeutscher Schrift bestimmen das Layout des ansonsten in Schwarz gehaltenen Internetauftritts. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat im Juni nach Überprüfung eines Indizierungsantrages gegen die KAL-Homepage, diese nun als jugendgefährdend eingestuft. Da die Webseite jedoch anonym über einen Server im Ausland gehostet wird, kann sie nicht aus dem Internet entfernt werden. Lediglich über Suchmaschinen ist sie nun nicht mehr auffindbar.

Wer sich dennoch auf diese Seite verirrt, den erwartet ein runterlaufender Tageszähler. Dieser wird am 31. Januar 2012 abgelaufen sein, dem angeblichen zehnten Gründungstag der KAL. Daneben gibt es noch Berichte, kurze Informationen zur Geschichte der KAL und Links zu anderen neonazistischen Organisationen sowie ein Kontaktformular, mit dem „antideutsche, linksextremistische oder kommunistische Personen bzw. Aktivitäten“ mitsamt Name, Adresse, Foto und genaueren Angaben gemeldet werden können. Was mit diesen Daten passiert, lässt die KAL an dieser Stelle zwar offen. Zur Vorstellung hilft aber ein Blick in das Vorstrafenregister der Kameradschaftsmitglieder. Diese können mit Verurteilungen wegen Morddrohungen, Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen, uneidlicher Falschaussage und Körperverletzung dienen.

„Die KAL und ihr Umfeld zeichnet ein hohes Maß an krimineller Energie aus, wie die hohe Zahl an rechten Gewalttaten in der Region beweist. Viele rechte Angriffe zeichnen sich durch hohe Brutalität aus. Gewalt ist ein zentrales Mittel, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Dahinter steht eine streng neonazistische Ideologie. Die KAL veröffentlichte beispielsweise am 20. April ein Foto von Adolf Hitler mit einem Geburtstagsgruß auf ihrer Homepage“, erläutert Hendrik Puls. Doch nicht nur gewaltsame Übergriffe gehören zum Repertoire der Kameradschaftsmitglieder, sondern diese machen auch immer wieder durch politische Aktionen auf sich aufmerksam. Dazu gehört die Organisation regionaler Veranstaltungen, wie Liederabende, Konzerte, Fußballturniere und Demonstrationen sowie die Beteiligung an anderen Neonazi-Aufmärschen, beispielsweise in Bad Nenndorf. Die KAL ist auch entscheidend an der Organisation des seit 2008 jährlich stattfindenden Neonazi-Aufmarsches in Stolberg beteiligt. Nachdem dort im April 2008 bei der Auseinandersetzung zweier Gruppen ein junger Mann getötet wurde, instrumentalisieren Neonazis diese Tat als „Ermordung“ eines „Deutschen“ durch einen von ihnen eingestuften „Migranten“ als „antideutschen Rassismus“.

Die Aktivitäten dieser neonazistischen Kameradschaft führen unweigerlich zu der Frage, was getan wird, um ihnen Einhalt zu gebieten. Bevor dies jedoch geschehen kann, muss die Gefahr als solche erkannt werden. Dies scheint bereits geschehen, denn der Verfassungsschutzbericht 2010 für Nordrhein-Westfalen liefert folgende Einschätzung: „Die Bereitschaft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen steigerte sich augenscheinlich in ihrer Intensität, in einem Einzelfall wurden bei einer Versammlung sogar Sprengmittel mitgeführt, die bei Verwendung gegen den politischen Gegner oder auch gegen die Polizei, zu schweren, unter Umständen tödlichen Verletzungen hätte führen können.“ Auch das ibs gibt eine Einschätzung: „Die Art und Weise sowie der Umfang der Medienberichterstattung unterscheidet sich regional. Fehlende Thematisierung der extrem rechten Aktivitäten ist zumeist nicht das Problem. Auch die Politik ist weitestgehend sensibilisiert. Oftmals liegt das Problem eher darin, dass in einigen Städten und Dörfern zu wenig Personen und Verantwortungsträger*innen bereit sind, sich kontinuierlich gegen die Neonazis zu engagieren.“ Und dies kann gravierende Folgen nach sich ziehen. Denn solange die KAL verkannt, ignoriert oder geduldet wird, kann sie fast ungehindert ihre Ideologie verbreiten und politisch Andersdenkenden sowie selbst festgelegten Feinden gewaltbereit entgegentreten.

Franziska Jung

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

*Die „Kameradschaft Aacher Land“ wurde im August 2012 vom nordrhein-westfälischen Innenministerium verboten.

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