Der folgende Text ist zuerst in der Broschüre Monitoring #11 der MBT Hamburg erschienen.
Neben Beratung und Bildung gehört es zu den Aufgaben des MBT, ein Monitoring und die Analyse (extrem) rechter Aktivitäten und Akteur*innen sowie extrem rechter Ideologieelemente vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund beziehen sich zwei Beiträge des anhängenden Monitors auf die AfD, einer bundesweiten Partei, die von den einschlägigen Expert*innen und Wissenschaftler*innen als ‚rechtsextrem‘ (z.B. von Armin Pfahl-Traughber) bzw. mehr und mehr offen rechtsradikal (z.B. von Alexander Häusler) und mitschuldig für rechten Terror (von Hajo Funke) bezeichnet wird, von Antisemitismus (siehe die Ausführungen von Gideon Botsch) und von (antimuslimischen) Rassismus (s. beispielsweise die Analysen von Iman Attia) geprägt ist; personelle Verbindungen zu allen extrem rechten Akteur*innen (NPD, Identitäre Bewegung, PEGIDA, Pro Deutschland …) wurden vielfach nachgewiesen. Regelmäßig melden sich Vertreter*innen und Einzelpersonen aus von Rassismus und Antisemitismus betroffenen Communitys, Initiativen, Gemeinden und Gruppen im Diskurs zu Wort, benennen menschenverachtenden Positionen bei der AfD und fordern Solidarität und Handeln der Gesellschaft ein; zivilgesellschaftliche Initiativen engagieren sich in diesem Zusammenhang gegen Diskursverschiebungen und Gewalt.
MBT: Könnt ihr uns erzählen, wie die Idee entstanden ist, einen AfD-Watch-Blog zu starten?
AfD-Watch Hamburg: Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) begleitet die Aktivitäten der Hamburger AfD schon seit ihrer Gründung 2013 kritisch beobachtend. So hatten wir z. B. mit einer Broschüre schon 2014/15 in den Wahlkampf der Partei interveniert. Damals zählte die Broschüre zu einer der ersten antifaschistischen Publikationen über die AfD und wurde deshalb auch bundesweit stark nachgefragt. Nach dem Einzug in die Hamburgische Bürgerschaft wurde die Auseinandersetzung mit der immer weiter nach rechts driftenden Partei zum Schwerpunkt der Arbeit in unserem Bündnis, neben dem Organisieren von zahlreichen Demonstrationen gegen den Pegida- Ableger „Merkel-muss-weg“, den wir als außerparlamentarischen Arm der AfD auf der Straße sehen. Da die AfD nun, anders als frühere Formationen der extremen Rechten wie DVU und NPD, auch parlamentarisch verankert war, waren wir gezwungen, uns nun auch stärker mit der Fraktion zu beschäftigen. Im Sommer 2018 entstand dann im HBgR die Idee, selbst die parlamentarischen Aktivitäten der AfD zu erfassen und zu analysieren und auf dieser Grundlage dann zu eigenen Einschätzungen zu kommen. Das hat auch damit zu tun, dass wir einerseits über eine jahrelange Expertise auch in der diskursiven Auseinandersetzung mit der extremen Rechten verfügen und andererseits weniger leicht in den Verdacht kommen, originäre parteipolitische Interessen zu verfolgen. Denn wir sind ein außerparlamentarisches, zivilgesellschaftliches Bündnis und stehen außerhalb der Konkurrenz in der Bürgerschaft. Hatten wir bisher die Propaganda der AfD durch Kundgebungen, Demonstrationen oder Pressearbeit begleitet, so haben wir uns nun für einen extra Blog, neben der Homepage des HBgR, entschieden, um uns dort konzentriert und systematisch mit der AfD zu beschäftigen. Als Vorbild dienten hier diverse andere Watchblogs zur AfD in anderen Regionen Deutschlands.
Der Presserklärung folgend, ist es ein Ziel des Blogs, den Wahlkampf der AfD kritisch zu begleiten. Wo setzt ihr da mit dem Blog an, welche Bereiche möchtet ihr besonders beleuchten?
Unser Blog gliedert sich in unterschiedliche Bereiche: Zum einen wollen wir kritisch, aktuell und regelmäßig über die parlamentarische und ggf. außerparlamentarische Arbeit der AfD berichten. Zu diesem Zweck haben wir schon vor Monaten eine eigene Datenbank mit den parlamentarischen Dokumenten der AfD angelegt und diese ausgewertet. Diese Beobachtung der parlamentarischen Tätigkeiten oder auch der Aktivitäten in den sozialen Netzwerken werden wir kontinuierlich fortführen. Ein weiterer Schwerpunkt sind die wichtigsten AfD-Politiker*innen. Dies sind vor allem die Abgeordneten in der Bürgerschaft und die Kandidaten*innen zur Bürgerschaftswahl 2020. Die Hamburger AfD lässt sich allerdings nicht verstehen, ohne auch Personen im Hintergrund oder die Einbindung in extrem rechte oder reaktionäre Milieus zu beleuchten. Die Verquickung der Partei mit den braunen Aufmärschen unter dem Titel „Merkel muss weg“ ist hier ein Beispiel, die innerparteiliche Frontorganisation „Der Flügel“ ein weiteres. Und schließlich werden wir und Gastautor*innen mit spezieller Expertise die inhaltlichen Schwerpunkte der Hamburger AfD analysieren und ihre propagandistische Funktion herausarbeiten. Auch hier werden wir sukzessive neue Erkenntnisse präsentieren.
Die Seite ist im September 2019 online gegangen – welche Reaktionen gab es bislang?
Gemessen an der regionalen Beschränkung auf Hamburg und der thematischen, rein auf die AfD, haben wir ziemlich schnell eine hohe Anzahl an Follower*innen auf Twitter erreicht, wie auch Zugriffszahlen auf unsere Homepage. Auch in Hamburger Medien wurden unsere Inhalte schon aufgegriffen. Wir rechnen damit, dass dies zunehmen wird, sobald die heiße Phase des Wahlkampfes in Hamburg beginnt, in der auch die Propaganda der AfD im Parlament, in den sozialen Medien und auf der Straße an Masse und Schärfe zunehmen wird.
Wie seht Ihr die Rolle der Medien im Umgang mit der AfD und was bedeutet das für Eure Arbeit?
Der Blog soll für die Medien einen festen Ort anbieten, an dem gebündelt alle kritischen Informationen über Ideologie, Struktur, Propaganda und Personal der Rechtspartei zur Verfügung gestellt werden. Diesen haben wir unserer Meinung nach schon jetzt geschaffen, es gibt kein Zeitungsarchiv oder eine andere Dokumentationsstelle in der Stadt, die so viele entlarvende Informationen über die Hamburger AfD anbietet wie wir. Und wir legen Wert darauf, dass auch wir nach journalistischen Standards arbeiten und alle Informationen mit Quellen belegt werden können.
Leider lassen einige Medien immer mal wieder kritische Distanz zu den menschenverachtenden und rassistischen Positionen der AfD vermissen. Zum Beispiel, wenn in Brandburg die AfD im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur „bürgerlichen Partei“ geadelt wurde. Oder wenn aus Zeit- oder Personalmangel einfach auf Pressemitteilungen der AfD zurückgegriffen wird, ohne diese zu hinterfragen oder Meinungen Dritter einzuholen. Den Medien kommt hier eine sehr hohe Verantwortung zu, einerseits nicht jeden „Aufreger“ zu bedienen, den die AfD oftmals gezielt produziert, um dann wieder zurückzurudern. Und andererseits dürfen Journalist*innen auch nicht in die Normalisierungsfalle tappen und die seit der geheimdienstlichen Prüfung zu beobachtende Strategie der „Selbstverharmlosung“ der AfD kritiklos übernehmen.
Ihr beobachtet die Aktivitäten der AfD ja nunmehr schon seit einigen Jahren – erkennt ihr Muster oder auch Themenverschiebungen über die Zeit?
Wie der Bundesverband, so hat sich auch der Hamburger Landesverband in mehreren Etappen immer weiter von seinen national-konservativen und marktradikalen Wurzeln entfernt und steuert immer mehr auf einen extrem rechten Kurs zu. Auch in Hamburg sind die Sympathisant* innen von Björn Höcke und seines völkischen Flügels nicht unbedeutend, wie wir in unserem Blog darlegen. Und an den Beispielen der Fraktionsvorsitzenden Dirk Nockemann und Alexander Wolf können wir aufzeigen, dass die vermeintliche Abgrenzung vom völkischen Flügel und der extremen Rechten nur billige Rhetorik ist, während gleichzeitig mit fast monothematischer Hetze gegen Muslime, und Geflüchtete das braune Fußvolk bei Laune gehalten wird. Die angeblichen Mäßigungen der Hamburger AfD-Spitze sind rein taktischer Natur, um der geheimdienstlichen Beobachtung zu entgehen. Oder wie es Burschenschafter Wolf Anfang des Jahres anlässlich der Beobachtung durch den Verfassungsschutz in einer Videobotschaft verkündete, nachdem er sich fadenscheinig vom völkischen Flügel distanziert hatte: „Eins ist richtig, das hat mit ‚Weichspülen‘ überhaupt nichts zu tun. Wir bleiben bei harter Kante.“ Dass Wolf bis heute ein Sympathisant des völkischen Flügels ist, dokumentiert er übrigens selbst auf einer seiner beiden Facebookseiten. Zu der bekannten fast alles dominierenden rassistischen Hetze und der Sehnsucht nach einem autoritären Staat sowie anderen altbekannten rechten Forderungen ist im neuen Programm zur Wahl 2020 eigentlich nur ein wesentlicher Punkt neu hinzugekommen. Die AfD positioniert sich jenseits jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis als Leugnerin des gesellschaftlich gemachten Klimawandels und als konsequente Autopartei.
Wenn jemand die Arbeit des Blogs unterstützen will, wie kann das aussehen?
Das kann auf vielfältige Weise geschehen: Den ja noch sehr jungen Blog bzw. den Twitter-Account bekannt machen und die Infos weiterverbreiten. Man kann uns Geld spenden über das Konto auf der HBgR-Seite, Stichwort: AfD-watch Hamburg. Journalisten*innen und anderen Multiplikator*innen können wir Hintergrundgespräche und (teilweise schwer zugängliches) Quellenmaterial anbieten. Und wir freuen uns natürlich auch weiterhin über Gastautor*innen, die vielleicht eine besondere Expertise zu einem Thema der AfD haben.
Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten gibt es hier.