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Bundespräsidentenwahl Die Stimmen von Rechtsaußen

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Im Paul-Löbe-Haus wird am 13. Februar 2022 der Bundespräsident gewählt. (Quelle: Wikimedia / Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 DE)

Am 13. Februar 2022 wird der Bundespräsident gewählt. Frank-Walter Steinmeier bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Seine Wiederwahl ist sicher, denn sowohl die Ampelkoalition zusammen mit der CDU unterstützen seine Wiederwahl. Trotzdem wird auch Gerhard Trabert antreten, ein parteiloser Kandidat, der von der Linken vorgeschlagen wurde. Besonderes Aufsehen erregte in den letzten Tagen Max Otte (CDU), Vorsitzender der erzkonservativen Werte-Union, der trotz keinerlei Chancen von der AfD nominiert wurde. Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, die sich aus den Bundestagsabgeordneten und Delegationen aus den Ländern zusammensetzt, zu denen auch Personen gehören können, die keine politischen Ämter innehaben. Besonders zwei Delegierte der AfD stechen heraus. Einer hat sich für die Freilassung von Rudolf Heß eingesetzt, der zweite ist ein einflussreicher rechtsextremer Stratege.

Die Bundesversammlung besteht im Jahr 2022 aus den 736 gewählten Abgeordneten des Bundestages. Weitere 736 Delegierte werden aus den Landesparlamenten entsandt. Das sind Vertreter der Parteien, Mitglieder der Landtage aber auch Personen, die kein politisches Amt innehaben oder Parteimitglieder sind. In diesem Jahr ist zum Beispiel der Virologe Christian Drosten dabei — entsandt von den Grünen in Berlin —, der Nationalspieler Leon Gortezka (SPD Bayern), Pro7-Moderator Klaas Heufer-Umlauf (SPD Niedersachsen), Pianist Igor Levit (Grüne Niedersachsen), Schauspielerin Denise M’Baye (SPD Niedersachsen), Kabarettist Dieter Nuhr (FDP NRW), NSU-Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler (FDP NRW) und der Chemie-Nobelpreisträger Benjamin List (CDU NRW).

Max Otte als Aufmerksamkeitsgenerator

Die AfD, immer bemüht um Aufmerksamkeit, versucht die Wahl für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Am 4. Januar nominierte sie Max Otte, seit Mai 2021 Vorsitzender der sogenannten Werteunion, einem rechtskonservativen Verein, dem mehrheitlich CDU- und CSU-Mitglieder angehören (siehe Belltower.News). Die Gruppierung ist allerdings keine anerkannte Parteigliederung. Die CDU reagierte und entzog Otte schon am Tag nach der Bekanntgabe alle Mitgliedsrechte und eröffnete ein Parteiausschlussverfahren. Paul Ziemiak, Noch-Generalsekretär der Union, sagte, Otte habe der CDU „schweren Schaden zugefügt“. Sein künftiger Nachfolger Mario Czaja ließ wissen: „Wer mit der AfD kooperiert oder zusammenarbeitet, hat in der CDU nicht zu suchen.“

Eine etwas späte Erkenntnis: Denn Otte hatte bereits 2017 angekündigt, bei der Bundestagswahl für die AfD zu stimmen. Bis 2021 war er Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Die Kandidatur ihres Chefs scheint die Werteunion zu zerreißen. Einflussreiche Mitglieder, wie der umstrittene Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen und der Politologe Werner Patzelt sind ausgetreten. Maaßen bezeichnete Ottes Kandidatur als „Verrat an den Mitgliedern“. Patzelt kritisierte, dass der Verein durch Ottes Entscheidung an Einfluss verliere. Selbst Vera Lengsfeld, eine ultrakonservative ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige CDU-Abgeordnete, ist nicht begeistert und schreibt: „Otte hat die Konservativen gründlich diskreditiert.“ Werteunion-Mitgründer Alexander Mitsch fordert mittlerweile sogar die Auflösung des erzkonservativen Vereins.

Otte samt AfD-Chefetage sonnen sich derweil in der Aufmerksamkeit. Zusammen mit Fraktionschefin Alice Weidel und dem Parteivorsitzenden Tino Chrupalla betont Otte vor den Kameras, seine Kandidatur sei „überparteilich“ und der dpa sagt er, sie sei eine Reaktion auf die Entscheidung der CDU keinen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken und Steinmeier für eine zweite Amtszeit zu unterstützen: „Sollte die CDU noch einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominieren, der sich aktiv dafür einsetzt, die Spaltung des Landes zu überwinden, ziehe ich meine Kandidatur zurück.“ Mittlerweile hat der Werteunion-Chef immerhin angekündigt, sein Amt bis zur Bundespräsidentenwahl am 13. Februar ruhen zu lassen. Wie es mit dem Verein danach weitergeht, bleibt abzuwarten.

Fragwürdige Delegierte

Aber nicht nur der Kandidat der AfD bietet Anlass für Fragen, sondern auch einige der Delegierten der Partei, also derjenigen, die an der Wahl für den nächsten Bundespräsidenten tatsächlich teilnehmen werden. Die meisten von ihnen, neben den Mitgliedern der AfD-Fraktion im Bundestag, kommen aus den Landtagsfraktionen. Das bedeutet ohnehin immer wieder Verbindungen in den Rechtsextremismus, etwa zur „Identitären Bewegung“ oder zu rechten Burschenschaften. Und auch aus der Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete, wie etwa Matthais Helferich, der sich in einem Chat als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte, werden an der Wahl teilnehmen.

Nur wenige der AfD-Delegierten haben keine politischen Ämter in den Ländern. Besonders zwei von ihnen stechen besonders ins Auge: Carl-Wolfgang Holzapfel, der zur Delegation der AfD aus Berlin gehört und Erik Lehnert aus Brandenburg.

Gegen die DDR und für Rudolf Heß

Holzapfel ist ein Politaktivist, der schon seit den 1960er Jahren regelmäßig auffällt. Der 77-Jährige setze sich damals vor allem gegen die DDR und die Berliner Mauer ein, tauchte aber auch immer wieder in rechtsextremen Zusammenhängen auf. 1962 führte er einen 72-stündigen Hungerstreik aus Protest gegen die Mauer durch. Er befestigte Holzkreuze im Gedenken an die Mauertoten und trat später erneut in den Hungerstreik, um die UNO zu einer Reaktion auf das Unrecht an der innerdeutschen Grenze aufmerksam zu machen. Der Aktivist führte immer wieder spektakuläre Aktionen durch: 1965 wurde er nach einer Demonstration am Checkpoint Charlie durch Grenzposten der DDR verhaftet und später zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Nach neun Monaten Einzelhaft wurde er durch die Bundesrepublik freigekauft. Im August 1989 legte er sich über den weißen Strich am Checkpoint Charlie, der die Grenze wischen Ost- und Westteil der Stadt markierte. Über drei Stunden konnten sich die amerikanischen und DDR-Grenzposten nicht einigen, wie mit dem Demonstranten verfahren werden sollte. Ein weiterer Hungerstreik 1990 zwang den damaligen Justizminister der DDR nach sechs Tagen zum Rücktritt.

Von 1992 bis 2008 war er Mitglied des rechtsextremen „Witikobundes“. Jahrelang war Holzapfel Mitglied der CDU, 1970 war er Mitgründer des „CSU-Freundeskreises West-Berlin“, einer rechtsradikalen Vereinigung, von der sich die CSU distanzierte. Auch die „Initiative der Jugend“, eine Organisation, die als Keimzelle der sogenannten „neuen“ Rechten in Deutschland gilt, gründete er in den 1960er Jahren zusammen mit anderen Aktivisten. Von 1989 bis 1990 war er Mitglied der rechtsradikalen Republikaner, von denen er sich später distanzierte. Seit 1963 war er Mitglied des Vereins „Vereinigung 17. Juni 1953“ der sich für Aufarbeitung und Dokumentation der ostdeutschen Diktatur einsetzte. Der Verein wurde in den 1970er Jahren als rechtsradikal und nationalistisch eingeordnet. Seit 2002 ist Holzapfel der Vorsitzende.

Ein besonderes Anliegen war Holzapfel offenbar auch das Schicksal von Rudolf Heß. Der „Hitler-Stellvertreter“ saß von 1947 bis zu seinem Tod 1987 im Kriegsverbrecher-Gefängnis in Berlin-Spandau ein. 1973 drohte Holzapfel damit, ein britisches Flugzeug zu entführen, um so den Nazi-Kriegsverbrecher freizupressen. Unmittelbar danach meldete er sich allerdings bei der Polizei und gab an, keine Gewalttat begehen zu wollen. Später veröffentlichte er in seiner Funktion als Vereinsvorsitzender der „Vereinigung 17. Juni 1953“ einen Nachruf auf Eugene Bird, den amerikanischen Kommandanten des Spandauer Gefängnisses, der Hess unerlaubt interviewt und gefilmt hatte. Bird wurde daraufhin aus der Armee entlassen, und beteiligte sich nach Heß’ Tod an der Verbreitung von Verschwörungserzählungen über die angebliche Todesursache. Auch er war Mitglied der „Vereinigung“. Später betonte Holzapfel, dass er sich lediglich aus humanitären Gründen für die Freilassung des Kriegsverbrechers eingesetzt habe.

Rechtsextremer Netzwerker in der Bundesversammlung

Ein weiterer AfD-Delegierter und Max Otte werden sich am 13. Februar nicht zum ersten mal treffen. Schon 2011 nahmen Otte und Erik Lehnert gemeinsam an einer Gedenkveranstaltung zum 75. Todestages des Philosophen Oswald Spengler teil, wie der Journalist Robert Andreasch berichtet.

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Spengler gehört zur sogenannten „Konservativen Revolution“, einer Reihe von reaktionären und faschistischen Intellektuellen aus der Zwischen- und Vorkriegszeit, die als reaktionäre Vorbilder der angeblich „neuen“ Rechten gelten. Schon damals war Lehnert Geschäftsführer des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS), einem rechtsextremen Thinktank um den Verleger Götz Kubitschek und seinen Antaios-Verlag. Bereits seit 2008 hat der heute 46-Jährige diese Posten inne. Seit 2015 ist er auch „wissenschaftlicher Leiter“. Kubitschek kennt er eigenen Angaben nach bereits seit 2001.

Zusammen mit Kubitschek gilt Lehnert als einer der einflussreichsten Strategen der „neuen“ Rechten. Er ist mit unterschiedlichen Strömungen in der Bewegung vernetzt. Aktuell arbeitet er offenbar als Referent der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag. Vorher war er beim Bundestagsabgeordneten Harald Weyel beschäftigt, wie Recherchen der taz belegen.

Dabei ist das Verhältnis von Lehnert vor allem zum angeblich gemäßigten Teil der rechtsradikalen Partei durchaus angespannt. Der Geschäftsführer des IfS, das vor allem dem rechtsextremen „Flügel“ der Partei nahesteht, war bis 2020 Teil des Vorstands der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Nachdem bekannt wurde, dass das „Institut“ vom Verfassungsschutz zunächst als Verdachtsfall des Verfassungsschutzes eingestuft wurde — mittlerweile gilt es als „gesichert rechtsextrem“ — hatte die Mehrheit des Vorstandes für seine Abberufung gestimmt.

In der Bundesversammlung hat die AfD viel zu wenige Stimmen, um in irgendeiner Form Einfluss auf das Wahlergebnis auszuüben. Max Otte ist chancenlos. Doch mit seiner Nominierung hat die Partei es erneut geschafft, ins Gespräch zu kommen. Die Auswahl der Delegierten beweist erneut, wie tief Teile der Partei im rechtsextremen Milieu verwurzelt sind. Die Partei hat es ermöglicht, dass rechtsextreme Aktivisten bis ins Herz der Demokratie vordringen sind und selbst an der Wahl zum höchsten Amt des Staates wie selbstverständlich teilnehmen können.

Foto: Wikimedia / Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 DE

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Seit 20 Jahren will die sogenannte „neue“ Rechte mit Götz Kubitscheks „Institut für Staatspolitik“ (IfS) Einfluss auf Politik und Gesellschaft nehmen. Seit 20 Jahren wird sie dabei von Journalist*innen beobachtet. Das Magazin der rechte rand veröffentlicht in einen neuen Band Artikel aus 20 Jahren über die „Faschist*innen des 21. Jahrhunderts“.

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