Die besten Jahre sind für die 1964 gegründete „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) längst vorbei: Zu ihrem Höhepunkt in den 1960er-Jahren zog die rechtsextreme Partei in die Landtage von Hessen, Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein. Bei der baden-württembergischen Landtagswahl 1968 erreichte die NPD sogar 9,8 Prozent – noch immer ihr bestes Ergebnis in einer Wahl. Bei der Bundestagswahl 1969 verpasste die Partei mit 4,3 Prozent nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Damals konnte die Partei noch mit knapp 30.000 Mitglieder prahlen. Dann folgten jahrzehntelange Flügelkämpfe, weitere Radikalisierungen, zwei gescheiterte Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sowie ab 2013 die Entstehung der AfD als neues Sammelbecken Rechtsaußen.
Eine zweite Erfolgswelle erlebte die NPD in den 2000er-Jahren: 2004 zog sie zum ersten Mal seit 1968 wieder in einen Landtag ein, in Sachsen mit 9,2 Prozent der Stimmen. 2006 folgte der Einzug in den mecklenburg-vorpommerischen Landtag mit 7,3 Prozent. Solche Siege waren unter anderem dem sogenannten „Deutschlandpakt“ bei Wahlen mit der ebenfalls rechtsextremen „Deutschen Volksunion“ (DVU) zu verdanken, mit der die NPD später zu fusionieren versuchte. 2007 konnte die NPD etwa 7.200 Mitglieder verzeichnen und war noch eine der tonangebendsten Gruppierungen am rechten Rand der Bundesrepublik.
Seitdem geht es nur noch steil bergab für die Partei: Bereits 2013 musste die NPD aus Finanznot alle hauptamtlichen Mitarbeiter:innen kündigen, die Mitgliederzahl schrumpft und schrumpft und liegt aktuell laut Verfassungsschutz bei nur noch 3.500 Mitgliedern – nur halb so viel wie vor einem Jahrzehnt. Ab 2014 war die Partei nicht mehr im sächsischen Landtag vertreten, ab 2016 auch nicht mehr in Mecklenburg-Vorpommern. Der Niedergang der Rechtsextremen hat unterschiedliche Gründe: Der politische Aufstieg der rechtsradikalen AfD ging teilweise auf Kosten der NPD. Doch auch an rechtsextremen Kleinstparteien wie „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ hat die NPD Kader verloren (siehe Belltower.News).
Es kriselt in den Reihen der rechtsextremen Nationalist:innen, doch ein Verbot konnte die NPD bislang vermeiden. Das zweite Verbotsverfahren gegen die Partei lehnte das Bundesverfassungsgericht 2017 ab mit der Begründung, die NPD sei zwar verfassungsfeindlich, es gebe allerdings keine „Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele“. In anderen Worten: Dem Gericht zufolge ist die NPD zu irrelevant und bedeutungslos, um eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie darzustellen.
Doch es gab in den letzten Jahren durchaus kleine Erfolge: 2014 zog der langjährige NPD-Vorsitzende und vorbestrafte Neonazi Udo Voigt mit einem Prozent der Stimmen für die Partei ins Europäische Parlament ein, nachdem die Drei-Prozent-Hürde vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Als Europaabgeordneter forderte er die Freilassung des inhaftierten Holocaustleugners Horst Mahler und finanzierte mit EU-Mitteln sechs Newsletter in Höhe von 35.000 Euro, die vom militanten Neonazi und ebenfalls NPD-Vorstandsmitglied Thorsten Heise produziert wurden. Eine Newsletter-Titelseite verlangte die Freilassung der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Auch NS-Verherrlicher:innen kamen in den Publikationen ausführlich zu Wort (siehe Belltower.News). Einen weiteren Coup landete die Partei 2020, als der ehemalige Berliner AfD-Landesabgeordnete Kay Nerstheimer zur NPD wechselte.
Trotz ihres Untergangs als politische Macht Rechtsaußen ist die NPD die einzige Neonazi-Partei, die bundesweit zur Wahl antritt: Zur Bundestagswahl 2021 kandidiert die Partei in allen Bundesländern mit Landeslisten, im bayerischen Ansbach stellt die Partei mit Maik Langen einen, in Hamburg sogar vier Direktkandidaten auf (Manfred Dammann, Helmut Saß, Lennart Schwarzbach und Ingo Stawitz). Als Spitzenkandidat:innen auf den jeweiligen Landeslisten steht die Parteiprominenz wie die NPD-Veteranin Edda Schmidt in Baden-Württemberg, der gut vernetzte Kameradschaftsmann und Rechtsrock-Veranstalter Thorsten Heise in Thüringen oder der Ex-EU-Abgeordnete Udo Voigt in Rheinland-Pfalz.
Für die Bundestagswahl hat die NPD einen 90-sekündigen Werbespot produziert, der im öffentlichen Rundfunk schon mehrmals gesendet wurde. Auf ihrer Parteiwebseite schreibt die NPD etwas enthusiastisch dazu: „DIESER TV-Spot schlug ein wie eine Bombe!“. Die „Bombe“, aktuell mit unter 20.000 Aufrufen auf YouTube, ist in Wirklichkeit ein bizarr geschnittenes Video mit kuriosen Soundeffekten und merkwürdigen Stockvideo-Einblendungen von Bildagenturen. Der pathetische Geigen-Soundtrack des Werbespots erinnert an einen Trailer für einen schlechten Hollywood-Blockbuster. So stilisiert sich Parteivorsitzender Frank Franz wie eine Art rechtsextremer Superheld, wenn er wiederholt in die Kamera verkündet: „Wir klagen an!“ – Echoeffekt – gegen ein „krankes System“, gegen Staatsversagen, gegen Rentenpolitik. Im Wahlwerbespot werden die Covid-Pandemie und Hochwasserkatastrophe angedeutet, doch auffällig ist die Abwesenheit von Kernthemen der NPD wie Migration, Asylpolitik und „Vaterland“. So wirkt der Werbespot eher wie ein Stück Primetime-Propaganda statt einer Widerspiegelung ihrer hinlänglich bekannten, rechtsextremen Ideologie.
Das Parteiprogramm der NPD hat sich, ebenfalls wie die Partei selbst, über die Jahre kaum modernisiert: Das völkische und rassistische Programm mit dem Titel „Arbeit, Familie, Vaterland“ wurde im Juni 2010 beschlossen, die aktuelle Auflage erschien im März 2013. Zur Bundestagswahl hat die NPD lediglich ein kurzes Online-Programm bestehend aus fünf Punkten und mit auffällig vielen Ausrufezeichen auf ihrer Webseite veröffentlicht: „Unsere Freiheit ist unverhandelbar“, „Gesundheit darf kein Luxus sein“, „Die Globalisierung ist gescheitert“, „Nein zur EU – Schluss mit der Ausbeutung“ und „Gebt Syrien den Syrern zurück“.
Konkret heißt das: Die NPD will „sprechen, wie uns der Schnabel gewachsen ist“, lehnt die „Vergewaltigung unserer Sprache durch ‚Gender-Sprech‘“ ab, setzt sich für die Einführung von Volksentscheiden auf nationaler Ebene ein und fordert die „volle Wiederherstellung des Versammlungsrechtes!“. In Bezug auf die Covid-Pandemie ist die NPD gegen eine Impfpflicht und die angeblich daraus resultierende „Zweiklassengesellschaft“, sie ist für eine Verstaatlichung der Gesundheitsversorgung sowie eine bessere Bezahlung für Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen.
Auf wirtschaftlicher Ebene will die NPD den deutschen Markt vor „ausländischer Billigkonkurrenz“ schützen und ein Förderprogramm zur Ankurbelung regionaler Wirtschaftskreisläufe aufbauen: „Wer seine Produkte in Deutschland verkaufen will, muss auch hier produzieren und Steuern zahlen!“. Außenpolitisch soll durch diplomatischen Kontakt mit dem Assad-Regime in Syrien Syrer:innen aus Deutschland abgeschoben werden: „Deutschland ist nicht das Sozialamt der Welt!“ Die NPD helfe jedoch gerne vor Ort, heißt es weiter, aber nur zu klaren und fairen Konditionen. Ob eine humanitäre Mission der rechtsextremen Partei nach Syrien geplant sei, steht nicht im Wahlprogramm.
Die Umfrage zum „Wahlomat“ der Bundeszentrale für politische Bildung beantwortet die NPD in einem offeneren Ton. Die Partei wittert beispielsweise eine Verschwörung in der Asylpolitik: Dass „junge, kräftige Männer als ‚Flüchtlinge‘“ nach Deutschland entsandt worden seien, sei eine „Masche der Asyl- und Migrationsindustrie wie auch der Schleppermafia, um stetig weiteren Zuzug von Migranten nach Deutschland zu generieren und daran zu verdienen.“ Zur sprachlichen Berücksichtigung von Geschlechtsidentitäten schreibt die Partei: „Es gibt Männer und Frauen. Alle anderen haben Probleme, die politisch nicht lösbar sind.“ Und ein „vermeintlich deutscher Antisemitismus“ werde seit Jahren „von bestimmten Interessensgruppen aufgebauscht“. Selbst zum Thema Clubkultur hat die NPD eine trotzige Position. Auf die Frage, ob Berlin weiterhin Lärmschutzmaßnahmen von Clubs finanziell fördern soll, antwortet die Partei: „Der BRD Partypöbel soll sein Lärmschutz selber bezahlen“, Fehler im Original.
Kurz vor der Bundestagswahl wird klar: Die NPD hat keine politische Zugkraft mehr. Die Partei ist nicht radikal genug, um mit dem „III. Weg“ oder „Die Rechte“ zu konkurrieren, gleichzeitig ist sie nicht bürgerlich genug für manche AfD-Unterstützer:innen. In diesem rechtsextremen Niemandsland kann die Partei kaum profitieren. Auch wenn sie etwas ambitioniert auf ihrer Webseite schreibt, „Die NPD muss in den Bundestag!“, geht es bei der Wahl im besten Fall nur noch darum, den Parteienstatus zu behalten und die Wahlkampfkosten zurückerstattet zu bekommen. So wirkt die Partei immer mehr wie ein braunes Relikt der bundesdeutschen Geschichte.