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Christchurch Die plausiblen Spenden des Brenton T. an die „Identitäre Bewegung“

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Die „Identitären“ in Frankreich geben auch schon mal offen zu, dass Grundvoraussetzung für eine Mitgliedschaft bei ihnen die Zugehörigkeit zur „weißen Rasse“ ist. Dem Attentäter von Christchurch dürfte das gefallen haben

Eigentlich mögen die „Identitären“ das Rampenlicht der Medien. Es ist die wichtigste Voraussetzung dafür, ihre europaweit agierende „Identitäre Bewegung“ (IB) größer erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich ist. Aktuell jedoch erfahren sie ungewollt eine internationale Aufmerksamkeit, die wohl nicht in ihrem Sinne sein dürfte und zumindest in Österreich zu ihrem Ende führen könnte. Es geht dabei um die Frage nach möglichen Kontakten der österreichischen „Identitären“ mit dem australischen Rechtsterroristen Brenton Tarrant, der am 15. März 2019 im neuseeländischen Christchurch 50 Menschen muslimischen Glaubens tötete, weil er in ihnen feindlich gesinnte „Invasoren“ sah (BTN). Sein Manifest ist von der rassistischen und islamfeindlichen Ideologie der „Identitären“ durchtränkt (BTN, BTN, DÖW).

Österreichische „Identitäre“ unter Druck

Was die „Identitäre Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Bedrängnis bringt, ist die Spende über 1.500 Euro, die deren Chef, Martin Sellner, im Januar 2018 von Brenton Tarrant erhalten hat (BTN). Dieser Geldtransfer eines Terroristen setzt Sellner persönlich und mit ihm die von ihm dominierte IBÖ dem Verdacht der Terrorunterstützung aus und hat die „Identitären“ zum Parias der österreichischen Politik gemacht. Sogar ein Verbot der IBÖ wird geprüft – es wird ihr unterstellt, eine terroristische Vereinigung zu sein.

Es ist ein schwerer Vorwurf, der durch keine weiteren Indizien gestützt wird. Das macht es den „Identitären“ um Martin Sellner leicht: Sie inszenieren sich im pathetisch-absurden Gestus politischer Widerstandskämpfer als Opfer einer bösartigen Medienkampagne und klagen seit Wochen lautstark über den „linken tiefen Staat“ und den „antipatriotischen Repressionsapparat“, der sie politisch verfolgen und dafür rechtsstaatliche Grundsätze außer Kraft setzen würde. Dass die Berichterstattung z. T. jedes nebensächliche Detail zu einem Indiz für eine neonazistische Gesinnung und rechtsterroristische Umtriebe aufbauscht (Heute), spielt ihnen dabei in die Karten.

Rechtsterrorist von Christchurch – engagierter Unterstützer der „Identitären“

Mittlerweile ist bekannt, dass sich Brenton Tarrants finanzielle Unterstützung von IB-Strukturen nicht auf Österreich beschränkte. Anfang April wurde publik, dass er bereits im September 2017 auch an die „Identitären“ in Frankreich in vier Chargen rund 2.200 Euro überwies (taz, ZEIT ONLINE). Nach bisherigem Erkenntnisstand unterstützte der Rechtsterrorist von Christchurch die „Identitäre Bewegung“ bis zum Frühjahr 2018 also in mindestens zwei Ländern sehr großzügig mit insgesamt rund 3.700 Euro – zu einem Zeitpunkt, als er laut seines Manifests bereits radikalisiert war und seinen Glauben an eine demokratische Lösung verloren hatte.

Diese üppigen Spenden konnte Tarrant sich leisten, weil er einige Jahre zuvor Geld geerbt und es gewinnbringend angelegt hatte (T-Online). Dank dieses Vermögens konnte er in den letzten Jahren auch ausgedehnte Reisen durch Europa unternehmen, deren Routen so aussehen, wie man es von „identitären“ Bildungsreisen erwarten würde. So besuchte er etwa Schauplätze und Gedenkorte der historischen Türkenkriege, die gerade für die österreichischen „Identitären“ von überragender identitätsstiftender Bedeutung sind und auf die Tarrant sich auch in seinem Manifest und in den Kritzeleien auf seinen Tatwaffen bezieht (BTN). Persönliche Kontakte mit europäischen Rechtsextremen sind daher durchaus denkbar, sogar wahrscheinlich, konnten aber bisher noch nicht bestätigt werden.

Debatte kreist um falsche Fragen

Da keine belastbaren Indizien vorliegen, die für eine aktive Beteiligung der „Identitären“ an Tarrants Taten sprechen, sind seine Finanzhilfen an die IB als das zu bewerten, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen: Zweckungebundene finanzielle Unterstützungsleistungen, die ein vermögender Sympathisant einer Gruppierung zukommen lässt, mit deren Zielen er sich identifiziert. Der Erhalt von Geldspenden begründet allein noch keinen hinreichenden Terrorismusverdacht; allerdings muss man auch kein Terrorist sein, um mit seiner politischen Agenda die Legitimation von menschenverachtendem Rassismus zu verfolgen, wie es die IB tut.

Die aktuelle Debatte um die österreichischen „Identitären“ krankt also an einer Schieflage. Statt auf Grundlage von Spekulationen aus der IBÖ eine Terrororganisation zu machen, sollten andere Fragen im Fokus stehen: Warum kommt ein zu allem bereiter Rechtsextremist aus Australien eigentlich auf die Idee, gerade die genuin westeuropäische „Identitäre Bewegung“ finanziell zu unterstützen? Und was sagt das über die wahre Natur dieser Gruppierung aus, die sich als „patriotische NGO“ bezeichnet und allen Ernstes den gewaltlosen Widerstand in der Tradition Mahatma Gandhis für sich reklamiert, wie Martin Sellner in einem seiner Bücher? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es ratsam, dem dezidiert internationalen Charakter der IB Rechnung zu tragen und den Blick über Österreich hinaus schweifen zu lassen.

Spende über 1.500 Euro ein feindlicher Akt?

Sellners Verteidigungsstrategie besteht darin, aus der 1.500 Euro-Spende von Tarrant an ihn ein Instrument der Diffamierung seiner Person bzw. der „Identitären“ zu machen: Tarrant wolle, so Sellner, staatliche „Repression gegen gemäßigte patriotische Gruppen“ provozieren, um diese „aus dem Weg zu räumen“ und deren Anhänger*innen zu radikalisieren. Die Spende sei also Teil eines hintertriebenen Plans, durch politische Radikalisierung und gesellschaftliche Destabilisierung die Voraussetzungen für einen herbeigesehnten „revolutionären Wandel“ zu schaffen. Diese absurde Lesart, die aus einer Geldspende einen gegen den Empfänger gerichteten feindlichen Akt macht, ist auch die offizielle Haltung der IBÖ, in der nichts gegen den Willen Sellners geschieht.

Diese Theorie scheint schon auf den ersten Blick völlig abwegig: Woher hätte Tarrant wissen sollen, dass diese Spende, die Ende März 2019 im Rahmen eines schon länger laufenden Finanzstrafverfahrens zufällig ans Licht kam (Standard), überhaupt jemals publik würde? Und warum hätte er 1.500 Euro für das Legen einer falschen Spur aufwenden sollen, wenn er einen wesentlich größeren Effekt zum Nulltarif hätte erzielen können? Er hätte die IB in seinem Manifest ja bloß nennen müssen und hätte damit pauschal die gesamte „Identitäre Bewegung“ diskreditiert (BTN).

Um seine Theorie nicht noch absurder erscheinen zu lassen, als sie ohnehin schon ist, ignoriert Sellner konsequent die Zuwendungen über 2.200 Euro, die Tarrant den französischen „Identitären“ hat zukommen lassen: Das Kosten-Nutzen-Verhältnis würde dann, bei insgesamt fast 4.000 Euro, groteske Züge annehmen. Aus demselben Grund verschweigt er für gewöhnlich auch die Worte der Bewunderung, die ihm Tarrant in einer sich an die Spende anschließenden E-Mail-Korrespondenz zukommen ließ (NYT) – ein interessantes Detail, das nicht so recht zu Sellners üblicher Darstellung, nach der es nur eine obligatorische Dankes-E-Mail gab, passen will.

Blick nach Frankreich zeigt: Unterstützung der IB durchaus plausibel

Ganz offensichtlich ist diese völlig unglaubwürdige Theorie von der Geldspende als einem Mittel der Diffamierung nichts weiter als eine durchsichtige Schutzbehauptung. Es sind gerade die Spenden Tarrants nach Frankreich, die eine Ahnung davon vermitteln, warum der Rechtsterrorist von Christchurch gerade in den „Identitären“ so etwas wie natürliche Verbündete in seinem Kampf um ein „weißes Europa“ sah.

Frankreich ist als Stammland und ideologische Herzkammer von herausgehobener Bedeutung für die „Identitären“ wie auch für die „Neue Rechte“ insgesamt, als deren Avantgarde sie sich verstehen. Die „Génération Identitaire“ ist der mit Abstand mitgliederstärkste Ableger der IB und die größte außerparlamentarische Gruppierung der extremen Rechten in Frankreich. Ihre jährlich stattfindende „Sommeruniversität“, die der pseudoakademisch-paramilitärischen Ausbildung einer „identitären“ Elite dient und wo man auch den Messerkampf auf offener Straße trainiert (The Guardian), wird von Aktivist*innen aus ganz Europa besucht.

Auch in der Biografie des Rechtsterroristen von Christchurch spielt Frankreich eine Schlüsselrolle. In seinem Manifest beschreibt Tarrant detailliert, wie er sich während einer Europareise im Frühling 2017, die ihn auch nach Frankreich führte, endgültig radikalisierte. Er durchreiste das Land mit einem Mietwagen und traf überall, „in jeder französischen Stadt, in jeder französischen Ortschaft“ auf die „Invasoren“, als die er grundsätzlich alle Menschen nicht-weißer Hautfarbe betrachtet, besonders wenn sie muslimischen Glaubens sind. Mit eigenen Augen die alle seine Befürchtungen übertreffende „Invasion Frankreichs durch Nicht-Weiße“ zu sehen, löste in ihm Zorn und Verzweiflung zugleich aus und brachte ihn endgültig zu der Erkenntnis, dass es nur eine „gewalttätige, revolutionäre Lösung“ der „gegenwärtigen Krise“ geben könne. Dieser Aufenthalt in Frankreich sei der „letzte Anstoß“ zu seinem Entschluss gewesen, jede friedliche Lösung zu verwerfen und den Weg eines Terroristen zu beschreiten.

Frankreich – Hauptschlachtfeld der „Identitären“

Dass Brenton Tarrant sein rechtsextremistisches „Erweckungserlebnis“ ausgerechnet in Frankreich hatte, ist bezeichnend. Die „Identitären“ sehen in diesem Kernland Europas das Hauptschlachtfeld ihres rassistischen Kampfes um dessen „ethnokulturelle Identität“, die sie durch „Masseneinwanderung“ und „Islamisierung“ bedroht sehen. Diesen Kampf um ein weißes Europa tragen sie daher gerade in Frankreich auch mit z. T. strategisch organisierter nackter Gewalt aus, getrieben von einem beinahe pathologischen Hass auf alles Muslimische. Interessanterweise lässt dieser Hass manchen Aktivisten sogar in Terrorfantasien schwelgen, die genau das vorwegnehmen, was Tarrant in Christchurch in die Tat umgesetzt hat (Al Jazeera).

Wenn die französischen „Identitären“ mal nicht gemeinsam mit offen faschistischen Gruppierungen wie der GUD („Groupe Union Défense“) protestierende Student*innen überfallen (Telepolis) oder nachts migrantische Jugendliche zusammenschlagen (Al Jazeera), machen sie durch Aktionen von sich reden, die an ihrem Rassismus keinen Zweifel lassen. So patrouillieren sie in mehreren Städten unter dem Motto „Génération Solidaire“ auf der Suche nach bedürftigen Obdachlosen, deren Not sie mit warmen Getränken und Essen kurzfristig lindern. Diese Mischung aus Bürgerwehr und Obdachlosenhilfe, die allerdings eher der Produktion von schönen Bildern für die sozialen Medien dient, richtet sich ausschließlich an „Stammfranzosen“ („Français de souche“), im weiteren Sinne an „Stammeuropäer“ („Européen de souche“) – womit immer Obdachlose weißer Hautfarbe gemeint sind (NEON).

Unverblümter Rassismus nach dem Geschmack Tarrants

In einer für Beobachter der deutschsprachigen „Identitären“ erstaunlichen Direktheit wird an der „Génération Identitaire“ deutlich, dass es der IB nicht um Nationalitäten geht, sondern letztlich um eine weiße Hautfarbe. Ihre Kader geben das in seltenen Momenten intellektueller Redlichkeit sogar offen zu: so Aurélien Verhassel, wichtigster Führungskader der „Identitären“ nördlich von Paris, 2016 anlässlich der Eröffnung seines „identitären“ Hausprojekts im nordfranzösischen Lille. Dieses „identitäre“ Zentrum („La Citadelle“) stehe nur französischen bzw. europäischen „Patrioten“ offen – und Grundvoraussetzung, um „Europäer“ zu sein, sei selbstverständlich die Zugehörigkeit zur „weißen Rasse“, erklärte der wegen einschlägiger Gewaltdelikte vielfach vorbestrafte IB-Chef den Presseleuten.

Es ist eine selten ehrliche Stellungnahme, die das völkisch-rassistische Weltbild der „Identitären“ konsequent wiedergibt – und vor deren Hintergrund klar wird, was Verhassel meint, wenn er in einem Tweet vom 21. Mai 2018 die Heirat des britischen Kronprinzen Harry mit der schwarzen US-Amerikanerin Meghan Markle als „Ende der Geschichte“ bezeichnet. Sein österreichischer IB-Kollege Martin Sellner – übrigens der wichtigste Verbindungsmann der deutschsprachigen „Identitären“ zu den Gesinnungsgenossen in Frankreich – offenbart denselben nicht um Nationalitäten, sondern um Hautfarbe und Phänotyp kreisenden Rassismus. In einem YouTube-Video führt er seine ebenfalls US-amerikanische (also ausländische) Verlobte Brittany Pettibone an, um zu belegen, dass er ja kein Rassist sein könne. Pettibones weiße Hautfarbe ist der hier entscheidende Unterschied zu Markle, deren Einheirat ins britische Königshaus von Verhassel offensichtlich als Fanal des drohenden Untergangs Europas gedeutet wird.

„Identitäre“ – Brüder im Geiste des Rechtsterroristen von Christchurch

Es zeichnet sich hier eine klare Gesinnungsgenossenschaft zwischen den „Identitären“ und dem Attentäter von Christchurch ab. Auch Tarrant benutzt in seinem Manifest das Attribut „europäisch“ als Synonym für „von weißer Hautfarbe“ (BTN); ganz abgesehen davon, dass er unmittelbar auf die (nicht zufällig aus Frankreich stammende) rassistische Verschwörungserzählung vom „großen Austausch“ Bezug nimmt, die praktische eine Art „identitäres“ Glaubensbekenntnis darstellt (BTN). Es ist exakt dasselbe rassistische Denken, das eine klare Frontlinie zwischen Menschen weißer Hautfarbe („Europäer“) einerseits und allen anderen Menschen („Nicht-Europäer“) andererseits zieht.

In den „Identitären“ sah Tarrant offensichtlich Brüder im Geiste, die sich im Zentrum des „weißen Europas“ im selben Kampf gegen eine „Invasion der Fremden“ (Martin Sellner) wähnen wie er und deren ausgeprägte Gewaltbereitschaft ihn beeindruckt haben muss. Sie als seine natürlichen Verbündeten finanziell großzügig zu unterstützen, war da nur naheliegend. Mit einer 1.500 Euro-Spende an Martin Sellner außerdem auch jenen IB-Kader finanziell zu fördern, der spätestens seit 2017 eine Schlüsselrolle in der „identitären“ Propaganda- und Aufbauarbeit gerade in der angelsächsischen Welt spielt (der rechte rand), war für den Australier Brenton Tarrant auf geradezu zwangsläufige Weise nur logisch.

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