vgl. BTN: Rechtsextreme und die soziale Frage
Der Rassismus führte allerdings bei aller Wucht, mit der sich zunächst die NPD und später auch andere rechsextreme Gruppierungen auf die soziale Frage warfen, später doch zu Misstrauen, ob die propagierten Anliegen so redlich und kompetent verfolgt würden, wie behauptet. Wenn aber rechtsextreme Hilfe für „deutsche“ Obdachlose abgelehnt wurde, konnten sich die Rechtsextremen immerhin noch in der Opferrolle suhlen. Trotzdem verloren rechtsextreme Sozialangebote im Aktivitätsspektrum der Neonazis zunehmend an Bedeutung . Es geht ihnen ja auch nicht um soziale Hilfe, sondern um Ideologieverbreitung. Zuletzt machten vor allem Bürgerwehren von sich reden – die allerdings den meisten eher Angst einjagten, als ein Sicherheitsgefühl zu erzeugen.
Dank Corona ist das soziale Thema bei Rechtsradikalen und Rechtsextremen nun jedoch zurück. Während die ganze Gesellschaft angesichts der Pandemie zusammenrückt, war die extreme Rechte zunächst noch recht still und mit internen Fragen wie „Ist Corona nur eine Erfindung oder gibt es das wirklich?“ beschäftigt.
Die rechtsradikale AfD war zunächst mit Regierungs- und Medien-Schelte beschäftigt, von Hilfsangeboten auch hier keine Spur (vgl. BTN).
Erst Unglauben, doch nun wird geholfen. Warum?
Jetzt aber wird zurückgeholfen – einigen alten Haudegen in NPD und „Die Rechte“ ist offenbar die alte Strategie in den Sinn gekommen, durch „Hilfe“ für „Deutsche“ bessere Stimmung für Rassismus und rechtsextreme Ideologie zu machen.
So kündigte etwa die NPD in Berlin auf Twitter an, dass sie mit ihrer Jugendorganisation, den „Jungen Nationaldemokrat*innen (JN)“ Flugblätter verteile, mit denen sie anbieten wolle, zu helfen. Das nennt sich „Nationale Solidarität“.
Die JN twitterte ebenfalls von der Ankündigung der guten Tat, bei ihnen dann schon geframt als „gelebte Volksgemeinschaft“ – ein Ausdruck aus der völkischen Ideologie.
Da die JN allerdings weiß, dass sei nach wie vor nicht beliebt ist, versucht das Design des verteilten Flugblatts weiterhin, die rechtsextreme Herkunft nicht zu sehr zu betonen.
Dass es eigentlich um anderes geht, zeigt die Website der Aktion. Hier heißt es:
Also: Hilfe mit Regierungsschelte. Es ist von einer „starken und geeinten patriotischen und nationalistischen Gegenöffentlichkeit“ die Rede, und:
Offiziell heißt die „Volksgemeinschaft“ hier also „Landsleute“.
Der III. Weg: „Solidarität für Deutsche“
In anderen Regionen Deutschlands versucht es die rechtsextreme Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ auf die gleiche Tour („Solidarität für Deutsche“):
Auf der Website des „III. Wegs“ findet sich zu dieser Aktion übrigens nichts, wohl aber ein Artikel, der Corona zwar nicht als frei erfunden, aber doch als massive Hysterie beschreibt, die vor allem dem Ziel diene, „Oppositionelle zu kriminalisieren“.
Ein Prozent: „Wir Patrioten tragen Verantwortung“ – aber keine*r will Hilfe
Im rechtsextremen Hilfsreigen mischt auch der neurechte Verein „Ein Prozent“ mit. Hier heißt es: „Immer wieder haben wir als patriotische Bürgerinitiative hervorgehoben, wie wichtig uns Solidarität ist. Jetzt haben wir die Möglichkeit, unter Beweis zu stellen, dass wir Patrioten immer wieder Verantwortung für unsere Gesellschaft tragen.“
Auch hier folgen Regieruns-Bashing und warme Worte.
Der “EinProzent”-Aufruf ist schlicht gehalten, nur am Logo und an der „patriotischen Bürgerinitiative“ erkennbar.
Erfolg hat die Aktion bisher eher nicht. Auf der Website schreibt „EinProzent“: „Bisher haben sich bei uns hauptsächlich Leute gemeldet, die ihre Hilfe anbieten, jedoch kaum Hilfsbedürftige.“ Die fragen vielleicht lieber Nachbarn als Nazis.
AfD: „Schicke Ihnen junge, gesunde und kräftige Patrioten“
Auch die AfD möchte nun doch auch helfen. Etwa AfD-Rechtsaußen Dubravko Mandic, der auf Facebook ein Hilfsangebot der „Jungen Alternative“ bewirbt. Wobei die Ankündigung: „Ich schicke Ihnen junge, gesunde und kräftige Patrioten“ paternalistisch klingt, und Fragen aufwirft angesichts eines Virus, das eine länger Inkubationszeit hat, bevor es zu erkennen ist. „Wir wissen wo es noch genug Ware gibt“ klingt dagegen absurd verschwörungstheoretisch. Am Ende noch eine völkische Anspielung und absurdem Denglisch: „#buildVolksgeist“. Benutzt übrigens keiner außer Mandic. Was dagegen fehlt: Ein Link zur Aktion der „Jungen Alternative“. Kein Wunder: Weder auf Webpräsenzen der „Jungen Alternative“ bundesweit noch beim Freiburger Ableger gibt es dazu hinweise. Applaus aus der eigenen Bubble gibt es trotzdem.
Professioneller sieht dagegen die „Corona-Bürgerhilfe“ von AfD-MdB Sebastian Münzenmaier in Mainz aus. Die Aktion bekommt es immerhin hin, Solidarität „fernab der Parteipolitik“ anzubieten, die Risikogruppen werden nicht aufs Deutschsein beschränkt. Allerdings sind auch das nur Worte – wie das Angebot ausgestaltet wird, ist nicht bekannt.
Insgesamt sind die meisten rechtsradikalen und rechtsextremen Hilfsangebot aktuell vor allem Worte im Internet, die vor allem Imagegründen dienen.
Wer sich keine Nazis oder Rechtsradikale ins Haus holen möchte:
Nehmen Sie Nachbarschaftshilfe am besten in Anspruch von Menschen, die sie als Nachbarn und Nachbarinnen kennen, und achten Sie auf rassistische und ausschließende Sprache und Symbolik.
P.S.: Übrigens gibt es nationalistische Hilfsangebot auch in anderen Ländern – etwa in Österreich durch den ehemaligen „Identitären“-Influencer Martin Sellner, dessen neue Gruppierung „Die Österreicher“ wirbt mit:
Hier allerdings findet sich noch eine andere Spielart der Interpretation der Weltlage: „Das wahre Virus heißt „Globalisierung“ und schuld an der globalen Pandemie ist die schöne, neue grenzenlose Welt, an der die Eliten arbeiten. Das „Gegenmittel“ sind Heimat und der souveräne Nationalstaat.“
Also: Holen Sie sich diese Rechtsextremen mit ihrem Nationalismus, ihren Verschwörungsideologien, ihrem Antisemitismus und ihrer mäßig kompetenten Einschätzung der Gesamtlage lieber nicht ins Haus.
Text: Simone Rafael
Recherche: Miro Dittrich
Mit Screenshots von Friedensdemo-Watch. Herzlichen Dank.