Das Studienzentrum Weikersheim (SZW) in Hohenlohe-Franken unweit von Würzburg ist das Werk Hans Filbingers. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende gründete das rechtskonservative ?Studienzentrum für Zukunftsfragen? im September 1979. Es war das Jahr nach seinem erzwungenen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten, das er wegen seiner Mitwirkung als Jurist an Todesurteilen während der NS-Zeit und wegen mangelnder Einsichtsfähigkeit aufgeben musste. Wie der 2007 verstorbene Filbinger ist auch das SZW umstritten, das den Anspruch erhebt, die Ideen der `68er Bewegung zu kontern. Die mangelnde Abgrenzung zum rechten Rand außerhalb des demokratischen Spektrums mag eine strategische Entscheidung gewesen sein.
Mangelnde Abgrenzung nach rechts außen in der inneren Führung
Ein Blick auf handelnde Personen belegt, dass schon im engeren Führungskreis des Studienzentrums keine konsequente Abgrenzung nach rechts außen vollzogen wurde und wird. Nur wenige Beispiele sollen genügen.
So war bis 1989 der heutige Republikanerchef Rolf Schlierer im SZW aktiv und gehörte seit 1987 dem Kuratorium des Studienzentrums an. Erst als der ?Stern? Schlierer als Parteimitglied und Pressesprecher des baden-württembergischen Landesverbands der Republikaner outete, trennten sich die Wege. Die offizielle Version heißt, Filbinger habe Schlierers Abgang veranlasst. Tatsächlich aber wollte Filbinger sein Kuratoriumsmitglied halten. Schlierer ?möge seine Bindung zu den Republikanern lösen und die Zusammenarbeit mit dem Studienzentrum fortsetzen?, heißt es in einem Gedächtnisprotokoll Filbingers über das Vier-Augen-Gespräch mit Schlierer. Denn ?die politischen Ziele, um die es Schlierer gehe, könne er im Studienzentrum viel besser verfolgen?, weil diese Denkfabrik ?Einfluss auf die Parteien der Mitte nähme?. Ein klassisches Motiv der ?Neuen Rechten?.
Lange Zeit gehörte der Stuttgarter Sozialphilosoph Günther Rohrmoser dem Präsidium des SZW an und ist auf den Veranstaltungen der Weikersheimer immer noch gern gesehen. Dass er sich zu seinem siebzigsten Geburtstag den RAF-Mitbegründer Horst Mahler einlud, tut dem offensichtlich keinen Abbruch. Auch nicht, dass er sich von Mahler die Laudatio halten ließ. Mahler lamentierte darin über seine Rückenschmerzen als Folge der ?gebückten Haltung?, in der die Deutschen ?wohlgelitten? seien. Er sprach von einer ?ewigen Schuldknechtschaft? und ?dem zerstörerischen Besatzungsregime? . Inzwischen ist der NPD-Sympathisant und Antisemit mehrfach wegen Holocaustleugnung und Volksverhetzung verurteilt, zuletzt im April 2008.
Derzeit zählen zum Präsidium unter anderem Klaus Hornung und Stefan Winckler. Hornung fand nichts dabei, als Referent bei der Münchener Burschenschaft Danubia aufzutreten, deren Aktivitas über Jahre hinweg vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurde. Stefan Winckler war Autor in der neurechten Postille ?Gegengift? und Mitherausgeber einer Festschrift für Klaus Hornung , die sich wie ein Who-is-Who der ?Neuen Rechten? liest. . Erst 2007 publizierte Winckler in dem von Josef Schüßlburner und Hans-Hellmuth Knütter als Herausgeber verantworteten Band ?Was der Verfassungsschutz verschweigt? zusammen mit der stellvertretenden Vorsitzenden der rechtsextremen ?Bürgerbewegung Pro Köln?, Judith Wolter, und Gisa Pahl, der Mitbegründerin des Deutschen Rechtsbüros, das als Kommunikationszentrum für rechtsextreme Szene-Juristen gilt. Erschienen ist dieser Band im Verlag des ?Instituts für Staatspolitik? in Schnellroda, das eng mit der Wochenzeitung ?Junge Freiheit? zusammenarbeitet.
Das sind illustere ?Vereinskollegen? für die baden-württembergischen Ministerpräsidenten nach Filbinger, die dem Kuratorium des Studienzentrums qua Amt angehörten. Günther Oettinger ist inzwischen aus dem SZW ausgetreten. Nach seiner missglückten Trauerrede für Filbinger, die ihm der längjährige Rohrmoser-Assistent Matthias Grimminger geschrieben hatte, war Oettinger politisch unter Druck geraten. Oettinger hatte darin Filbinger als ?Gegner des NS-Regimes? bezeichnet. Schließlich kehrte Oettinger dem Studienzentrum den Rücken. Bezeichnenderweise nicht aus inhaltlich politischen Gründen, sondern weil im SZW ?nicht originär Landesinteressen? wahrgenommen würden und die Mitgliedschaft keinen Bezug zu seinem Amt als Ministerpräsident habe.
Scharnier zwischen Konservativismus und extremer Rechter
Die Verbindungen vom Studienzentrum Weikersheim zur ?Neuen Rechten?, die das Ziel eint, rechtsradikale bis rechtsextreme Denkschemata zu enttabuisieren und ihre Positionen in der demokratischen Gesellschaft hoffähig zu machen, sind augenfällig. Das Studienzentrum selbst kann als Scharnier oder Brücke zwischen dem konservativen Flügel der Union und dem extrem rechten Spektrum betrachtet werden. Auch hier seien nur wenige Beispiele angeführt.
So hat etwa der baden-württembergische Staatsminister Willi Stächele einräumen müssen, ?dass im Rahmen der Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen vereinzelt auch personelle Hinweise auf die Hans-Filbinger- Stiftung und das Studienzentrum Weikersheim? angefallen seien.
Als personifiziertes Bindeglied zwischen dem SZW und der ?Neuen Rechten? gilt Albrecht Jebens, ein ?Hans Dampf in allen rechten Gassen?, wie die neurechte Wochenzeitung ?Junge Freiheit? schrieb . Jebens führte von 1982 bis 1997 die Geschäfte des SZW. Im September 1993 gründete er zu Filbingers 80. Geburtstag zusammen mit Paul Schmidt-Carell, dem früheren SS-Obersturmbandführer und Pressesprecher von Hitlers Außenminister Joachim von Ribbentrop, mit Gerhard Mayer-Vorfelder und anderen die Hans-Filbinger-Stiftung. Deren Ziel ist es, das Studienzentrum finanziell und ideell zu unterstützen. Drei Jahre führte Jebens den Vorsitz der Stiftung, 2004 wurde er zum Stellvertreter gewählt. Der Geschäftsführer des SZW, Ronald F. M. Schrumpf, amtiert gleichzeitig als Schatzmeister der Stiftung. So ist eine enge Zusammenarbeit gewährleistet.
Über Albrecht Jebens sind zudem enge Kontakte in die Zirkel der intellektuellen Rechtsextremisten gegeben. Unter anderem ist er als Referent der Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) bekannt und gehörte deren Vorstand an. Eine Organisation, die der Verfassungsschutz als ?größte rechtsextremistische Kulturvereinigung in Deutschland? bezeichnet und zu der etwa 500 Mitglieder, vor allem rechtsextremistische Verleger, Redakteure, Schriftsteller und Buchhändler zählen . Ihr durchgängiges Thema: die ?Infragestellung der Vergasung von Millionen von Juden?. Die GfP weist eine starke Nähe zur NPD auf, die auch durch den derzeitigen GfP-Vorsitzenden Andreas Mohlau dokumentiert ist.
Berührungspunkte zwischen dem Studienzentrum Weikersheim und der klar rechtsextremistischen GfP gibt es auch über deren Referenten Reinhard Uhle-Wettler. Der Ex-Brigadegeneral ist in der Szene als Redner und Verfasser einer Festschrift für den notorischen Holocaust-Leugner David Irving bestens bekannt und leitet die Hamburger ?Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft? (SWG). Hier schließt wieder sich ein Kreis zum Studienzentrum Weikersheim. So haben beide zu einem gemeinsamen Seminar in Bad Pyrmont eingeladen. Als Tagungsleiter fungierte Uhle-Wettler. Zu den Referenten gehörte Götz Kubitschek, Mitherausgeber der Zeitung ?Sezession? und Gründer des ?Instituts für Staatspolitik?, von der ?Jungen Freiheit? zu einer Art ?Reemtsma-Institut von rechts? hochstilisiert. Kubitschek zählt zu den wichtigsten ideologischen Vertretern der ?Neuen Rechten? in Deutschland. Vernetzung, nicht Abgrenzung, ist offensichtlich das Thema.
Von eindeutig demokratisch bis eindeutig rechts außen ? Referenten im SZW
Die Gästeliste des SZW ist schillernd. Die Referenten kommen wie die Teilnehmer auch aus dem gesamten Spektrum von eindeutig demokratisch bis anrüchig und rechtsextrem.
So zählten im Laufe der Jahre etwa Norbert Blüm, Carl Carstens, Friedbert Pflüger und Annette Schavan zu den Referenten. Ebenso Wolfgang Schäuble, Herbert Schnoor, Gerhard Schröder, Lothar Späth, Rita Süssmuth und Erwin Teufel. Es wäre völlig abstrus ihnen eine wie auch immer geartete Nähe zu rechtsradikalen oder rechtsextremen Bestrebungen nachsagen zu wollen. Aber es gab und gibt auch die anderen unter den Referenten. Zwei nur seien beispielhaft genannt.
Da ist der im Jahr 2000 verstorbene Lothar Bossle, der nicht nur enge Kontakte zum Pinochet-Regime, zur chilenischen Folterkolonie Colonia Dignidad sowie zur Mun-Sekte in Südkorea pflegte und in der rechtsextremen Tübinger Verlagsgruppe Grabert / Hohenrain publizierte. Ein Verlag, der ?nicht nur zu den ältesten, sondern auch zu den bedeutendsten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlagen in Deutschland? zählt. Bossle unterhielt in Würzburg eine so genannte ?Doktorfabrik?, in der man mit rechter Gesinnung und entsprechendem Geldbeutel leicht zu akademischen Ehren kommen konnte. Er zählte zum festen Referentenstamm der rechten Psychosekte ?Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis? (VPM) sowie des SZW und galt zeitweilig als dessen wissenschaftlicher Leiter. Während die bayerische Staatsregierung disziplinarrechtlich gegen ihn vorging, hat Bossle bei den Verantwortlichen des SZW noch sechs Jahre nach seinem Tod nichts von seinem zweifelhaften Glanz eingebüßt. Auf seiner Jahrestagung 2006 lud das SZW zu einer Gedenkstunde zu Bossles Ehren ein.
Ebenfalls auf der Referentenliste des SZW findet sich das CDU-Mitglied Hans-Helmuth Knütter, der unmissverständlich einer Vernetzung mit der extremen Rechten das Wort redet:
?Was können wir tun? Wir sollten uns zusammenschließen. Ohne Berührungsängste. Diese Berührungsängste sind ja das Schlimmste. Der eine will nicht mit dem anderen, weil der eine zu extrem ist und der andere einer Sekte angehört. Dann der Dritte ist umstritten. Der Vierte ist von irgendwelchen fragwürdigen Gerichtsurteilen her vorbestraft. Und daraus folgt, dass fünf Finger eben keine Faust sind. Die fünf Finger können einzeln gebrochen werden, die Faust nicht.?
Und wenn Knütter auf einer Jahrestagung der GfP vor gewaltbereiten Neonazis und Auschwitz-Leugnern ganz im Sinne der Drei-Säulen-Theorie der NPD offen für den ?Kampf um die Straße? wirbt, dann hört sich das so an:
?Diese jüngeren Leute werden sich, wie Jüngere das tun können, mit persönlichem, mit körperlichem Einsatz für die Durchsetzung der politischen Ziele einsetzen, und das ist gut, das ist hervorragend. Die Älteren können aber auch etwas tun. Man wird auch den hier Anwesenden aufgrund des Alters wohl kaum zumuten können, sich an Saalschlachten und Straßenkämpfen zu beteiligen. Aber was sie tun können, ist natürlich: Geld sammeln, Aktionen ermöglichen?.
Solche Aussagen können auch als Aufruf zur Gewalt interpretiert werden.
Bereits Anfang der 1990er Jahre fiel der emeritierte Politikwissenschaftler als Mentor eines studentischen ?Ost-West-Arbeitskreises? an der Universität Bonn auf, der neonazistische Referenten wie den Auschwitz-Leugner David Irving einlud und Auftritte des Nazi-Sängers Frank Rennicke organisierte.
Ausgerechnet Knütter prägte den Begriff der ?Faschismuskeule?. Er besagt, die Kritik an rechten und extrem rechten Vorstellungen diene ausschließlich der instrumentellen Delegitimierung oder Erpressung beliebiger politischer Gegner durch die Linke oder durch die jüdischen Gemeinden. Dass solch eine Argumentation auch unter völlig unverdächtigen Menschen verfängt, zeigt das Beispiel des Schriftstellers Martin Walser, der diesen Begriff in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche als ?Moralkeule? wieder aufnahm.
Referenten wie Knütter oder Bossle sind im SZW keine Einzelfälle. Aber sie sind auch nicht die Regel. Es ist die schillernde Zusammensetzung von Referenten und Besuchern, die die Gefahr darstellt, die vom Studienzentrum Weikersheim ausgeht. Als reiner Hort Ewiggestriger und Rechtsextremisten hätte es nie die Bedeutung erlangen können, die es heute besitzt: einerseits für die baden-württembergische CDU und den rechten Flügel der Union im Bund, andererseits für die ?Neue Rechte?. Diese Strömung, die sich an Carl Schmitt, dem Kronjuristen der Nationalsozialisten, und an Ideen des italienischen Marxisten Antonio Gramsci orientiert, will politische Macht über die Erringung kultureller Hegemonie erreichen und macht sich deshalb stark für eine ?Kulturrevolution von rechts? (Alain de Benoist). Das SZW bietet dafür ? willentlich oder nicht ? immer wieder eine Plattform.
Jung-Weikersheim: CDU-Kaderschmiede mit zweifelhaften Ruf
Bei Jung-Weikersheim, der Jugendorganisation des Studienzentrums, haben zweifelhafte personelle Verstrickungen ebenfalls Tradition: Zur Leitung von ?Junges Weikersheim?, dem Vorgänger als Jugendorganisation des SZW, gehörte bis 1995 Ulli Boldt, der für die inzwischen verbotene Nationalistische Front aktiv war und Rudolf-Heß-Gedenkmärsche organisierte.
Auch in jüngerer Zeit sind kaum Anzeichen von Sinneswandel bei Jung-Weikersheim zu beobachten. So hatte die Jugendorganisation für den 20. April 2007, pikanterweise Hitlers Geburtstag, den ehemaligen Chef des Kommandos Spezialkräfte Reinhard Günzel eingeladen. Günzel war 2003 in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden, weil er Martin Hohmann auf Bundeswehr-Briefpapier zu dessen als antisemitisch kritisierter Rede gratuliert hatte. Auch der aus der CDU ausgeschlossene Martin Hohmann sollte am 25. August 2007 auf einer Veranstaltung der Jung-Weikersheimer in Göttingen reden. Erst auf öffentlichen Druck hin wurden beide Veranstaltungen abgesagt.
Welchen Stellenwert die Jugendorganisation Jung-Weikersheim innerhalb der baden-württembergischen CDU einnimmt, zeigt ein Blick auf die prominente Besetzung des Vorstands zu dieser Zeit. Ihm gehörten an:
? der Vorsitzende der baden-württembergischen Jungen Union Steffen Bilger
? die stellvertretende JU-Bundesvorsitzende Nina Benda
? der Vorsitzende des baden-württembergischen RCDS Steffen Kirsch.
Sie alle tragen Verantwortung für die Einladung Günzels und Hohmanns. In der baden-württembergischen CDU haben offensichtlich nicht nur alte, sondern auch junge Führungskräfte verlernt, trennscharf zwischen konservativ, rechtsradikal und rechtsextrem zu unterscheiden. Dass der durch die Trauerrede für Filbinger angeschlagene Ministerpräsident Oettinger damals eine Mitbegründerin der Jugendorganisation Jung-Weikersheim, Dorothea Beetz, zu seiner persönlichen Referentin machen wollte, sei nur am Rande bemerkt. Beetz sagte ihr Engagement auf öffentlichen Druck hin ab und ersparte Oettinger eine weitere Zerreißprobe.
Fazit
Das Studienzentrum Weikersheim hat über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass es zu einer klaren Trennung zwischen rechtskonservativ, rechtsradikal und rechtsextrem ? willentlich oder unwillentlich ? nicht in der Lage ist: Umstrittene Präsidiumsmitglieder, zweifelhafte Referenten und personelle Verstrickungen in die (neu)rechte Szene ? das alles spricht eindeutig gegen die Kaderschmiede aus dem Taubertal. Das SZW ist nicht mehr reformierbar.
Landeseigene Veranstaltungsorte wie etwa die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin sollten deshalb künftig von Vermietungen an das SZW Abstand nehmen. Für die baden-württembergische CDU wäre es höchste Zeit, die Mitgliedschaft in der Partei mit der im SZW für unvereinbar zu erklären. Das wäre eine saubere und klare Lösung. Doch der Union fehlen dazu (bisher noch) der Willen und die Kraft.