Auch nachdem die AfD in alle Parlamente eingezogen ist und bei den Kommunalwahlen und den Europawahlen vor allem in Ostdeutschland große Erfolge erzielen konnte, gibt es immer noch keine Lösung dafür, wie der demokratisch gesinnte Teil von Gesellschaft und Politik effektiv und wirkungsvoll auf den Rechtspopulismus reagieren kann.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, beschreibt gleich zu Anfang der Runde die perfide Taktik von rechtsaußen an einem sehr aktuellen Beispiel: der Forderung nach einem Verbot der islamistischen Terrororganisation Hisbollah in Deutschland durch die AfD. Ein Verbot wäre zwar wünschenswert, in der Realität aber schwer realisierbar. Mit der Verbotsforderung versuche die Partei sich für Teile der Gesellschaft wählbar zu machen und sich vom Verdacht des Antisemitismus reinzuwaschen. Gleichzeitig werden die anderen Parteien bloßgestellt.
Immer wieder ist an diesem Abend von den roten Linien die Rede, die nicht überschritten werden dürften. So äußert sich Martina Münch (SPD), Kulturministerin des Landes Brandenburg recht klar: Nicht alle AfD-Wähler*innen seien rechtsextrem, wenn man aber die Partei wählt, nehme man in Kauf, damit auch Rechtsextreme, Antisemiten und Rassist*innen zu unterstützen: „Wenn man sich mit solchen Leuten abgibt, ist man kein Diskussionspartner“, so die Ministerin.
Überhaupt fällt es offenbar oft schwer, mit den Rechtspopulist*innen ins Gespräch zu kommen, sowohl Münch, als auch Martin Osinski von der Initiative „Neuruppin bleibt bunt“, beschreiben ihre Schwierigkeiten. Diffuse Ängste, die ungeklärt blieben und nebenher ein gefestigtes Weltbild. Rechtspopulistische Wähler*innen sind oft nicht mehr ansprechbar. Dadurch wird allerdings das so oft wiederholte Mantra in Frage gestellt, dass es immens wichtig sei, „mit Rechten zu reden“. „Es macht keinen Sinn, gegen solche Weltbilder anzuargumentieren“, so Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.
Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte München—Berlin bemängelt die nichtvorhandene Strategie der etablierten Parteien gegen die Rechtspopulist*innen. Die Parteien würden zwar einen direkten Umgang mit der AfD meiden, sich aber programmatisch vor ihr hertreiben lassen. Es brauche ein harte Linie, die eine klare Abgrenzung ermöglicht. Die derzeitige Situation erfordere eine Rückbesinnung auf die „wehrhafte Demokratie“. Am Ende – und dabei scheinen sich alle Teilnehmenden einig zu sein – liegt es an Bürgern und Bürgerinnen, dem Rechtspopulismus seine Grenzen aufzuweisen. Münch fasste diese Forderung zusammen: „Entscheidend ist die Zivilgesellschaft“.
Für die Gedenkstätten ist die Situation kompliziert. Sie verstehen sich als „offene Orte der Information und Diskussion“. Allerdings könne man einen „gesellschaftlichen Konsens“ nicht mehr voraussetzen, so Münch. Eine klare Abgrenzung zu revisionistischem Gedankengut ist also nicht in allen Fällen vorhanden.
In Sachen Zukunft der Erinnerungskultur gehen die Ansichten derweil auseinander, vor allem im Hinblick darauf, dass immer mehr Zeitzeugen sterben. Während Wirsching vor einer „ritualisierten Erinnerungskultur“ warnt, die zu einer Normalisierung der NS-Verbrechen führen könne, ist Knobloch zuversichtlich: „Der Stab der Erinnerung wird weitergegeben“. Vor allem junge Menschen hätten großes Interesse an der Geschichte.
Überhaupt legen alle Teilnehmenden große Hoffnungen in jüngere Generationen. An den Wahlergebnissen lasse sich auch ablesen, dass junge Menschen weit weniger oft in die Falle der Rechtspopulist*innen tappen würden.
Foto oben: Flickr / WordRidden / CC BY-NC 2.0