Im Moment hängen bundesweit auf Plakatwänden im öffentlichen Raum die bunten Kampagnenmotive von „Demokratie leben“. Bringt eine solche Plakatierung etwas?
Wenn ein Bundesministerium – denn der Absender ist ja hier das Bundesfamilienministerium – eine Kampagne startet, geht es in der Regel darum, einen politischen Impuls in die Gesellschaft zu geben oder auch eine Gesetzesänderung zu vermitteln. In diesem Fall ist es die Aufforderung im öffentlichen Raum, eine innere Haltung zu entwickeln, das finde ich eine sehr bemerkenswerte Idee. Menschen sehen diese Botschaft in ihrem Alltag und verstehen sie. Natürlich lässt sich nicht vorhersagen, ob es dann auch zu einer Selbstreflektion kommt. Aber die Idee, den öffentlichen Raum zu nutzen, um demokratische Verhaltensweisen anzuregen, finde ich gelungen.
Sie sagen, die Plakate seien verständlich. Im Bundesprogramm „Demokratie leben“ geht es um Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus. Die Kampagne thematisiert den politischen Kontext nicht. Ist das schlau?
Es ist eine häufig angewandte Kommunikationstechnik, auf Inhalte zu verweisen, die nicht ausdrücklich genannt werden. Es stimmt, der Schlüssel zum Verständnis, dass es um Rechtsextremismus geht, ist erst die genannte Website www.demokratie-leben.de. Allerdings, wer nur einen kurzen Moment über die Botschaft nachdenkt, versteht sofort die Anspielung auf den aktuellen politischen Kontext – wie den Anstieg von rechtspopulistischen Einstellungen in ganz Europa. Die Aussage der Kampagne impliziert also recht unmissverständlich: Du hast es selbst in der Hand, Dich für Demokratie zu engagieren.
Auf den Plakaten ist der provozierende Text – „Diese Plakat hängt nur rum“ oder ähnliches – groß zu sehen, die Aufforderung, aktiv zu werden, aber nur sehr klein. Sollte das nicht umgekehrt sein?
Werbung ist eine Kommunikationsform, mit der wir alle seit der Kindheit vertraut sind. Wir haben längst gelernt, solche Botschaften zu verstehen. Wenn das Plakat sagt „Dieses Plakat hängt nur rum – Aber Du kannst mehr“ dann verstehen wir, dass die explizite Botschaft lautet „Häng’ Du nicht rum, sondern engagiere Dich!“. Tatsächlich hat sich die Werbung auch verändert. Wir wissen inzwischen, dass direkte Appelle wie „Kauf mich“ oder „fühle Dich von mir angezogen“ nicht mehr funktionieren. Die Botschaft muss heute etwas subtiler verpackt sein und intelligenter, auch charmanter kommuniziert werden.
Was ist mit der Bildsprache? Hier gibt es keine Bilder.
Die rein typographische Lösung wirkt sehr modern und löst geschickt das Dilemma: Wenn ich Demokratie und Vielfalt meine, wen will ich dann abbilden, und wen nicht?
Sollten auch kleinere, lokale Demokratieprojekte auf Marketing- und Werbemittel wie Plakatkampagnen zurückzugreifen?
Außenwerbung ist kostspielig – auch wenn große Plakatanbieter gelegentlich für soziale Aktionen Werbeflächen umsonst zur Verfügung stellen. Für kleine Projekte und Organisationen ist ein Blog oder Social Media-Arbeit viel sinnvoller. Auch die Verbündeten-Strategie hilft, Öffentlichkeit zu finden – indem sich Organisationen zusammenschließen, die in einem ähnlichen Feld arbeiten, und gemeinsam Themen setzen. Und wenn es um konkrete Arbeit für Demokratie vor Ort geht, haben wir es ja mit Überzeugungsarbeit zu tun. Die braucht natürlich echte, zwischenmenschliche Gespräche, etwa im Rahmen einer Podiumsdiskussion oder im persönlichen Kontakt.