Die Tipps im Artikel „Dein Kollege, ein Rassist?“, der im März von den Personalräten und der Integrationsbeauftragten des SWR im Intranet, also nicht-öffentlich für die Mitarbeitenden, publiziert wurden, sind: Bei rassistischen Sprüchen zunächst „nachfragen und zur Rede stellen“, bei schwereren Fällen „Personalabteilung informieren“, bei Gewaltaufrufen auch die Polizei. Veröffentlicht wurde der interne Text auf diversen Blogs und Websites, die ihre Leserschaft im rechtspopulistischen Umfeld suchen und offenbar auch Kontakte zum SWR haben. Garniert wurde die Berichterstattung mit der entsprechenden Empörung.
Dies führt zu Reaktionen wie „Stasi-Methoden beim SWR“, „Denunziantenpamphlet in bester DDR-Manier“, „Gesinnungsschnüffelei“, die dazu diene, „kritische Kollegen auszuschalten“ – alle von Vizechef der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, Emil Sänze.
Was passiert hier methodisch?
Es geht um einen Aufruf zu eigentlich selbstverständlicher Zivilcourage, nämlich nicht unkommentiert zu lassen, wenn ein Kollege oder eine Kollegin einen abwertenden, rassistischen Spruch macht. Nirgendwo ist davon die Rede, jemand „auszuspionieren“ oder ähnliches. Der nächsten Tipp, sich Hilfe zu suchen, wenn jemand auf ein Gespräch nicht reagieren sollte, ist vernünftig, aber hoffentlich weitestgehend unnötig. Es geht ja um Reaktionen auf Alltagsrassismus.
Auch SWR-intern hat es offenbar einige Debatten um den Text gegeben, wie die Stuttgarter Zeitung mit Bezug auf „interne Kommentarforen“ des SWR berichtet. Auch hier findet sich die oben genannten „klassischen“ rechtspopulistischen „Argumentationen“ (vgl. BTN 1, BTN 2, BTN 3). Damit ist nicht gemeint, dass die, die sich entsprechend in der SWR-Diskussion äußern, Rechtspopulist_innen sind – das wissen wir nicht – , sondern es ist vor allem ein Zeichen dafür, dass rechtspopulistische Polemiken auch bis in gesamtgesellschaftliche Diskussionen wirken.
„Sei es schon fremdenfeindlich, fragte ein Kommentator, wenn ein Journalist nach einem Zusammenhang zwischen Kriminalität und Einwanderung recherchiere?“
Das war hoffentlich selbst kein Journalist, sonst würde er die Antwort ja kennen: Nein, natürlich nicht, solange er, wie es sein Berufsethos sein sollte, die Faktenlage recherchiert und dafür verifizierte, nicht einseitige und am besten mehrere Quellen verwendet.
„Man müsse die Flüchtlingspolitik kritisieren dürfen, sekundierte ein Kollege aus dem Sender, das habe nichts mit Rassismus zu tun.“
Natürlich hat Kritik an der Flüchtlingspolitik nichts mit Rassismus zu tun. Sie hat nur mit Rassismus zu tun, wenn dafür rassistische Quellen oder rassistische Vorurteile verwendet werden, statt recherchierbarer und belegbarer Fakten aus möglichst neutralen, verifizierbaren Quellen.
„Der fragwürdige Aufruf führe letztlich zu einer ,Schweigespirale’, die radikale Kräfte stärke.“
Oder der Aufruf führt zu mehr Sensibilität gegenüber Rassismus, die ein diskriminieriungsfreieres Miteinander ermöglicht. Wie gesagt: Es geht darum, Rassist_innen zu widersprechen, wenn sie Rassistisches sagen. Meinungsfreiheit heißt, dass Menschen auch das Recht haben, Rassistisches zu sagen – aber dann müssen sie auch aushalten, wenn andere Menschen das anders sehen und darüber diskutieren oder ihnen gar widersprechen. Ein Recht auf unwidersprochenen Rassismus gibt es nicht.
Der Sender reagierte übrigens auf diese Vorwürfe, indem er sagte: Der Text sei keine „Anordnung der Geschäftsführung“, sondern ein „Meinungsbeitrag“; es gehe um Hilfestellung für Situationen, in denen „pauschalisierende, diskriminierende und hetzerische Äußerungen“ gemacht würden, die die Menschenwürde verletzten und nicht mehr unter die Meinungsfreiheit fielen.
Das ist natürlich weder solidarisch mit den durch Rechtspopulist_innen angegriffenen Autor_innen noch wirklich richtig (außer, wenn es um Anzeigen bei der Polizei geht): Denn natürlich geht es auch um Aussagen, die die Menschenwürde verletzen und trotzdem unter die Meinungsfreiheit fallen. Nicht alles, was Menschen in Deutschland gesetzlich dürfen, ist auch schlau, vernünftig, empathisch oder verbessert das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Sich im Diskurs damit auseinanderzusetzen, welche Werte und Regeln man wichtig findet – auch im Betrieb – ist gelebte demokratische Kultur. Die Darstellung, dies sei für bestimmte Themen nicht möglich, ist reine rechtspopulistische Propaganda. Schon schnelles Googlen zeigt, dass in den deutschen Medien, auch den öffentlich-rechtlichen, Recherchen zu Zusammenhängen zwischen Kriminalität und Einwanderung oder Kritik an der Flüchtlingspolitik zahlreiche Sendeplätze finden. Allerdings sind die Ergebnisse der Recherchen vielleicht nicht immer so, wie es sich die Verfasser_innen dieser Vorwürfe erhoffen. Doch damit können sie hoffentlich leben – sie sind ja für die Meinungsfreiheit.
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