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Debunking Die „Reconquista“ der „Identitären Bewegung“

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Ein Slogan der rechtsradikalen "Identitären". (Quelle: Screenshot der "IB"-Website)

 

Die IB erklärt auf ihrer Seite das eigene Verständnis von „Reconquista“. Über die Konsequnzen für Juden und Jüdinnen wird hier kein Wort verloren. (Screenshot der Website der „Identitären Bewegung)

Die „Reconquista“ passt perfekt in die Ideologie der IB, die sich, wie in der Neuen Rechten üblich nicht so sehr auf den Nationalsozialismus, sondern auf die „Konservative Revolution“ der Weimarer Republik bezieht. Ihr Wunsch war eine hierarchisch strukturierte, autokratisch regierte Gesellschaft. Die IB und andere neurechte Akteure beziehen sich direkt auf diese „konservativ-revolutionären“ Intellektuellen. Gleichzeitig auf ein (oft falsch verstandenes) Geschichtsbild, dass Deutschland und Europa in eine Art völkische Geschichtsschreibung presst und einen permanenten Krieg des „Volkes“ gegen seine „Unterdrücker“ an die Wand malt.

Mehr zur Ideologie der Neuen Rechten lesen Sie hier.

Die „Reconquista“ der IB erzählt genau diese Geschichte. Die heldenhaften Spanier befreien ihr „Vaterland“ von den muslimischen Horden, die es besetzt halten. Am Ende ist Spanien wieder eine souveräne Nation, die nicht mehr von außen unterdrückt und ausgebeutet wird.

Screenshot eines Aufklebers, der von der „Identitären Bewegung“ verkauft wird. 

 

Mit der „Wiedereroberung“ geht für die IB „Remigration“ einher. Ein Wort das angenehmer klingt als Ausweisung, aber am Ende nichts anderes bedeutet. Die IB vertritt „Ethnopluralismus“, ein Europa (oder eine Welt) der „Vaterländer“, in der alle „Völker“ strikt voneinander getrennt sind und auf ihre innere Homogenität achten. Das bedeutet in der Konsequenz, dass alle Menschen die nicht dem „Volk“ angehören, das Land verlassen müssten.

Mehr zu Ethnopluralismus lesen Sie hier.

Die Realität der Reconquista

Ab 711 hatten Araber weite Teil der iberischen Halbinsel unter ihre Kontrolle gebracht und gründeten Emirate. Zwischen 722 und 1492 versuchten sie spanischen Königreiche im Norden der Halbinsel die Eroberer zurückzudrängen. Die Gründe dafür sind nicht belegt und die Meinungen gehen in der Forschung auseinander. Es könnten religiöse und „nationale“ Aspekte eine Rolle gespielt haben. Oft wird als Motiv der Wunsch nach regionaler Selbstbestimmung genannt, es gibt aber auch die Theorie, dass die Herrscher im Norden vor allem auf Landgewinn aus waren und den Konflikt zwischen Christen und Muslimen als Mittel zum Zweck nutzten. Dafür spricht zum Beispiel, dass Christen und Muslime sich oft verbündeten und gegen einen gemeinsamen Gegner, egal ob auf Seiten der Spanier oder Araber kämpften.

Ab 1265 war die letzte Bastion der Araber nur noch Granada. Am 2. Januar 1492 kapitulierte schließlich auch dieses letzte Emirat.

Repoblacíon

Nach der „Reconquista“ kam die“ Repoblacíon“, die Wiederbesiedlung. Gegenden deren muslimische Bewohner vertrieben oder getötet worden waren, wurden durch Christen besiedelt. Viele Muslime wurden dazu gezwungen zum Christentum zu konvertieren, was ihnen am Ende aber nichts half. 1614 mussten die letzten Mauren das Land verlassen.

Edikt von Alhambra

Sie waren aber nicht die einzigen. Noch im selben Jahr in dem die Reconquista beendet wurde, 1492, wurde das Alhambra-Edikt erlassen und galt für Kastilien und Aragón, die beiden Königreiche, die in etwa das heutige Spanien bilden. Alle Juden und Jüdinnen, die nicht bis zum 31. Juli desselben Jahres zum Christentum konvertiert waren, mussten das Land verlassen. Wieviele Menschen betroffen waren, ist unklar. Die Zahlen variieren zwischen 130.000 und 300.000, bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von etwa 850.000 Menschen. Wieviele Jüdinnen und Juden konvertieren mussten, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Aber auch diejenigen die es taten, waren nicht sicher, sondern wurden oft Opfer der spanischen Inquisition.

Erst 1968 wurde zum ersten Mal wieder eine Synagoge in Madrid eingeweiht und das Edikt für unwirksam erklärt, aber erst am 500. Jahrestag, 1992 außer Kraft gesetzt.

Fakten statt Schlagworte

Die „Reconquista“ wie sie die IB versteht, passt perfekt in ihr rechtsextremes Weltbild. Aber wie so oft, ist die Wahrheit nicht schwarz und weiß. Die „Reconquista“ war kein Aufstand der „Unterdrückten“ gegen „ausländische Unterdrücker“, sondern eine Rückeroberung aus ökonomischen und politischen Gründen, die nicht trennscharf zwischen Muslimen und Christen verlaufen ist. Die Konsequenzen für Muslime, die danach friedlich in Spanien leben wollten, waren katastrophal. Genauso wie für Juden und Jüdinnen, die urplötzlich ihre Heimat verloren und bedroht wurden. Die Strategie der „Identitären“ setzt allerdings nicht auf komplexe Fakten, sondern auf einfache Schlagworte, die die Welt einfacher erscheinen lassen.

 

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