Bei diesem Ansatz schreiben die Mitarbeiter*innen aufklärende Diskussionsbeiträge – beteiligen sich also aktiv in öffentlichen Kommentarspalten –, in denen die Person, deren Beitrag im Zentrum steht, direkt angesprochen und verlinkt wird, um für Mitlesende den Diskussionsverlauf bzw. Argument und Gegenargument gegenüberzustellen und zu verdeutlichen. Wir arbeiten im Sozialraum, in den pädagogisch hineingewirkt wird, es werden demnach alle Menschen mit einbezogen. Dabei geht es darum, sich sprachlich aktiv von einer aus vorwiegend rassistischen und abwertenden Kommentaren bestehenden Diskussion abzuwenden und eine faktenfundierte, sachliche und solidarische Diskussionsform zu etablieren. Eventuell kann daraus auch eine »One-to-One«-Ansprache oder eine Beratung resultieren.
Pädagogischer Ansatz
Ansatz für diese Methode ist die Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit. Sie soll Irritation schaffen sowie alternative Denkansätze anstoßen. Ausdifferenzierte Beiträge sollen aber nicht nur Fakten einbringen und Widerstand sichtbar machen, sondern auch die still mitlesende Mehrheit einbeziehen und dieser gut verständliche Argumente gegen eine rechtsaffine Weltansicht vermitteln. Wichtig ist an dieser Stelle, Hasskommentare nicht einfach stehen zu lassen, sondern mit einer klaren, für alle mitlesenden Personen verständlichen und nachvollziehbaren Argumentation dagegen anzugehen. Die Argumentation durch seriöse Quellen (Links, Zeitungsartikel, Literatur etc.) zu unterlegen, kann hilfreich sein, um der stillen Mitleser*innenschaft Alternativen aufzuzeigen. Diese Übernahme des Diskussionsraums bietet nicht nur die Möglichkeit, die/den Postenden zu irritieren und Denkanstöße zu geben, sondern auch andere zu aktiver Teilnahme zu motivieren und viele unentschlossene, still Mitlesende mit guten Argumenten zu erreichen.
Grundsätzlich ist das Debunking eine einfache Form der aufklärenden Stellungnahme und Irritation, da es ein direktes Feedback aus der Community geben kann – Personen, die die Argumentation aufgreifen und weiterführen oder den aufklärenden Beitrag liken, um auf diesem Wege ihre Zustimmung mitzuteilen.
Ablauf
Das Debunking richtet sich direkt an die Person, die den Kommentar gepostet hat. Allerdings richtet es sich in gleichem Maße an die stille Mitleser*innenschaft, um dieser eine andere Sicht der Dinge darzustellen. Hierfür gilt es, den geschriebenen Post »auseinanderzunehmen«, quasi die einzelnen Subthemen zu filtern und zu besprechen. Betrachten wir den Ablauf eines Debunkings an folgendem Beispiel: Der Kommentar wurde am 4. November 2015 auf der Facebook-Seite der BILD-Zeitung gepostet. Der Artikel, auf den er sich bezieht, handelt von zwei jungen Aktivisten, die sich in Syrien am Widerstand gegen die selbsternannten Gotteskrieger*innen beteiligt hatten und im Kampf starben. Unter dem Artikel entstand eine netztypische Diskussion mit verschiedenen, richtungsweisenden Ansichten in den Kommentaren.
Einige Schreibende äußerten ihre Solidarität mit den mutigen Kämpfer*innen, andere sprachen von der vermeintlichen Gefahr, dass sich einzelne Kämpfer*innen der selbsternannten Gotteskrieger*innen unter einreisenden geflüchteten Personen befindenkönnten. In diesem Beispiel äußert sich eine Person über die Gefahr, dass sich Angehörige der selbsternannten Gotteskrieger*innen (Bezeichnung von Muslim*innen für den sog. »IS«) unter den Personen befinden könnten, die vor eben dieser Gruppierung fliehen.
Die Argumentation der »unkontrollierten« Zuwanderung wird hier verwendet, um eine restriktive Grenzsicherung für europäische Außengrenzen fordern zu können und so die vermeintliche Sicherheit in Deutschland aufrecht zu erhalten. Aber die rassistische Praxis, derer sich die Person bedient, ist hier schwieriger herauszulesen. Die Argumentation basiert auf »Ängsten«, die in einer breiten Öffentlichkeit in Europa und Deutschland Anklang finden und deshalb eine große Wirkungsmacht besitzen. An dieser Stelle die Perspektive umzukehren hin auf die notwendige Unterstützung der Personen auf der Flucht, gestaltet sich schwierig, da auch dieses Thema sehr emotional in der Öffentlichkeit verhandelt wird. Weiterhin knüpfen diese »Ängste« vor allem an visuellen Unterschieden und damit einhergehenden stereotypen Darstellungen und Konstruktionen des »Fremdartigen« dieser Personengruppen an. Hier ist es entscheidend, Emotionalität weitestgehend auszuschließen und sachlich mit der aktuellen Faktenlage zu argumentieren.
Dies gelingt, wenn die einzelnen Funktionen aus den Aussagen herausgefiltert werden, sich klar darauf bezogen wird und diese widerlegt werden können.
Let’s do it together! Wir sind viele
Jugendliche, die sich in Kommentarspalten offen gegen Hetze positionieren, werden von den Mitarbeiter*innen positiv gestärkt und unterstützt. Sie erfahren Zuspruch über PM, ihre Kommentare bekommen Likes, oder sie werden aktiv in der offenen Diskussion unterstützt. Diese Methode ermöglicht es, auch demokratische Wortführer*innen zu stärken und zu ermutigen sowie still Mitlesende zu ermutigen, sich ebenfalls zu engagieren. Zudem ist es möglich, die eigene Community zu aktivieren und zum Liken und Verstärken demokratischer Kommentare zu bewegen, um nicht den evtl. Eindruck stehen zu lassen, die Mehrzahl der Kommentatoren und Mitlesenden sei mit der Hetze einverstanden. Auf diesem Wege wird die primäre Präventionsebene bedient und demokratische Alternativkulturen bestärkt.
Mehr zum Thema Gesprächsstrategien und Ansätze finden Sie in der Broschüre!
DIE BROSCHÜRE
Christina Dinar, Cornelia Heyken:“Digital Streetwork – Pädagogische Interventionen im Web 2.0″
Hrsg.: Amadeu Antonio StiftungBerlin 2018
PDF zum Download:
http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/pressemitteilungen/digital-street-internet.pdf
BEREITS AUF BELLTOWER.NEWS ERSCHIENEN
Neue Broschüre: „Digital Streetwork“ (Einleitung)Digital Streetwork: Jugendliche Selbstverständlichkeiten – Leben im und mit dem Netz Connect with me! Jugend(sozial)arbeit off- und onlineIch erhebe Einspruch! – So arbeitet debate// mit pädagogischer Counter Speech