TikTok, Instagram oder Gaming-Communities – gerade in Online-Räumen für eine größtenteils junge Zielgruppe besteht die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche mit Antisemitismus in Kontakt kommen. „Auf TikTok erlernen die meist sehr jungen Nutzer:innen fast schon spielerisch antisemitische Argumentationen. Diese werden durch popkulturelle Codes, aktuelle Musik und Memes meistens zunächst unbemerkt artikuliert„, so die pädagogische TikTok-Expertin der Amadeu Antonio Stiftung, Theresa Lehmann. Diese Codierung führt zu einer hohen Verbreitung: Ob in Trend-Formaten wie “Berufs-Sketchen” oder durch die Nutzung spezieller Filter. Neben solchen codierten Formen wird Antisemitismus aber auch in Gestalt von antisemitisch genutzten Hashtags millionenfach verbreitet.
Spielerischer Hass erreicht Millionenpublikum
Auch Influencer:innen greifen auf Erzählungen zurück, die israelbezogenen Antisemitismus reproduzieren. Oder sie werden von ihren Follower:innen unter Druck gesetzt, sich zu Themen wie dem Nahost-Konflikt zu positionieren. Ohne näheres Wissen werden Positionen geteilt, die auf verkürzten oder falschen Erzählungen beruhen und so antisemitische Narrative in Umlauf bringen. Zum Beispiel mit gefälschten Landkarten auf Instagram oder Comics, die vorgeben, „eindeutig“ Freund und Feind aufzuzeigen. In Gaming-Communities sammeln Influencer:innen hohe Spendensummen für betroffene Kriegsgebiete – allerdings arbeiten Aufrufe, Live-Streams oder Stellungnahmen häufig mit israelbezogenem Antisemitismus oder lassen diesen zumindest unkommentiert stehen.
Simone Rafael, Leiterin des Digitalteams der Amadeu Antonio Stiftung: „Wir wünschen uns eine sichere digitale Umgebung gerade für Kinder und Jugendliche. Dazu gehört das konsequente Sperren antisemitischer Hashtags durch die Netzwerke ebenso wie Aufklärungsarbeit auf Augenhöhe durch die demokratische Zivilgesellschaft – damit antisemitische Akteur:innen so wenig Chancen wie möglich bekommen, um Jugendliche zu radikalisieren.“
Die digitale Zivilgesellschaft sollte lernen, Antisemitismus in allen Formen zu erkennen und ihm eindeutig zu widersprechen. Jugendliche können bei der politischen Meinungsbildung auf Social Media begleitet werden, wenn ihre Fragen oder Anliegen von Pädagog:innen und Eltern ernst genommen werden. Soziale Netzwerke müssen ihre Meldesysteme und Moderationsteams ausbauen und sollten Forschenden Zugang zu ihren Daten gewähren, damit das Ausmaß von Antisemitismus auf den Plattformen quantitativ verglichen und entsprechende Gegenmaßnahmen ausgebaut werden können.
Der de:hate report #3 – Antisemitismus in der Popkultur: Israelfeindschaft auf Instagram, TikTok und in Gaming-Communitys ist ab sofort als PDF auf der Website der Amadeu Antonio Stiftung abrufbar:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/dehate-report-3/
Die Amadeu Antonio Stiftung setzt sich für eine demokratische Zivilgesellschaft ein – sowohl online als auch offline. So berät sie Akteur*innen der demokratischen Zivilgesellschaft im Umgang mit Hate Speech, Desinformation, Rechtsextremismus und Antisemitismus online.
Aus dem Inhalt:
- tl;dr: Zusammenfassung der Ergebnisse
- Was ist israelbezogener Antisemitismus?
- Gängige Narrative im israelbezogenen Antisemitismus
- Instagram – Die Gefahr unwissender Positionierung
- TikTok – Antisemitismus im neuen Gewand
- Israelbezogener Antisemitismus in Gaming-Communitys
- Handlungsempfehlungen
- Weiterführende Literatur
- Informationen und Anlaufstellen
Teile des de:hate-reports #03 werden auch auf Belltower.News veröffentlicht.
Warum dieser Report?
Antisemitismus tritt in verschiedenen Formen auf, doch gemein ist ihnen allen, dass sie früher oder später Jüdinnen:Juden zum Zielobjekt von Hass und Gewalt machen. Eine Form, die immerzu präsent ist, allerdings oft nicht auf den ersten Blick erkannt wird, ist der israelbezogene Antisemitismus. Der de:hate report #03 zeigt deshalb nicht nur, wie israelbezogener Antisemitismus erkannt werden kann. Vor allem widmet er sich der Frage, wie und warum er sich auf Sozialen Medien wie Instagram und TikTok verbreitet, die an sich für Popkultur und Unterhaltung stehen. Ausgehend von diesem Selbstanspruch verfügen die Plattformen allesamt über Mechanismen, die Hate Speech im Allgemeinen und Antisemitismus im Konkreten verhindern sollen. Und die Nutzer:innen reagieren: So werden entsprechende Äußerungen codiert, um trotzdem eine große Reichweite zu erzielen. Wie sehen diese Codierungen aus? Wie wird der antisemitische Hass geteilt? Was spricht die Nutzer:innen daran an?
Im Mai 2021 diente die erneute Eskalation im Nahost-Konflikt als Anlass, um vermehrt Antisemitismus auf Sozialen Medien zu verbreiten. Influencer:innen und Meinungsführer:innen auf unterschiedlichen Plattformen brachten dabei antisemitische Narrative für ein internationales Publikum in Umlauf. Für viele, vor allem junge Nutzer:innen dürfte dies einer der ersten Kontakte mit israelbezogenem Antisemitismus gewesen sein. Und das auf Plattformen, auf denen die Aufklärung zu diesen Phänomenen oft noch selten zu finden ist.
Die Entwicklung von Gegenstrategien zum Antisemitismus online wollen wir anregen.
Deshalb zeigt dieser Report:
• wie sich israelbezogener Antisemitismus äußert,
• wie er von Influencer:innen verbreitet wird,
• wie er auf den Plattformen Instagram und TikTok
in Erscheinung tritt,
• was wir dagegen tun können.