Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

dehate Report #4 Verschwörungsgläubige – Anfällig für Desinformationen

Von|
(Quelle: AAS)

Im Juli 2022 wurden die Ergebnisseder „Studie zu Corona-Ungeimpften in Rheinland-Pfalz“ im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit veröffentlicht. Die Bilanz: Nur etwa 13 Prozent der Ungeimpften könnte noch von einer Impfung überzeugt werden, die Mehrheit hingegen nicht – darunter überdurchschnittlich oft AfD-Wähler*innen. Das ist konsequent, denn die AfD ist bereits häufig durch die Verbreitung von Falschinformationen zu Impfungen aufgefallen. Was alle Ungeimpften laut der Studie eint, seien „fehlendes Vertrauen in Politik, Medien, Institutionen und Gesellschaft“ sowie der Glaube an „Verschwörungsnarrative“. Der Anteil an Menschen mit starkem Verschwörungsglauben unter den Ungeimpften beträgt über 50 Prozent und betrifft allein in Rheinland-Pfalz zwischen100.000 und 230.000 Menschen.

Die Studie zeigt, wie hartnäckig sich Falschinformationen halten und so die Entscheidungen von Individuen beeinflussen. Eine der populärsten Lügen ist die angebliche Unfruchtbarkeit von Frauen infolge der Impfung. Obwohl dieses Narrativ seit 2021 widerlegt wird, hält es sich nach wie vor. Besonders hoch sind die Zustimmungsraten in Kanälen, die oft Verschwörungsnarrative verbreiten. Dort sind Menschen daran gewöhnt, vermeintliche „Geheiminformationen” zu glauben, die der Rest der Gesellschaft nach wissenschaftlichen Belegen als Lüge ablehnt. Einer dieser Kanäle ist das österreichische Medium „Auf1“von Stefan Magnet, das in der verschwörungsideologischen und extrem rechten Szene äußerst beliebt ist. In einem Telegram-Posting vom 12. Juli 2022, das über 250.000 Aufrufe verzeichnet, werden Impfungen für „Unfruchtbarkeit” und Schwangerschaftskomplikationen verantwortlich gemacht. Der Beitrag will nicht nur Impfskepsis befeuern, sondern spricht explizit verschwörungs-gläubige Szenen an. Die Frage nachdem „Kalkül der Globalisten“ wird in diesen Kreisen als Chiffre verstanden, die den Feind bzw. die angeblichen Verschwörer*innen markiert. „Globalisten“ werden als mächtige Eliteerdacht, die zu ihrem eigenen Wohlhandelt – gegen das Wohl von allen. Oft liegt dem eine antisemitische Weltanschauung zugrunde – dann werden die „Globalisten” mit Jüdinnen*Juden gleichgesetzt, denen seit Jahrhunderten eine „jüdische Weltverschwörung” unterstellt wird. Eine solche Falschinformation hat das Potenzial, Impfskeptiker*innen sowie Verschwörungsideolog*innen gleichermaßen zu erreichen.

Desinformationen für Verschwörungsgläubige

Menschen glauben aus unterschiedlichen Gründen an Verschwörungserzählungen. Diese brechen die Komplexität der Welt auf ein überschaubares Gut und Böse herunter – und versprechen dabei geheimes Wissen, durch das sich der*die Mitwissende weise oder auserwählt fühlen kann. Der vermeintliche Zugang zu Geheiminformationenreduziert Ängste und Unsicherheiten, liefert vermeintlich Schuldige und Sündenböcke und vermitteln so ein Gefühl von Handlungsfähigkeit, das viele mehr schätzen als die Fähigkeit, Unwägbarkeiten auszuhalten. Den Kern eines geschlossenen verschwörungsideologischen Weltbilds bildet der Glaube an eine als mächtig wahrgenommene Gruppe, die im Geheimen die Fäden zieht. Vordiesem Hintergrund werden alle Ereignisse eingeordnet und Zusammenhänge hergestellt, wo eigentlich keine sind –Hauptsache, die verschwörungsideologische Weltsichtlässt sich so bestätigen. Denn: In einer verschwörungs-gläubigen Welt geschieht nichts durch Zufall, alles wird miteinander in Verbindung gesetzt, und hinter allen Dingen lassen sich geheime Verschwörungen vermuten. Das ist der Nährboden, auf dem Desinformationen umso einfacher geglaubt werden, je mehr sie dieses Weltbild legitimieren. Je tiefer Menschen in ihrem Verschwörungsglauben gefestigt sind, desto weniger spielt die Unterscheidung von seriösen und unseriösen Informationsquellen eine Rolle.

Verschwörungsgläubige glauben und verbreiten Desinformationen – allerdings nicht mit schädigender Absicht, sondern weil sie vom Inhalt überzeugt sind. Im Gegensatz zu Produzent*innen von Desinformation sind sie sich desfehlenden Wahrheitsgehalts nicht bewusst. Das macht sie zu einer Zielgruppe von Desinformationen und zugleich zu Multiplikator*innen.

„Querdenken“-Bewegung besonders anfällig

Eine große Anfälligkeit für Verschwörungserzählungen und Desinformationen findet sich in der sogenannten „Quer-denken“-Szene. Diese ist seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland ein Sammelbecken für Verschwörungsgläubige und Menschen, die in solche Szenen hineinradikalisiert werden konnten. Schon in den Anfängen der „Querdenken“-Bewegung wurden kremlnahe Medien zu bedeutenden Bezugspunkten für Informationen rund um die Pandemie – und mit ihr auch für Desinformationen. Denn viele führende Protagonisten der Pandemieleugner*innen glaubten diesen Medien bereits seit den verschwörungsideologischen „Friedensmahnwachen” 2014, und russische Medien verbreiteten bewusst pandemie-leugnende Desinformationen, um die Stabilität der Demokratien in Europa anzugreifen. Diesen Einfluss machte im November 2021 eine Studie des Institute for Strategic Dialogue deutlich. Auf Basis der damals untersuchten Online-Gruppen und Kanäle, die in verschwörungsgläubigen Szenen eine wichtige Rolle spielen, konnte das ISD in einer weiteren Kurzstudie im März 2022 feststellen, dass auch jetzt prorussische Kriegserzählungen und Desinformationen die Szenen beeinflussen und darin Verbreitungfinden.

Verschwörungsglaube als Überbau für austauschbare Narrative

Der Glaube an eine geheime Machtelite, die „den Westen“ regieren würde, ist das zentrale Bindeglied zwischen den austauschbaren Narrativen, die lediglich als Beweis für diese Weltsicht herangezogen werden. Ein Beispiel ist der reichweitenstarke Post eines verschwörungs-ideologischen Kanals, der unter anderem Narrative der QAnon-Bewegung verbreitet; dieser wurde in zahlreichen Kanälen geteilt und erhielt über 260.000 Views. Der Beitrag spricht von einem „vermeintlich orchestrierten Aufwachprogramm“ und dem „Endspiel im rotgrünen Kampfgegen die Realität“ durch „Indoktrination mit Corona, Ukraine, Affenpocken, Klimawandel & Kriegspropaganda“. Dies verdeutlicht den verschwörungsideologischen Überbau: Die Krisen unserer Zeit seien allenfalls Symptom und Herrschaftsinstrumente einer geheimen Verschwörung, vielleicht aber auch nur Inszenierungen, um vom „wahren” Geschehen abzulenken. Zugleich verweisen die eingebauten Verlinkungen oft auf rechtspopulistische Internet-Blogs wie den „Anti-Spiegel“, die prorussische Desinformationen teilen.

Hier zeigt sich: Wer einmal in die Verschwörungswelt eingetaucht ist, ist eher bereit, weitere Narrative in sein Meinungsbild einzubauen, solange das Weltbild bestehen bleibt. Dabei ist der Übergang fließend und die Entwicklung bisweilen rasant von anfänglich nicht politisch motivierten Falschinformationen zur Corona-Pandemie über das gezielte Befeuern antidemokratischer Narrative gegen „die da oben” bis hin zu verschwörungsideologischen Weltbildern, die in ihren Kanälen jetzt prorussische Kriegsnarrative verbreiten, solange es nur gegen Demokratien, Moderne und Diversität geht.

Weiterlesen

dehate-2

Neuer dehate-report #4 Konflikte rund um die Energiekrise

Neuer de:hate-Report zu Desinformationen: Welche demokratiefeindlichen Narrative hat die Energiekrise hervorgebracht? Insbesondere in Krisenzeiten zielen Desinformationen darauf ab, das gesellschaftliche…

Von|
Eine Plattform der