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Demo-Wochenende Querdenker:innen irrten planlos durch Berlin

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Eine Tafel mit der Aufschrift „We Are Revolution“ trägt ein Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Politik. (Quelle: picture alliance/dpa | Christophe Gateau)

Ein Jahr ist es nun her, dass Zehntausende Querdenker:innen aus der ganzen Republik durch Berlin zogen. Der 29. August 2020 gipfelte darin, dass einige von ihnen die Treppen des Reichstags stürmten und dort Reichskriegsflaggen schwenkten. Es war der größte Erfolg der Querdenker-Szene. Der Tag war eine Machtdemonstration. Viele der Verschwörungstheoretiker:innen, glaubten damals, dies sei ein Anfang um den Staat zu überwinden.

An dieses berauschende Ereignis wollte die Szene am vergangenen Wochenende anknüpfen. Es sollte der Versuch werden, den Erfolg der Demonstration vom August 2020 zu wiederholen. Bilder von Reichsflaggen vor dem Reichstagsgebäude blieben uns glücklicherweise erspart. Im Vorfeld hatten Querdenker:innen geplant, in Pressehäuser einzudringen – auch daraus wurde glücklicherweise nichts. Insgesamt ist wohl eine Teilnehmerzahl von 5.000 oder mehr realistisch. 

Die meisten der angemeldeten Demonstrationen wurden bereits im Vorfeld von der Polizei verboten. Und so irrten die Querdenker:innen in Gruppen von wenigen Hundert oder Tausend kreuz und quer durch Berlin. Sie wirkten im Großen und Ganzen konfus und unorganisiert. Und auch an diesem Wochenende fanden sich wieder Verschwörungsgläubige, Rechtsextreme und bekannte Holocaustleugner unter den Demonstrant:innen. So liefen Demonstrationsteilnehmer der Chemnitzer Ortsgruppe der sogenannten „Identitären Bewegung“ mit einem breitem Transparent durch die Stadt, auf dem zu lesen war: „Großer Austausch, Great Reset – Stoppt den Globalistendreck“. Die Verschwörungserzählung vom „Great Reset“ besagt, eine globale Finanzelite plane unter Begründung der Pandemie ein Zurücksetzen der derzeitigen Weltwirtschaftsordnung.

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Der Fokus der Polizei, die insgesamt mit 4.200 Beamt:innen im Einsatz war, lag an diesem Wochenende auf der Festnahme von Rädelsführer:innen – so wurden unter anderem „Captain Future“ (Michael B.) oder der Anwalt Markus Haintz in Gewahrsam genommen. Ihren Anführern beraubt, wirkten die übrigen Protestierenden zunehmend orientierungslos. Alleine am Samstag nahm die Polizei 119 Personen fest und leitete 63 Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie 47 Strafermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, gefährlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs ein. Zehn Einsatzkräfte erlitten Verletzungen, zwei davon ihren Dienst nicht weiter fortsetzen.

Die Demonstrierenden scheiterten bei dem Versuch Polizeiabsperrungen zu überwinden und in das Regierungsviertel einzudringen. Trotz Verbot der eigenen Schwurbler-Kundgebungen fanden sich mehrere Tausend Querdenker:innen zu Ersatzkundgebungen zusammen. So versuchen sie etwa am Samstag die Club-Demonstration „Zug der Liebe“ zu kapern oder am Sonntag eine Demonstration die sich gegen den Leinenzwang für Hunde richtete.

Am Sonntag nahm die Polizei 80 Personen fest, 457 Demonstrant:innen erhielten eine „vorläufige Freiheitsbeschränkung“, wie einen Platzverweise. 434 Ermittlungsverfahren wurden von der Polizei eingeleitet, unter anderem wegen des Verdachts der Teilnahme an einer verbotenen Versammlung, Zuwiderhandlung gegen eine Auflösungsverfügung, Gefangenenbefreiung, Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffes auf sowie Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte ein.

Für die „Querdenken“-Szene trotzdem ein Erfolg

In der „Querdenken“-Szene wird das Demonstrationswochenende trotz allem positiv bewertet. In den einschlägigen Telegram-Gruppen ist die übliche Selbstinszenierung zu lesen: Die Demonstrant:innen seien Rebellen, sie seien Nonkonformisten. Trotz der Tatsache, dass auch an diesem Wochenende wieder zahlreiche Verschwörungsideologen und Rechtsextreme auf dem Protest dabei waren, bezeichnet sich die Szene weiterhin als weder „rechts noch links“. Große Teile ignorieren weiterhin, dass der Querdenken-Protest seit seiner Entstehung mit der extremen Rechten kooperiert.

Fazit

Es fällt auf, dass sich die Querdenker:innen zunehmend radikalisieren. Bei einer Teilnehmer:innen-Zahl von rund 5.000  leitete die Polizei insgesamt 544 Ermittlungsverfahren ein. Das ist eine enorm hohe Zahl. Auch muss man anmerken, dass zunehmend Polizist:innen dem Hass und der Hetze der Querdenker:innen ausgesetzt sind und diese auf den Demonstrationen die Wut und die Aggression zu spüren bekommen. Einige Videostreamer filmen sich selbst, während sie die Polizei anschreien oder interviewen sich gegenseitig. 

Zwar wurden die Demonstrationen im Vorfeld verboten, dennoch zogen tausende durch die Stadt, wodurch die Situation sowohl für die Polizei wie auch für Journalist:innen unübersichtlich wurde. 

Erwähnt werden muss jedoch auch, dass die die unorganisierten Querdenker:innen immer wieder auf Gegenprotest stießen. Zudem bekamen die Demonstranten vielfach Gegenwind von Anwohner:innen und Passant:innen zu spüren.

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