Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Demokratie in Gefahr Handlungsempfehlungen für die Auseinandersetzung in Parlamenten

Von|
Der Abgeordnete Sven Petke (CDU) läuft am 08.06.2016 in einem Fußball-Shirt mit der Aufschrift "Boateng" im Landtag in Potsdam (Brandenburg) auf seinen Platz im Plenum. Rechts sitzt der Vorsitzender der AfD-Fraktion, Alexander Gauland, der zuvor Boateng verbal attackiert hatte. (Quelle: dpa)

 

Eigene Themen setzen

Das wichtigste Mittel gegen die Inszenierungen der AfD in und außerhalb des Parlaments ist es, die eigenen Themen, das eigene Gesellschaftsbild und demokratische, pluralistische Narrative offensiv einzubringen und zu vertreten. Werte wie Demokratie, Meinungsfreiheit, Menschenrechte oder eine solidarische Gesellschaft sollten immer inhaltlich unterfüttert werden – sonst werden die Begriffe gekapert und ins Gegenteil verkehrt. Daher: die Auseinandersetzung mit der AfD nicht auf Entgegnung von Wortbeiträgen und parlamentarische Initiativen beschränken.

Eigene Strategie für den Umgang mit der AfD entwickeln

Durch den Einzug der AfD in die Parlamente sind die Anforderungen an die eigene Arbeit gestiegen. Parteiintern sollte deshalb eine einheitliche Strategie zum Umgang mit Rechtsradikalen in den Parlamenten entwickelt werden, die hilft, auf die Professionalisierung der AfD zu reagieren. Hilfreich sind öffentlich erkennbare Beschlüsse. Hierbei sollte klar sein, dass demokratische Mindeststandards nicht verhandelbar sind: Minderheitenrechte und Menschenrechte schützen! Das bedeutet auch, beim Framing Rechtsradikaler nicht mitzumachen: Wenn es um den Islam geht, muss nicht über Terror gesprochen werden.

Kein Abarbeiten an der AfD

Der AfD sollte keine Bühne geboten werden, auch wenn es ein Ziel ist, sie zu „entlarven“. Es sollte hauptsächlich um Sachthemen gehen, nicht um die AfD. Also: Kontrapunkte setzen, das eigene Gesellschaftsbild und die eigenen Themen selbstbewusst präsentieren.

Oppositionsrechte bewahren

Die AfD versucht, die inhaltliche Arbeit von Verwaltung und Institutionen durch lange Fragenkataloge zu lähmen. Die Antwort darauf darf nicht die Beschneidung von Oppositionsrechten sein. Jedoch sollte die inhaltliche Arbeit nicht eingeschränkt werden. Wenn also z.B. die AfD fordert, wöchentlich aktuelle Zahlen zu geflüchteten Menschen in der Kommune vorzulegen, sollte man sich auf einen leistbaren Turnus, z.B. vierteljährliche Zahlen, einigen.

Nicht mit Stimmen der AfD kalkulieren

Rechtsradikale und rechtspopulistische Parteien stimmen mitunter strategisch für Anträge von demokratischen Parteien, um als Mehrheitsbeschaffer und somit wichtiger Akteur im Parlament zu fungieren. Daher sollte immer im Vorfeld abgeklärt werden, ob der eigene Antrag eine Mehrheit unter den demokratischen Parteien erlangen kann.

Was tun bei AfD-Anträgen?

  • Bei unsinnigen, rassistischen und diskriminierenden Anträgen möglichst nur eine Gegenrede der demokratischen Parteien. Sonst besteht die Gefahr, dass die AfD durch inszenierte Skandale zum Zentrum der Auseinandersetzung wird. Davon profitiert im Regelfall nur sie selbst. Aber: Falsche Tatsachenbehauptungen und diskriminierende Äußerungen dürfen niemals unwidersprochen bleiben.
  • Bei sachbezogenen Anträgen sollten die teils unterschiedlichen Positionen der anderen Fraktionen zur Geltung kommen. Hier ist es oft kontraproduktiv, nur eine Gegenrede zu formulieren, da es innerhalb der demokratischen Fraktionen unterschiedliche Positionierungen gibt, die auch so vertreten werden müssen. Dies dient der Sacharbeit und Multiperspektivität und widerlegt das von der AfD propagierte Bild von der „Einheitsfront des Establishments“.

Normalisierungseffekte vermeiden

Die AfD richtet sich gegen eine offene, solidarische und demokratische Gesellschaft. Eine lokale AfD kann nicht losgelöst von der Bundespartei betrachtet werden. Daher:
•  Keine Bildung einer gemeinsamen Fraktion oder Zählgemeinschaft, keine gemeinsamen Anträge oder Abstimmungen.
•  Kein Auftritt bei Veranstaltungen, wenn diese durch die AfD organisiert wurden.

AfD-Strategien enttarnen und benennen

An Beispielen lassen sich kurz und prägnant Strategien der AfD aufzeigen und dadurch entlarven – etwa unterschiedliches Stimmverhalten in öffentlichen und nicht- öffentlichen Sitzungen, Skandalisierung durch Über- treibung und falsche Tatsachenbehauptung, Themen- hopping oder Opferinszenierung.

Eine weitere beliebte Strategie der AfD ist es, demokratische Parteien als abgehobene Elite darzustellen. Wichtig ist es, dem nicht auf den Leim zu gehen, sondern sachlich und bestimmt zu argumentieren. In Auseinandersetzungen sollte es daher auch nicht bei der Skandalisierung einzelner Äußerungen bleiben, sondern deutlich gemacht werden, dass diese „Ausrutscher“ der Ideologie der Partei und ihrem Parteiprogramm entsprechen.

Differenzierung zwischen der AfD  und ihren Wähler*innen

Keine Anbiederung an AfD-Wähler*innen, aber Unterscheidung zwischen der Partei und ihren Wähler*innen. Die Sorgen ernst nehmen, aber in Widerspruch gehen, wo Sachfragen verlassen werden: Rassismus und Demokratiefeindschaft benennen.

Mit Betroffenen solidarisieren

Die AfD versucht häufig, einzelne Politiker*innen, Akteure der Zivilgesellschaft oder demokratische Institutionen herauszupicken, deren Arbeit zu skandalisieren und diese politisch zu lähmen. Demokratische Fraktionen wie auch einzelne Parlamentarier*innen sollten sich mit demokratischen Akteuren öffentlich solidarisieren, sich nach deren Bedürfnissen zur Umsetzung ihrer Aufgaben erkundigen und ggf. deren Budgets erhöhen, damit sie neben der Beantwortung der parlamentarischen Anfragen weiter und besser in der Lage sind, ihre inhaltliche Arbeit vollumfänglich zu absolvieren.

 

Der Bundesverband Mobile Beratung sowie die Träger der Mobilen Beratung in den einzelnen Bundesländern bieten thematische Workshops, Seminare und Fortbildungen für Parlamentarier*innen im Umgang mit Rechtspopulismus/Rechtsradikalismus an. Zudem begleiten und moderieren die mobilen Beratungsteams gemeinsame Verständigungsprozesse von Parlamentarier*innen in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus.
Telefon 0351. 500 541 6
kontakt@bundesverband-mobile-beratung.de
www.bundesverband-mobile-beratung.de

 

Titelbild der Broschüre „Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“, Berlin 2019

Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung.

Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.):

Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD.

Berlin 2019

Zu beziehen hier: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen

Aus der Broschüre auf www.belltower.news:

Weiterlesen

kita-michael_l._baird_mut

Interview Demokratie ist kein Kindergeburtstag

Eine Broschüre klärt über Rechtsextremismus im Alltag von Erzieher*innen auf und stellt das geschlechterreflektierte Arbeiten in Kitas vor. Anne-Rose Wergin,…

Von|
Eine Plattform der