Die Pandemie-Leugner*innen fordern die sofortige Beendigung des Lockdowns, das Aufheben der Maßnahmen und haben die Initiative „Wir machen auf“ ins Leben gerufen, die Gastronom*innen und Einzelhändler*innen dazu aufruft, ab dem 11. Januar 2021 Geschäfte und Restaurants zu öffnen, auch wenn der Lockdown verlängert werden sollte. In allen Telegram-Kanälen der Szene ist mittlerweile davon zu lesen.
Berlin
Eigentlich wollten die „Querdenker*innen“ am 31. Dezember am Brandenburger Tor in Berlin mit einer Großdemonstration in das neue Jahr starten. Der Berliner Senat hatte allerdings Demonstrationen in der Stadt an Silvester und Neujahr verboten (vgl. ntv). Alternativ meldeten sie eine Veranstaltung für den 30. Dezember an, die aber wegen „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung” ebenfalls verboten wurde. Dafür versammelten sich am 2. Januar mehrere Menschen auf dem Alexanderplatz zu einer Kundgebung von „Querdenken 30“.
Mit Tanzeinlagen, einer Polonaise und Gesängen wie „Ein bisschen SARS muss sein“, angelehnt an Roberto Blancos „Ein bisschen Spaß muss sein“, machten sie sich nicht nur über die Maßnahmen und Politiker*innen lustig, sondern diffamierten all jene, die dem Virus erlegen sind, Hinterbliebene und die Menschen, die täglich in Krankenhäusern, Arztpraxen und Gesundheitsämtern arbeiten, um die Pandemie in den Griff zu bekommen und die Ausbreitung zu stoppen.
Nürnberg
Bayernweit wurde in diversen Telegram-Gruppen von „Querdenken“ mobilisiert, am Sonntag, dem 3. Januar, nach Nürnberg zu kommen und schon mittags eine linke und antifaschistische Kundgebung zu stören. Zunächst unterstützten aber nur wenige Karl Hilz von „Polizisten für Aufklärung“ bei seinem Streifzug durch die Innenstadt. Als die Einsatzkräfte den ehemaligen Polizeioffizier nicht zur U-Bahn-Station durchließen, ließ er sich hinfallen:
Die Gruppe um Hilz hatte die Polizei besser im Griff, als die mehreren hundert Menschen am Abend: Obwohl die eigentlich geplante Großdemonstration, für die bundesweit mobilisiert wurde und für die „Querdenken“-Initiator , Michael Ballweg angekündigt war, verboten wurde, wurde wiederum eine andere Versammlung der gleichen Personengruppe genehmigt.
Ab 16 Uhr versammelten sich auf dem Hauptmarkt in Nürnberg – auf dem sonst der bekannte Christkindlesmarkt stattfindet – mehrere hundert Menschen und füllten den Platz. Das rechtsalternative „Compact“-Magazin spricht von 2000-5000 Menschen, jedoch sollen es in Wirklichkeit rund 600 bis 1000 gewesen sein (vgl. BR). Sieht man Bilder und Videos aus Nürnberg, ist fraglich, wie die Polizei Mittelfranken lediglich 117 Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz feststellen konnte und nur 10 Strafanzeigen gestellt wurden (vgl. Polizei Mittelfranken).
Ungehindert konnten die Menschen hier eng an eng ohne Abstand und ohne Mund-Nasen-Bedeckung mehrere Stunden demonstrieren, die Polizei griff nicht durch. Sogar eine spontan angemeldete Eilversammlung vor dem Polizeipräsidium konnte stattfinden – unter dem Motto „Gegen Willkür von Polizei und Staatsanwaltschaft“. Anwesend waren u.a. Markus Haintz, bekannter Anwalt der Bewegung, Eva Rosen von der „Frauen Bustour“ und Nana Domena. Domena, auch als „LIFESTYLER.TV“ bekannt, ist auf YouTube aktiv und hat dort z.B. ein Interview mit Frank Kraemer von der rechtsextremen Band „Stahlgewitter“ geführt, tritt immer wieder als Gast bei verschwörungsideologischen Veranstaltungen auf und ist beliebter Partner des Schokoladen- und Keksherstellers „Lambertz“. Der BR berichtet zudem von Masken mit der Aufschrift „Impfen macht frei“ (vgl. BR).
Das „Bündnis Nazistopp“ und die Initiative „Schweigen durchbrechen“ kritisieren das Verhalten der Sicherheitskräfte schwer und sprechen zum Teil von einem „Totalversagen“. Das Versagen der Polizei, die statt der Menschen, die gegen die Auflagen verstoßen haben, lieber die Gegendemonstration „Pro Infektionsschutzmaßnahmen“ von rund 130 Personen eingekesselt hat, führte dazu, dass die Versammlung in Nürnberg von den „Querdenker*innen“ bundesweit als großer Erfolg gefeiert wird:
Schon einen Tag vorher, am 02. Januar, fand eine Veranstaltung der Pandemie-Leugner*innen statt, bei der offensichtlich antisemitische Narrative verbreitet wurden:
Wien
Nachdem eine genehmigte Demonstration in Wien aufgelöst wurde, da die Teilnehmenden sich nicht an Abstandsregeln hielten und keine Mund-Nasen-Bedeckung trugen, entwickelten sich daraus zwei Demonstrationszüge durch die Innenstadt, an welchen über 1000 Pandemie-Leugner*innen teilgenommen haben sollen (vgl. kurier). Zu hören waren Parolen wie „Kurz muss weg“ und zu sehen Plakate mit „Heimatschutz statt Mundschutz“. Mit dabei offen Rechtsextreme, die mit antisemitischen Symbolen auffielen:
Sicher ist wohl, dass es auch dieses Jahr erstmal nicht ruhig um Verschwörungserzählungen, „alternative Medien“ und „Querdenker*innen“ wird. Vielmehr gibt es für sie durch die Zulassung von Impfstoffen und die Debatte darüber, ob und wer sich impfen lassen soll ein weiteres großes Thema, das auf ihrer Agenda steht und worüber sich gut Desinformation und emotionalisierte Fake News verbreiten lassen.