Der Passus des Programmentwurfes, der sich zum Islam äußert, nutzt zuerst den häufig herbeizitierten Gegensatz zwischen der „jüdisch-christlichen und humanistischen“ europäischen Kultur und dem Islam. Nach den Vorstellungen der AfD ist für Pluralität und Verschiedenheit in Deutschland kein Platz, stattdessen läuft es nach dem geflügelten Wort des Politologen Samuel Huntington stets auf einen „Kampf der Kulturen“ hinaus: Der Islam wird als eine raumgreifende Religion beschrieben, die die hiesige Rechtsordnung bekämpfen und einen alleinigen Herrschaftsanspruch erheben würde. Alexander Gauland, Parteivorsitzender der AfD-Brandenburg macht das in einem die Veröffentlichung flankierenden Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nochmal deutlich, sagt er dort doch: „Der Islam ist keine Religion wie das katholische oder protestantische Christentum, sondern intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden. Deswegen ist die Islamisierung Deutschlands eine Gefahr“. Den Islam bezeichnet er im gleichen Zuge als einen „Fremdkörper“.
Für führende AfD-Köpfe steht daher fest: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, womit sie Bezug nehmen auf den Ausspruch des Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff, der gegenteiliges Behauptete. Der „Kampf der Kulturen“ ist dabei eine selbsterfüllende Prophezeiung: Die wahren Kulturkämpfer sitzen in der AfD, sie behaupten den Widerspruch einfach so lange, bis er in Form von Wahlergebnissen Realität wird. Denn eine AfD mit bundesweiter Regierungsverantwortung, das beweist sie ja gerade, würde Gesetze erlassen, die sich gegen die freie Religionsausübung von Muslimen wenden und diese damit in die Defensive zwingen.
Großzügig, wie die AfD-Parteivorständler_innen aber sind, möchten sie auch die Anhänger der vermeintlich rückständigen Religion des Islam am Lichte Ihrer Aufklärung teilhaben lassen: „Die AfD unterstützt das Bestreben von Islamkritikern, Reformen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft anzustoßen und den Islam an die Werte und Normen der aufgeklärten Moderne anzupassen.“
Islamkritikern wie Hans-Thomas Tillschneider etwa? Der Islamwissenschaftler ist inzwischen Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Tillschneider ist Mitglied der „Patriotischen Plattform“, in der sich stramm rechte und völkisch gesinnte AfD-Mitglieder sammeln. Er gilt als der islamfeindlichen „PEGIDA“-Bewegung verbunden, seine Kontakte in die neurechte Szene sind vielfältig, unter anderem gehört er neben Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer zu den Initiatoren der Kampagne „einprozent“.
Die „Patriotische Plattform“, zu der auch Björn Höcke gehört, lehnt das Papier übrigens als zu lasch ab. Sie unterstützen stattdessen einen Gegenentwurf aus dem AfD-Bezirksverband Niederbayern, der fordert, den Bau von Moscheen faktisch zu verunmöglichen.
Eingang in den Programmentwurf des Bundesvorstandes haben auch weitere Dauerbrenner des antiislamischen Rechtspopulismus gefunden: Der Bundesvorstand schreibt, die Partei lehnt „das Minarett als Herrschaftssymbol ebenso ab wie den Muezzinruf“. Die Formulierung ist hier überraschend schwammig: Eine schiere „Ablehnung“ von Minaretten hat ja erstmal keine Folgen, anders wäre das bei der Forderung nach einem Verbot, wie es die „Patriotische Plattform“ fordert. Aber die Partei kann sich sicher sein, dass die Botschaft unter ihren Adressaten verstanden wird und ihr weitere Sympathien einbringt. Bereits 2009 konnten sich die Schweizer Rechtspopulisten von der SVP mit ihrer Volksabstimmung zu einem Minarettverbot durchsetzen, die Schweizer Verfassung wurde geändert und zu den bis dato vier bestehenden Minaretten in der Schweiz ist kein fünftes hinzugekommen.
Wenig überraschend hat es auch die Forderung nach einem „Verbot der Vollverschleierung durch Burka und Niqab“ in das Dokument geschafft. Besonders die gegen den „Genderwahn“ engagierte AfD-Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch macht sich dafür stark. Ein ähnliches Gesetz ist in Frankreich seit sechs Jahren in Kraft und wurde noch unter der Regierung Sarkozy verabschiedet. Noch heute melden Beobachter starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes an: Ohnehin seien bloß etwa 2.000 Frauen davon betroffen. Polizisten beklagen, in Problemvierteln hätten sie besseres zu tun, als Knöllchen an verschleierte Frauen zu verteilen. Eines hat das Gesetz bewirkt, und das ist ganz sicher im Sinne seiner Erfinder: Vorurteile und Beschimpfungen gegen diese Frauen und den Islam als Ganzen nehmen in Frankreich zu.
Die Diskussion, die die islamfeindlichen Passagen im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der AfD ausgelöst hat, sind in vielen Hinsichten aufschlussreich: Auf gerade einmal drei von 73 Seiten behandelt das vorgeschlagene Programm den „Islam im Spannungsfeld zu unserer freiheitlich-demokratischen Werteordnung“. Die Medien greifen diesen Punkt berechtigterweise auf, weil hier wieder einmal der rechtspopulistische Charakter der Partei deutlich wird. Der Bundesvorstand wiederum dürfte den Passus und einige seiner drastischen Formulierungen nicht ohne Kalkül aufgenommen haben: Für sie ist es absehbar, dass die Presse darüber berichtet. Und sie wissen: Bei den potentiellen Wählern kommt diese Botschaft an, wird das Signal verstanden. Rassistische Hetze unter dem Deckmantel der vermeintlichen Kritik an der Unvereinbarkeit von Demokratie und Islam gehört zu den typischen Motiven des „Besorgtbürger“-Spektrums. Allerdings gibt es auch noch Klärungsbedarf innerhalb der Reihen der AfD. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, findet etwa der rheinland-pfälzische AfD-Chef Uwe Junge die Vorstellungen Gaulands und von Storchs „zu simpel“ und sagt: „Ich denke nicht, dass sich diese Äußerung jetzt von Frau Storch und von Herrn Gauland in dieser Einfachheit halten lassen wird.“ Die endgültige Haltung der AfD klärt sich auf dem Bundesparteitag in zwei Wochen.