Die Instrumentalisierung von lokal politischen oder gesellschaftlich relevanten Themen, um neue Wähler und Sympathisanten anzusprechen, ist eine feste Taktik unter Rechtsextremen geworden. Hierzu dienen vor allem Themen, die für weite Teile der Bevölkerung relevant sein können. Dazu gehören zum Beispiel Themen aus den Bereichen Umwelt – und Tierschutz . Nach dem Motto ?Umweltschutz ist Heimatschutz? engagieren sich etliche Neonazi-Gruppen für diverse ökologische Themen. So gibt es bei den ?Autonomen Nationalisten? eine ?AG Tierrechte?. Viele Aktivisten beteiligen sich an Castor-Blockaden und selbst ein eigenes Umweltmagazin hat die rechtsextreme Szene: ?Umwelt&Aktiv – Magazin für gesamtheitliches Denken?, herausgegeben von Christoph Hofer (NPD Niederbayern). In den Artikeln geht es allerdings weniger um Tier- und Naturschutz, sondern eher um Volk- und Heimatschutz.
?Umweltschutz ist Heimatschutz?
Ebenso gern genutzt für rechtsextreme Propaganda sind Öko-Initiativen. So ist eines der Gründungsmitglieder der Bürgerinitiative ?Braunkohle – Nein!? Udo Pastörs, Landesvorsitzender der NPD Mecklenburg-Vorpommern.
Ähnlich engagiert in lokal politisch relevanten Themen zeigte sich Pastörs, als es in Berlin Treptow-Köpenick um das Aufstellen einer Fußgängerampel vor einem Seniorenheim ging. Durch diese Strategien entsteht ein direkter Kontakt zu den Bürgern. Neue Sympathisanten können gefunden und Stammwähler gestärkt werden. Gerne gibt sich die NPD als Sprachrohr der Bürger und ihrer Interessen.
Aber auch in anderen Bereichen des zivilgesellschaftlichen Lebens versuchen Rechtsextreme Einfluss zu nehmen. Immer wieder werden weitere Beispiele dieser Strategie bekannt. Besonders in Kleinstädten und im ländlichen Raum greifen Neonazis auf die lokalen Strukturen zurück. Viele Neonazis engagieren sich unter anderem in Sportvereinen, Jugendclubs oder bei der Feuerwehr.
Besonders die Feuerwehr kämpft vielerorts gegen eine rechtsextreme Einflußnahme. An mehreren Orten haben Neonazis sogar Führungsposten übernommen, berichtet die Frankfurter Rundschau mit Beispielen aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Thüringen. In allen drei Beispielen, sind einschlägig bekannte Neonazis entweder Wehrführer, Mitglieder der Vorstände, sowie zum Teil sogar erste Vorsitzende der lokalen Feuerwehr.
Um dem entgegen zu wirken, richtete die hessische Jugendfeuerwehr im Juni 2010 einen sogenannten ?Brandmelder? ein. Über ein Online-Formular können nun rechtsextreme Vorfälle in den freiwilligen Feuerwehren dem Verband gemeldet werden.
Feuerwehr, Sportverein und Jugendfreizeiteinrichtungen ? überall versuchen Neonazis anzuknüpfen
Ein weiterer Teil der Normalisierungsstrategie ist der Einsatz der eigenen Frauen : Angepasst und unauffällig wirkt das äußere Erscheinungsbild heutiger rechtsextremer Frauen. Die Ehefrauen von NPD-Funktionären und Aktivisten der Szene übernehmen Ehrenämter, engagieren sich sozial und können so Einfluss auf Kinder- und Jugendeinrichtungen nehmen. Anders als bei den Männern der rechtsextremen Szene geschieht hier die politische Unterwanderung subtiler und zum Teil sogar unbemerkt. So brachte, laut Störungsmelder, etwa Stella Hähnel ihre Kinder gerne in ein alternatives Kinderzentrum in Brandenburg und half im dortigen Café aus. Ein ebenso bekanntes Beispiel ist Jasmin Apfel aus Sachsen. Sie nutzte regelmäßig offene Angebote für Eltern und Kinder und versuchte durch ihr ehrenamtliches Engagement Einfluss auf die Erzieherinnen auszuüben. Ein weiteres Beispiel ist eine mehrfache Mutter, die sich nicht nur in Elternbeiräten engagierte, sondern auch als Moderation des rechtsextremen Internet-Forums thiazi.net.
Immer wieder lassen sich Frauen aus der rechtsextremen Szene zu Elternsprecherinnen wählen, arbeiten ehrenamtlich in Vereinen oder in pädagogischen Berufen. Ziel dieser Strategie ist es, Vertrauen zu gewinnen und soziale Beziehungen im Ort herzustellen. Als nette Nachbarin, die Fahrdienste organisiert oder den Kindern bei den Hausaufgaben hilft, geschieht die Verbreitung rechtsextremer Meinungen eher unbemerkt. Bis sich irgendwann, die vermeintlich netten Elternvertreterinnen dafür einsetzen, dass beispielsweise der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund an einer Schule verringert werden soll.
Immer auf die Kleinen?
Doch nicht nur in Vereinen oder Jugendeinrichtungen sollen Jugendliche angesprochen werden. Seit mehreren Jahren geht die NPD gezielt an Schulen und versucht dort in Form von modernen Medien ihre Propaganda zu verbreiten. Bestes Beispiel hierfür ist die Schulhof-CDs, die seit mehren Jahren produziert werden. Die Lieder behandeln Themen wie Arbeitslosigkeit, Globalisierung oder Ausländerpolitik mit rechtsextremem Fokus. Die CD wird kostenlos verteilt und kann auch im Internet heruntergeladen werden. Über das Medium Musik sollen den Jugendlichen rechtsextreme Inhalte vermittelt werden.
Blieb die NPD bei der CD-Verteilung allerdings vor den Schultoren, suchte sie sichc Anfang dieses Jahres einen Weg gefunden, auch in die Schulen zu kommen. Mitte Januar 2010 verschickte die NPD Sachsen eine sogenannte Infopost an eine große Anzahl an Schulen. In dem unauffällig gehaltenen Brief ohne Absender waren ein Grußwort von Holger Apfel, sowie eine Ausgabe der NPD-Jugendzeitung ?Durchblick? enthalten. Die Briefe wurden direkt an die einzelnen Schülervertretungen geschickt, berichtete Welt Online. Über 600 sächsische Schulen, darunter vor allem Mittelschulen. Gymnasien und Berufsschulen, wurden angeschrieben. Das sächsische Kulturministerium legte den Schulleitern nahe, die Schüler über den Absender zu informieren. Die meisten Schreiben landeten ohnehin gleich im Papierkorb. Eine weitere perfide NPD-Aktion zur Verbreitung der Parteimeinung war eine Schultüten-Verteil-Aktion an Erstklässler in Sachsen. An einer Grundschule wurden die kleinen Schulanfänger von einem NPD-Funktionär mit Schultüten ?begrüßt?. Ziel war es, die Eltern über die Standpunkte der NPD innerhalb der lokalen Schulpolitik zu informieren.
Ansatz der rechtsextremen ?Normalisierungsstrategie? ist es, auf möglichst viele Bereiche des zivilgesellschaftlichen Lebens Einfluss zu nehmen. Dies umfasst auch die Arbeit mit Kleinkindern. Jüngst wurde ein Beispiel aus Lüneburg bekannt, wo in einer Kita eine Erzieherin arbeitet, die der rechtsextremen Szene angehört. Neben ihrer Mitgliedschaft in der NPD, ist sie auch in der ?Gemeinschaft Deutscher Frauen? tätig. Auf Nachfrage der taz wurde die Erzieherin kurzfristig vom Dienst suspendiert, ist jedoch seit Anfang September wieder in ihrem alten Beruf tätig, da sie schriftlich bestätigte, dass sie kein Mitglied in einer rechtsextremen Vereinigung ist. Erschreckend ist hierbei vor allem die Tatsache, dass die starke Verankerung der Frau in der rechtsextremen Szene scheinbar keinen Einfluss darauf hatte, ob man sie wirklich wieder mit Kindern arbeiten lassen wollte.
Um dem vorzubeugen, hat das Land Mecklenburg-Vorpommern seit Anfang August nun einen sogenannten Kita-Erlass verabschiedet. Künftige Kita-Mitarbeiter und ?Mitarbeiterinnen müssen sich seit dem schriftlich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Durch dieses Verfahren, sollen rechtsextreme Bewerber als Mitarbeiter oder sogar Träger ausgeschlossen werden.
Erst nach und nach kommen die rechtsextremen Einstellungen zu Tage
Gleich ist all diesen Beispielen vor allem eins: Nur nach und nach wird eine rechtsextreme Gesinnung deutlich. So soll eine gewisse Grundakzeptanz gegenüber rechtsextremen Standpunkten entstehen. ?Die NPD wirbt einerseits mit einem bürgerlichen Image, hat aber auf der anderen Seite auch Kontakt zu gewaltbereiten Gruppierungen. Dies erweckt den Anschein, ?die beschützen mich?“, so Danilo Starosta vom Kulturbüro Sachsen. Allerdings hat ist das Engagement der Rechtsextremen vor allem der Versuch, die eigenen und meist fachfremden Interessen durchzusetzen. Um dem entgegenzuwirken, ist vor allem Aufklärungsarbeit enorm wichtig. Bürger und Bürgerinnen müssen informiert werden, darüber wer die nette Erzieherin, der ambitionierte Fußballtrainer oder der engagierte Anti-Gen-Mais-Aktivist wirklich ist. Nur so können rechtsextreme Strategien entlarvt und unterbunden werden.
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| Was tun, wenn rechtsextreme Eltern in Schule, Kita oder Verein agitieren?
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| Der bürgerliche Anstrich