Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Desiderius Erasmus Stiftung Die AfD-Stiftung mit Umsturzfantasien (Teil 1)

Von|
Alexander Gauland,, Erika Steinbach, Leiterin der Desiderius-Erasmus-Stiftung, und Kay Gottschalk (Quelle: picture alliance/Matthias Balk/dpa)

Ziele der DES

Die DES will „Intelligente und gute Leute zusammenbringen, die sich gemeinsam Gedanken darüber machen, wie wir die Partei voranbringen“, so einst der AfD-Mitgründer und Gründungsvorsitzender des DES Konrad Adam.

Laut ihrer Satzung verfolgt die DES „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“. Hauptzwecke sind demnach:

  1. das demokratische Staatswesen fördern und staatsbürgerliche Bildung vermitteln,
  2. Wissenschaft und Forschung fördern, insbesondere durch Vergabe von Forschungsaufträgen, sowie die wissenschaftliche Aus- und Fortbildung begabter junger Menschen fördern,
  3. die internationale Gesinnung, die Völkerverständigung, die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens,
  4. die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere durch Projekte zur wissenschaftlichen und beruflichen Weiterbildung im In- und Ausland fördern,
  5. Kunst und Kultur fördern.

Das klingt wie die Satzung einer ganz normalen politischen Stiftung. Das soll es auch, denn nur so gibt es staatliche Finanzierung. In Aussicht stehen ca. 70 Millionen Euro jährlich, die nach einem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag an die DES fließen könnten. Ein Blick auf die politische Verortung einzelner Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder lässt erahnen, in welche Richtung staatspolitische Bildung, wissenschaftliche Aus- und Fortbildung und die Kunst- und Kulturförderung gehen werden und wem gegenüber Toleranz geübt werden soll und wem gegenüber nicht.

Antisemitismus ist Meinungsfreiheit?

Die bisherigen öffentlichen Veranstaltungen der DES waren eher von biederen Charakter, auch das ist gewollt.]  Höhepunkt war ein Kongress zur Meinungsfreiheit. Welches Verständnis die DES davon hat, offenbart ihre Zeitung FAKTUM mit den Kongressbeiträgen. Dort findet sich ganzseitig die Zeichnung „Der Denunziant“ von A. Paul Weber, datiert auf 1933. Webers ideologische Prägung durch die völkisch-nationalrevolutionäre Bewegung der zwanziger Jahre spiegelte sich auch in seinen teils offen antisemitischen Zeichnungen wider. „Der Denunziant“ wirkt wie für den Stürmer gezeichnet: Ein kleiner, gekrümmter, buckliger Mann ohne Hals, mit extrem langer Nase, spitzen Ohren undlangen, stachligen Fingern lauscht am Schlüsselloch und kritzelt auf seinen Notizblock. Eine klar antisemitische Karikatur ihrer Zeit. Weber wurde in der Nachkriegszeit fälschlicherweise oft als Antifaschist gesehen , weil er sich auch gegen Hitler und die NSDAP positionierte. Dies tat er aber nicht aus antifaschistischen, demokratischen Motiven, sondern weil er im Umfeld des Nationalbolschewismus, der den Strasser-Flügel der NSDAP beeinflusste, seine neue politische Heimat gefunden hatte. Die Zeichnung „Der Denunziant“ ist schon öfters in Milieus genutzt worden, die Antisemitismus als Ausdruck von Meinungsfreiheit sehen. Bislang allerdings eher durch linke, passionierte „Israelkritiker“.

Kubitschek vs. Steinbach

Der Vorstand sowie das Kuratorium der Desiderius Erasmus Stiftung war bis vor Kurzem mehrheitlich von national konservativen Personen dominiert. Das stieß zunehmend auf Widerspruch. Götz Kubitschek, dessen „Institut für Staatspolitik“ (IfS) dem Verfassungsschutz als „Prüffall“ gilt, sagte unlängst der Ausrichtung der DES den Kampf an. Kubitschek, der sich schon vor über zwei Jahren im Gespräch mit dem Publizisten Thomas Wagner rühmte, dass Björn Höcke keine Rede mehr halten dürfe ohne dass das IfS sie vorher abnickt, ist wohl derzeit der einflussreichster Strippenzieher des deutschen, sich intellektuell gebenden, Rechtsextremismus.

Im Juni 2019 veröffentlichte er auf seinem Blog einen verbalen Angriff auf die Führungsfiguren der DES. Kubitschek sah durch die personelle Zusammensetzung der DES negative Auswirkungen auf die AfD, die sich zu einem strukturellen Problem ausweiten würden, wenn die AfD ein zweites Mal in den Bundestag einziehen würde. Damit wäre, nach allgemeiner Rechtsauffassung, die AfD-nahe Stiftung berechtigt, die ersehnte staatliche Förderung zu erhalten.

Kubitscheks Hauptvorwurf lautete, die DES würde, da von ehemaligen oder noch CDU-Leuten wie Erika Steinbach, Vorsitzende der DES, und Max Otte, Vorsitzender des Kuratoriums der DES, geführt, nicht über die „Reformvorstellungen“ der Werte Union hinausgingen. Kubitschek zürnte: „Mit ihrer Doppelzugehörigkeit und mit ihrer Herkunft aus Zusammenhängen, die für den deutschen Sonderweg unserer Tage hauptverantwortlich sind, stärken diese Leute den Mut zum Bruch mit der CDU nicht, sondern verhindern das Ausprobieren und Einüben echt alternativer Verhaltenslehren und die klare Profilierung der AfD.“ Wie einflussreich Kubitschek inzwischen in der AfD ist, zeigte sich auch hier. Kurz nach seinem verbalen Angriff wählte die DES Erik Lehnert, Leiter von Kubitscheks IfS sowie Dr. Jan Moldenhauer, ehemals Führungsfigur der aufgelösten rechtsextremen AfD-Gruppierung ‚Patriotische Plattform‘  und Autor und Referent beim IfS, in ihren Vorstand. Bereits seit März 2018 sitzt mit Karlheinz Weißmann ein Gründungsmitglied des IfS im Kuratorium der DES. Dieser verließ 2014 im Streit um die Ausrichtung das Institut. Das IfS gilt als eine der wichtigsten rechtsextremen Kaderschmieden in Deutschland. Schon zu Zeiten Weißmanns bildete das IfS u.a. rechtsextreme Kader, die in vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen tätig sind oder waren, fort. So z.B. Funktionsträger und Aktivisten der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) sowie der Identitären Bewegung. Ebenfalls im Kuratorium sitzt der Bundestagsabgeordnete Harald Weyel, der das jetzige Deutschland als „Provisorium Bundesrepublik“  betrachtet und meint Deutschland habe sich im 1. Weltkrieg nur eines vorzuwerfen: „den Krieg verloren zu haben“. Weyel, der in die Politik gegangen ist, um „die deutschen Dinge endlich wieder so zu regeln, dass die Normalität, wie sie im Kaiserreich noch geherrscht hat“ wiederherzustellen, tritt, bei seinen Positionen nicht wirklich verwunderlich, beim IfS als Referent auf und hat dessen Leiter, Erik Lehnert, als Mitarbeiter im Bundestag beschäftigt. Über seinen rechtsextremen Mitarbeiter hat er nur Positives zu berichten: „Herr Dr. Lehnerts private und berufliche Vita hat mich überzeugt. Auch sämtliche mir vorliegenden Artikel und Arbeiten, soweit mir bekannt, überzeugten mich davon, dass wir die gleiche Sprache sprechen“. Damit sitzen mindestens vier Personen, die ideologisch der rechtsextremen „neuen“ Rechten zuzuordnen sind und eine große Nähe zum IfS pflegen oder gar das IfS leiten oder geleitet haben, in Führungsposition der DES. Das wirft die Frage auf, wohin steuert die DES in Zukunft?

Verachtung für Demokratie und große Teile der Bevölkerung

Karlheinz Weißmann galt lange Zeit als der Vordenker der deutschen „neuen“ Rechten. Er und Lehnert sind Anhänger der rechtsextremen Ideologen der 1920er Jahre, die später unter dem verharmlosenden Eigenbegriff „Konservativen Revolution“ bekannt wurden. Also Anhänger eben genau jener ideologischen Versatzstücke, die wesentlich dazu beigetragen haben, die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, zu Fall zu bringen. Somit sind ihre Vorstellungen auch in keinster Weise neu, sondern lediglich eine Aktualisierung der bekannten rechtsextremen Ideologeme.

Ein Hauptbetätigungsfeld der extremen Rechten ist die politische Mimikry. Sie nutzt Begriffe der liberalen Demokratie, verändert aber ihren Inhalt – teilweise ins Gegenteil. So auch beim Begriff der Demokratie. Ausgehend von der intellektuellen-rechtsextremen Strömung der Weimarer Republik werden Begriffe getreu dem eigenen Weltbild neu gefasst. Das Diktum von Carl Schmitt, ‚Kronjurist des Dritten Reiches‘, gilt bis heute für die gesamte „neue“ Rechte wie Großteile der AfD: „Jede wirkliche Demokratie beruht darauf, daß nicht nur Gleiches gleich, sondern, mit unvermeidlicher Konsequenz, das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“. Bei Weißmann heißt es dann dementsprechend, dass „im vorpolitischen – ethnischen, religiösen, zivilen – Bereich ein erhebliches Maß an Einheitlichkeit bestehen sollte“, denn „wenn Demokratie […] nicht einfach eine Menge an Verfahren ist, sondern getragen wird von der Überzeugung der Bürger […] [sei] eine entscheidende Voraussetzung dafür […] die Homogenität der Nation“, da „multikulturelle, das heißt multirassische, multireligiöse Gesellschaften nicht funktionieren“.

Dass Weißmann gerne den Begriff der Rasse nutzt, darf nicht verwundern. Für das IfS definierte er 100 Leitbegriffe und brachte sie als Büchlein zusammen mit Erik Lehnert heraus. Zu Rasse heißt es da: Es gäbe hinreichende Gründe für die Annahme „daß die Rassen nicht nur in bezug auf das Äußere von Menschen Bedeutung hat, sondern auch in bezug auf solche Faktoren wie durchschnittliche Intelligenz, Individualismus oder Kollektivismus, körperliche Fähigkeiten“. Von Demokratie scheint sich Weißmann indes bedroht zu fühlen. Willi Brandts Motto ‚mehr Demokratie wagen‘ setzt er mit einem „Übergreifen von Inkompetenz“ gleich.

Sein Verhältnis zur Verfassung umschreibt Weissmann 2009 in einem mit Martin Böcker geführtem Interview wie folgt: „Ich halte das Verfassungssystem an sich für gut und habe überhaupt kein Problem damit. … Schwierigkeiten habe ich aber damit, wenn das Grundgesetz in Wirklichkeit eine mehr oder weniger beliebige Konstruktion ist und nicht die Verfassung des deutschen Volkes. Also ein rein technisches Verfahren, um ein multikulturelles Irgendwas zusammenzuhalten. Dann bin ich der Meinung, dass ich die Verfassung verteidige und die Anderen diejenigen sind, die als Verfassungsfeinde zu betrachten sind. Und ich bin der Meinung, dass die Verfassung sich faktisch in der Gefangenschaft der Linken und der Liberalen befindet. … “

Einher geht dies bei Weißmann mit seiner tiefen Verachtung für große Bevölkerungsteile. Sowohl Ober- als auch Unterschicht bezeichnet er als „asozial“. Sein besonderer Hass gilt „jenen Asozialen unten, die eine immer weiterwachsende parasitäre Klientel bilden, weil sie weder leistungsfähig noch leistungswillig sind“.

Erik Lehnert stößt ins gleiche Horn und redet gerne davon, dass es darum gehe, einen „homogenen Volkskörper“ zu bewahren, denn nur Homogenität garantiere bei Wahlen, dass „alle an einem Strang ziehen“. Bei seinem Vortrag „Revolutionäre Realpolitik von rechts“ vor Mitgliedern der Burschenschaft Markomannia Aachen Greifswald, die wegen des Verdachts rechtsextremer Machenschaften ins Visier des Verfassungsschutzes geraten ist, beschwerte Lehnert sich „dass die Demokratie eine heilige Kuh geworden ist“ und wenn man kein Demokrat sei, gelte man als jemand aus dem Reich des Bösen. Demokratien betrachtet Lehnert als eine Episodenerscheinung, weshalb man „über diesen zeitlichen Rahmen hinaus- und weiterdenken“ müsse. Den Parteienstaat bezeichnet er als Grundübel von Allem und philosophiert gerne darüber, ob das gleiche Wahlrecht wirklich gelten solle oder ob nicht Menschen „die mehr Wissen“ oder mehr Vermögen haben auch ein größeres Stimmrecht bekommen sollten. Dies ungleiche Wahlrecht ist für Gegner*innen eines Egalitarismus, wie für Lehnert und Weißmann, nur konsequent. Ihrem Weltbild nach wäre es töricht, wenn die kleine elitäre Gruppe derjenigen „die mehr wissen“ und „mehr leisten“ prozentual viel weniger Einfluss bei Wahlen hätte als der ‚leistungsschwächere, dümmere Teil‘ des Volkes. Letzteres wird in der AfD seit Gründung breit diskutiert in der Form, ob Menschen, die staatliche Transferleistungen bekommen (ALG I II, Wohngeld etc.) das Wahlrecht entzogen werden soll. Lehnert ist der Meinung, dass die Abschaffung der Demokratie mitunter notwendig sein könnte, um den Erhalt des Gemeinwesens sicher zu stellen. Er bedauert, dass dies bereits als verfassungsfeindliche Bestrebung gelte.

Den zweiten Teil dieses Artikels lesen Sie hier.

Update, 27.05.2020: Erika Steinbach, Vorsitzende der DES bestätigte der taz, dass Erik Lehnert aus dem Vorstand der Stiftung abberufen wurde. Lehnerts Vorstandsposten vertrage sich „aufgrund der Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das IfS wegen extremistischer Tendenzen als Verdachtsfall einzustufen und damit permanent zu beobachten, nicht mit der Satzung der DES und damit seiner Mitgliedschaft im Vorstand“, so Steinbach.

Weiterlesen

Eine Plattform der