Am vergangenen Freitag beschloss der AfD-Bundesvorstand den Ausschluss des Brandenburger AfD-Fraktionschefs Andreas Kalbitz aus der Partei. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen nannte als Grund eine verschwiegene Mitgliedschaft in der verbotenen Neonazi-Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) und der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“. Bei Eintritt in die Partei müssen vorherige Partei- und Organisationszugehörigkeiten angegeben werden. Kalbitz hat dies bei seinem Eintritt in die Partei 2013 nach Meuthens Angaben verschwiegen.
Eine feste Größe im organisierten Rechtsextremismus
Informationen, die Kalbitz Neonazi-Vergangenheit beleuchten, sind schon lange bekannt. Eine Mitgliederliste der HDJ, die dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorlag, führt unter Nummer 01330 auch „Familie Andreas Kalbitz“. Bilder zeigen dessen Anwesenheit bei einer HDJ-Veranstaltung im Jahr 2007. Insgesamt soll er einen mindestens 14 Jahre währenden Kontakt mit der Organisation, die der Hitler-Jugend (HJ) nachempfunden ist, unterhalten haben. Seine rechtsextreme Vergangenheit ist äußerst umfangreich. Gestört hat das bislang niemanden in der Partei – im Gegenteil. (Andreas Kalbitz bestreitet Mitglied in der Heimattreuen Deutschen
Jugend gewesen zu sein. Er soll diesbezüglich in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin eine entsprechende eidesstattliche Versicherung vorgelegt haben. Derzeit klagt Herr Kalbitz vor dem Verwaltungsgericht Köln auf Auskunftserteilung über die vom Verfassungsschutz genannte „Mitgliederliste der HDJ“ nebst Eintrag zur „Mitgliedsnummer 01330“.)
Kalbitz als wichtiger Netzwerker und Strippenzieher im „Flügel“
Kalbitz gilt als Netzwerker und neben Björn Höcke als Führungsfigur des vom Verfassungsschutz beobachteten und im März 2020 nominell aufgelösten rechtsextremen „Flügels“ der AfD. In dieser Rolle gilt Kalbitz als wichtiges Glied der Parteikette. Bis zu seinem jetzigen Ausschluss war er Mitglied im Bundesvorstand. Sein Einfluss gilt als groß – für einige in der Partei scheinbar zu groß. Seine extrem rechte Vergangenheit war für viele in der AfD offenkundig nicht wirklich ein Problem – doch nun fürchten sich Teile der Partei wohl vor den sich daraus ergebenden Konsequenzen. So sieht der Verfassungsschutz den AfD-Landeschef als tief verwurzelt im organisierten Rechtsextremismus. Aus diesen Gründen wird er seit Anfang des Jahres neben den AfD-Politikern Björn Höcke und Hans-Thomas Tillschneider vom Verfassungsschutz überwacht. Das wirkte sich auch auf die Partei aus, die ebenfalls in den Fokus gerät – insbesondere der brandenburgische Landesverband. Doch der hielt sich bei den Anschuldigungen äußerst bedeckt und steht selbst nach dem Parteiausschluss hinter ihrem Landeschef. Die Treue zu ihrem Vorsitzenden ist sogar so groß, dass der Landesverband sogar eigens die Geschäftsordnung geändert hat, damit Kalbitz trotz entzogener Mitgliedschaft weiterhin seinen Posten behalten kann.
Die Normalisierung des extrem rechten „Posterboys“
Die Causa Kalbitz zeigt zwei Merkmale: Zum einen gibt es unlängst einen Personenkult um Kalbitz. So soll er seinen Landesverband äußerst zentralistisch organisiert haben. Wie Höcke in Thüringen ist auch Kalbitz in Brandenburg fest mit der Partei verbunden und zu ihrem Gesicht geworden. Ein Ausschluss Kalbitz’ würde ein großes Machtvakuum hinterlassen. Zum anderen steht die Partei nicht ohne Grund hinter Kalbitz. Er bereut keine seiner Verstrickungen in rechtsextreme Organisationen, gibt sie lediglich ungern zu. Dadurch trägt er maßgeblich zu einer Normalisierung extrem rechter Betätigungen und zugehörigen Gedankengutes bei. Gerade wegen dieser Normalisierung und seiner an den Grenzen des Sagbaren aufgestellten Reden zeigt er solche Beliebtheitswerte. 2019 erreichte die Partei bei den Landtagswahlen 25,5%.
Die Causa Kalbitz als Spaltung der AfD?
Die Causa Kalbitz scheint sich nun zu einem Machtkampf innerhalb der Partei zu entwickeln. Auf der Gegenseite steht Jörg Meuthen. Er hat die Beschlussabstimmung in den Parteivorstand eingebracht und muss sich jetzt erheblicher Kritik aus den eigenen Reihen stellen. Höcke bezichtigte ihn des „Verrats“ und der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland sowie Fraktionsvorsitzende Alice Weidel wollen den Ausschluss ebenfalls nicht akzeptieren. Er sei sowohl juristisch als auch politisch äußerst fragwürdig und nicht eindeutig. Gauland beruft sich auf das Verschwinden der Belege für Kalbitz’ nicht angegebenes rechtsextremes Engagement, das kurz nach dessen Ausschluss bekannt wurde. Kalbitz kündigte an, rechtliche Schritte gegen die Entscheidung einleiten zu wollen.
Sonderparteitag soll Richtungsentscheidung der AfD klären
Meuthen sprach sich jüngst für einen Sonderparteitag in der Causa Kalbitz aus. Er wisse die Mehrheit der Partei hinter sich, so seine Einschätzung. Doch auch wenn die Partei nach Außen keine Spaltung zu erkennen gibt, brodelt es innerlich. Beobachter*innen ziehen bereits Parallelen zum innerparteilichen Konflikt um AfD-Begründer Bernd Lucke, der bereits den Machtkampf mit national-völkischen AfD-Kräften 2015 verlor und aus der Partei austrat.
Zu welchen Gunsten das Kräftemessen diesmal ausgehen wird, ist fraglich. Es wird sich zeigen, ob die AfD sich stillschweigend zu einer „Flügelpartei“ entwickelt hat oder ob der rechtspopulistische Anteil der AfD die Oberhand behält. Fest steht jedoch: Der Ausschluss Kalbitz ist ein Machtkampf, der aktuell rein formell geführt wird. Die rechtsextreme Vergangenheit wird weder thematisiert, noch ist sie Grund der Streitigkeiten. Zumindest diese Richtung ist klar erkennbar – an beiden Fronten gleichermaßen.