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Die langsam mahlenden Mühlen der Erfurter Justiz

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Der Hüne hatte am 25. Januar 2003 in Erfurt nach Konflikten mit Punks dem stark alkoholisierten, 48-jährigen Arbeitslosen Hartmut Balzke einen derart wuchtigen Faustschlag versetzt, dass Balzke mit dem Kopf auf dem Gehweg aufschlug. Zwei Tage später war das Opfer tot. Dirk Q. hatte am Tatabend auch einen Punk zu Boden geschlagen und getreten. An diesem Angriff waren möglicherweise Kumpane von Q. beteiligt. Der Punk wurde so schwer am Kopf verletzt, dass ihm Titanplatten eingesetzt werden mussten, um das Gesicht zu stabilisieren.

Lange Dauer des Verfahrens „rechtsstaatwidrig“

Die 2. große Strafkammer kritisierte die enorme Dauer des Verfahrens. Es habe „rechtsstaatswidrig? „viel zu lange gedauert?, sagte der Vorsitzende Richter Roland Zoller. Das Gericht hielt dem Angeklagten zugute, dass die Verfahrensdauer ihn belastet habe. Außerdem sei er in den fünfeinhalb Jahren seit der Tat nicht mehr straffällig geworden, sagte Zoller. Der Angeklagte selbst wirkte ungerührt. Den Fall Balzke hatten Tagesspiegel und „Frankfurter Rundschau? im Jahr 2003 in ihrer Auflistung von Todesopfern rechter Gewalt erwähnt.

Mit dem Urteil endete nun zumindest vorläufig ein Verfahren, das skandalträchtig erscheint. So wurde der kurz nach dem Gewaltexzess als Tatverdächtiger ermittelte Q. nicht festgenommen, geschweige denn einem Haftrichter vorgeführt, obwohl er zur Tatzeit gleich zweifach unter Bewährung stand. Das Amtsgericht Erfurt hatte ihn im Januar 2000 wegen mehrerer Delikte zu zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt, im November 2002 kam ein Jahr Jugendstrafe hinzu. Es ging um Körperverletzung, Verwendung von Nazi-Kennzeichen und Beleidigung. Die Strafen hatte das Amtsgericht zur Bewährung ausgesetzt; die Fristen waren beim Angriff auf Balzke und den Punk noch nicht abgelaufen.

Täter profitiert von der Verfahrensdauer

Außerdem ließ sich die 1. große Strafkammer des Landgerichts Erfurt mit dem Fall viel Zeit. Erst im Dezember 2006 entschied die Kammer über die Zulassung der drei Jahre zuvor erhobenen Anklage. Die Richter meinten, dem Angeklagten sei nur eine Schlägerei vorzuwerfen, durch die der Tod eines Menschen verursacht wurde.

Die Staatsanwaltschaft beschwerte sich beim Oberlandesgericht (OLG), das im März 2007 die Anklage komplett zuließ. Das Landgericht habe „wesentliche Beweismittel außer Betracht gelassen?, hieß es im Beschluss. Außerdem sei die Tat Q. „nicht wesensfremd?.

Dirk Q. hat von der enormen Zeitspanne zwischen Tat und Prozess profitiert. Nach und nach wurden die Einträge im Bundeszentralregister gelöscht. Bei Jugendstrafen gilt meist eine Tilgungsfrist von fünf Jahren. So war Q. vor dem neuen Urteil nicht mehr vorbestraft.

Das Justizministerium wird nun Fragen beantworten müssen. Die Linksfraktion im Landtag will noch diese Woche beantragen, dass sich der Justizausschuss mit dem Fall befasst.

Der Artikel erschien erstmals auf Tagesspiegel-Online am 19. Juni 2008 und wurde uns freundlicherweise von Autor und Herausgebern zur Verfügung gestellt.

Weblinks:

| Urteil ist Ausdruck von Missachtung sozial Randständiger

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