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Sachsen 2012 Die NPD schafft sich selber ab

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Polizist filmt Anti-Nazi-Demonstration in Dresden (Quelle: Wikimedia/Creative Commons Lizenz /Libertinus)

Volkmar Wölk (u.a. „Der Rechte Rand“) im Gespräch mit Hinzufügungen von André Löscher (Opferberatung des RAA Sachsen)

Im Zuge der Übernahme des Bundesvorsitz durch Holger Apfel und der Besetzung zentraler Positionen mit seinen Vertrauten sieht sich die NPD vor allem in Sachsen mit massiven Mitgliederaustritten konfrontiert. Im Moment zerbröckelt die Personenstärke der NPD, da der gemachte Schulterschluss mit den Kameradschaften von deren Seite aufgekündigt wird. Das Tischtuch zwischen beiden scheint zerschnitten. Folge dessen: Austritte von Kameradschaftsanhängern und „Freien Kräften“.

Dabei kämpft die NPD nicht nur mit sinkenden Mitgliederzahlen, sondern auch mit Personalproblemen auf der Funktionärsebene. So war der Kreisverband Landkreis Leipzig lange nicht handlungsfähig und erholt sich gerade erst notdürftig.

Nichtsdestotrotz fungiert die NPD-Fraktion in Sachsen weiterhin als Melkkuh für die Gesamtpartei. Diese erhält, exklusive der Gehälter für Abgeordnete und Mitarbeiter, 1,5 Millionen Euro an Zuwendungen, was u.a. die Fördermittel des Programms „Weltoffenes Sachsen“ übersteigen dürfte.

Über wissenschaftliche und technische Mitarbeiterstellen werden zudem rechtsextreme Kader in Lohn und Brot gebracht. So sind vier Mitglieder des Bundesvorstands der Jungen Nationalen (Jugendorganisation der NPD) unmittelbar auch Teil der sächsischen Landtagsfraktion. Besonders prekär dabei ist, dass eine Person dieses Kreises auch auf der Ku-Klux-Klan-Liste in Baden-Württemberg zu finden ist.

Islam und Salafismus ziehen nicht

Die NPD-Tour zur selbst ausgerufenen „Aktionswoche gegen Asylmissbrauch und Islamisierung“ erregte über die Grenzen Sachsens hinaus eine große mediale Öffentlichkeit. Sie kann allerdings auch ausschließlich in Bezug darauf als Erfolg verbucht werden. An den Kundgebungen nahmen im Schnitt nur 15-35 Personen teil. Zudem waren die Demonstrationen gerade in kleineren Städten und vor allem Leipzig von großem gesellschaftlichem Widerstand begleitet worden, wobei es mitunter zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten kam.

Die niedrigen Teilnehmerzahlen weisen ganz klar darauf hin, dass die Themen Islam und Salafismus in den Augen der sächsischen NPD-Anhänger wenig relevant und eben nicht zugkräftig sind. Somit ist eine zwiespältige Bilanz aus der Aktionswoche zu ziehen. Bezüglich der dringend notwendigen Aufmerksamkeit für eigene Aktionen kann die NPD einen Erfolg verbuchen. Inhaltlich und unter Beachtung der internen Bindung zu den eigenen Anhängern muss man ganz klar von einem „Schlag ins Wasser“ sprechen.

Geringere Teilnehmerzahlen in Dresden und Bautzen

Dieser Zwiespalt kann in Bezug auf den Gedenkaufmarsch am 13. Februar in Dresden nicht herrschen. Aus zivilgesellschaftlicher Sicht ist dieser Tag als großer Erfolg und erneutes Verhindern rechtsextrem motivierten Geschichtsrevisionismus zu feiern. Noch nie gab es auf Seiten der Nazis so wenige Teilnehmer. Deren Veranstaltungsstrecke konnte unter Zuhilfenahme von Blockaden dabei stark verkürzt werden. Resultat dessen waren Auseinandersetzungen innerhalb des rechtsextremen Aufzugs, wie damit umzugehen wäre. Hier zeigte sich erneut der Bruch zwischen NPD und „Freien Kräften“.

Ebenso ein Misserfolg und Beleg der Spaltung in der Szene war die 1. Mai-Demo in Bautzen. Mit höchstens 500 Anhängern waren auch hier deutlich weniger Rechtsextreme anwesend als in den letzten Jahren. Darunter waren kaum „Freie Kräfte“ zu finden. Zudem reisten ganze Kreisverbände der NPD, welche auch im „Freien Netz“ eingebunden sind, zu einer Veranstaltung ins bayrische Hof und glänzten mit Abwesenheit. Ein Grund dessen: Es wurde unter den Farben Schwarz-Rot-Gold demonstriert. Die Freien Kräften werteten dies als Affront, da sie die Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot präferieren.

Polizei kämpft mit Personalmangel

Bezüglich der Gewalttätigkeit des rechtsextrem auffälligen Milieus ist zu resümieren, dass dieses stark abhängig von lokalen Führungsfiguren ist. Sobald diese durch Haftstrafen oder Wegzug ausfallen, kommt es zu schnellen Verschiebungen von Problempunkten. Ein wenig anders verhält es sich in Limbach-Oberfrohna, wo sich aufgrund von verstärkter Polizeipräsenz die Lage ein wenig beruhigt hat. Nichtsdestotrotz ist diese immer noch nicht entspannt.

Gegenteiliges ist mit Blick auf die Ausstattung der Polizei in Hoyerswerda zu berichten. Aufgrund geringer Personalzahlen sind die dort beschäftigten Polizistinnen und Polizisten schon jetzt strukturell überfordert. Verschärft wird diese Situation noch durch die anstehende Polizeistrukturreform Sachsens. Im Zuge dessen sollen weitere 720 Stellen abgebaut werden. Besonders augenfällig wie problematisch wurde die Unterbesetzung der Hoyerswerdaer Polizei, als eine größere Gruppe von Nazis ein junges Paar in deren Wohnung bedrohte und beschimpfte. Die hinzugerufenen Polizisten griffen aufgrund geringer Zahl lange nicht ein. Bezeichnend ist auch, dass der Sprecher der zuständigen Polizeidirektion die Flucht der beiden Opfer aus der Stadt für die sinnvollste Lösung hält und somit die Kapitulation gegenüber dem rechtsextremen Mob akzeptiert. Er äußerte, dass es einfacher sei, zwei Personen wegzubringen, als 30 Aggressoren unter Kontrolle zu halten.

Dealende Nazis

Eine weitere Entwicklung diesen Jahres ist das zunehmende Engagement von Neonazis im Bereich der Drogenszene. So wurde ein NPD-Stadtratskandidat in Delitzsch mit drei weiteren Freunden festgenommen, als er mit Crystal Meth dealte. Offiziell wettert die NPD aufgrund des hohen Suchtpotenzials und der illegalen Herstellung vor allem in osteuropäischen Ländern gegen die Droge. Zudem scheint der Handel mit Crystal auch im Bereich der „Freien Kräfte“ verbreitet zu sein: Der Sänger einer Hoyerswerdaer Nazi-Band wurde beim Dealen gestellt.

Rechtsextreme scheinen neben Vertriebsakteuren auch Abnehmer der Droge zu sein. So soll die Droge, welche aufputschend wirkt, eine Rolle im Angriff auf das Büro der Bundestagsabgeordneten Caren Ley (Die Linke) gespielt haben.

Im Allgemeinen ist ein verstärktes Engagement von Nazis im Bereich kommerzieller krimineller Handlungen zu beobachten. Die sich daraus ergebenden Geldeinnahmen erhöhen die Gefahr, dass sich aufgrund von zunehmender finanzieller Unabhängigkeit immer mehr Rechtsextreme in eine Parallelwelt zurückziehen können.

Ausblick auf 2013

Die NPD wird versuchen, die spürbar gewordene Kluft zu den „Freien Kräften“ zu schließen. Auf einem um ein Jahr nach vorn gezogenen Landesparteitag im Januar 2013 wird dafür ein neuer Landesvorstand gewählt. Es ist davon auszugehen, dass die derzeitige NPD-Führung über die Vergabe von Positionen den Schulterschluss mit der Kameradschaftsszene neu forcieren wird. Ob dies gelingt, erscheint fraglich. Mindestens genauso realistisch ist das genaue Gegenteil: Die weitere Entfernung voneinander.

Folge dessen könnte eine Verlagerung des jährlich stattfindenden Gedenkmarschs von Dresden nach Magdeburg sein, nachdem der Aufzug nun schon zum dritten Mal in Folge erfolgreich eingeschränkt und in entsprechenden Kontext gesetzt werden konnte. In diesem Jahr kam es zudem zu internen Auseinandersetzungen in der rechtsextremen Szene, wie mit diesem Misserfolg umzugehen sei. Eine komplette Neuorganisation des Aufzugs unter neuer Anmeldung kann vermutet werden.

Im Mai des kommenden Jahres jährt sich der Mord an Andre K.. Der wohnungslose Mann wurde 2011 in Oschatz zusammengetreten und starb an den erlittenen Verletzungen. Die juristische Aufarbeitung dazu läuft immer noch, wobei die Thematisierung einer rassistischen Motivation der Täter nur unzureichend erfolgt.

Nicht nur hier zeigt sich: Die Versäumnisse in der NSU-Affäre sind nicht nur Bild vergangener sondern auch derzeitiger Herausforderungen staatlicher Stellen.

Mehr im Internet:

der rechte rand

RAA Sachsen

redaktionelle Betreuung: Roger Grahl

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