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„Die Rechte“ Haftstrafe für Dortmunder Neonazi-Funktionär

Der Dortmunder Neonazi Sascha Krolzig saß mit weißem Hemd auf der Anklagebank und gab sich reumütig: Er habe vor zweieinhalb Jahren einen alkoholbedingten Blackout gehabt. Er vermöge sich nicht mehr an die Auseinandersetzungen, an seinen versuchten Wurf eines Bierkruges gegen einen „migrantischen“ Besucher der Dortmunder Gaststätte zu erinnern. In Zukunft werde er nicht mehr in der Öffentlichkeit unkontrolliert Bier trinken. Er glaube den Schilderungen der Opfer und Zeugen. Aber dies alles sei seinem Wesen absolut fremd, sein Verhalten sei ihm heute absolut peinlich. Ihm sei bewusst, dass er nicht ohne Strafe aus der Sache herauskomme. „Ich bin froh, dass niemand zu Schaden kam“, fügte er abschließend gegenüber der Richterin hinzu. Die Gesamtstrafe für ihn betrug 14 Monate.

 
Neonazi Krolzig bei einer Kundgebung am 20. Mai in Brühl (Quelle: JM)

Sascha Krolzig, Bundesvorsitzender der neonazistischen Partei „Die Rechte“, weist mit seinen 32 Jahren eine steile Neonazi-Karriere auf. Im Alter von 17 Jahren, im März 2005, hatte Krolzig als Protagonist der – 2012 verbotenen – „Kameradschaft Hamm“ bei einer Rede in Dortmund die SA-Losung „Alles für Deutschland“ verwendet, was ihm eine sechsmonatige Jugendstrafe ohne Bewährung eingetragen hatte. Im Februar 2018 war der selbsternannte Trauerredner wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer sechsmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Die Revision soll nach mehrfacher Verlegung am 10. Oktober 2019 vor dem Landgericht Bielefeld stattfinden.

Gaststättenbesucher rassistisch und antisemitisch beleidigt

Ende Juni wurde vor dem Amtsgericht Dortmund erneut gegen Krolzig verhandelt. Er war zusammen mit dem Dortmunder Neonazi Matthias D. (27) und Jan-Peter Z. aus dem Umfeld von „Die Rechte“ Bielefeld angeklagt. Krolzig wurde wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Kennzeichen und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, der Bielefelder Neonazi Z. zu 100 Tagessätzen á 30 Euro. Z. tritt nach Auskunft der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Arnsberg zumindest seit 2013 gelegentlich auf Neonazi-Demonstrationen auf. Krolzig hatte während seines Studiums in Bielefeld – also ab 2010 – den Bielefelder Kreisverband von „Die Rechte“ aufgebaut, woher offenkundig die Bekanntschaft zwischen ihnen rührt.

Anlass für den Gerichtsprozess war ein Vorfall im Dezember 2016 in einer Dortmunder Kneipe. Dort hatten Krolzig und die beiden Mitangeklagten gegenüber einem Gast mit migrantischen Wurzeln mit ihrer nationalsozialistischen Gesinnung geprahlt und den Mann rassistisch und antisemitisch beleidigt. „Scheiß Ausländer“, „Scheiß N****“, „Juden*******“ und „Du Halbjude, ich mach dich fertig“, sollen die Angeklagten gesagt haben, berichteten die Dortmunder „Nordstadtblogger“. Auch Zeugen bestätigten die verbalen Beleidigungen in verschiedenen Variationen vor Gericht.

Als der Beleidigte gehen wollte, versuchte Krolzig, ihm einen Bierkrug ins Gesicht zu schleudern. Dies misslang nur, weil ein Freund des Attackierten Krolzig im letzten Moment zur Seite stieß. So traf der Bierkrug nur die Kappe des Mannes. Weitere Gaststättenbesucher eilten dem Bedrohten zu Hilfe. Als die Polizei erschien, leisteten Krolzig, Matthias D. und Jan-Peter Z. Widerstand, wie eine Hammer Lokalzeitung im Dezember 2016 berichtete.

Den von der Polizei angeordneten Platzverweis ignorierten die Neonazis, gegen Krolzigs anschließende Festnahme wehrten sie sich. Daher lautete der Tatvorwurf auch auf versuchte Gefangenenbefreiung.

Richterin sieht keine Chance auf Bewährungsstrafe

Die juristische Aufarbeitung des Vorfalls dauerte längere Zeit. Krolzig hat Jura studiert und das erste Staatsexamen abgelegt, wurde aber zum zweiten Staatsexamen in letzter Instanz nicht zugelassen, da er „unwürdig und charakterlich nicht geeignet“ sei, wie es Anfang 2016 in der Begründung hieß. Ungeachtet dessen nutzt Krolzig sein Wissen in juristischen Auseinandersetzungen. Vor Gericht berief er sich auf seinen massiven Alkoholgenuss und meinte, dass er sich für die Tat heute sehr schäme.

Die Richterin verwies hingegen auf Krolzigs 15 Jahre lange rechtsextreme Betätigung und auf sein Strafregister. Eine Veränderung in seinem Verhalten sei nicht erkennbar, daher sehe sie keine Chance auf eine Bewährungsstrafe. Sie nehme ihm seinen Einstellungswandel auch nicht ab. Den hohen Alkoholgenuss benannte sie als strafmindernd.

Hetzrede im Februar in Budapest

Auch der Mitangeklagte Matthias D. blickt auf eine längere rechtsextreme Karriere zurück. Beim Verbot der „Kameradschaft Hamm“ und des „Nationalen Widerstands Dortmund“ im August 2012 galt er als einer der führenden Köpfe. Im Mai 2015 war D. am Überfall auf die Wahlparty im Dortmunder Rathaus beteiligt.

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Heute ist Matthias D. für die – durchaus beachtliche – internationale Vernetzung der Dortmunder zuständig: Größere Gruppen von Neonazis unter anderem aus Ungarn, Bulgarien, Frankreich und Griechenland sind regelmäßig bei Dortmunder Neonazi -Kundgebungen dabei. Im Mai 2017 marschierte D. in Paris mit rund 1000 Neonazis aus offen gewalttätigen Gruppierungen mit. Am Tag zuvor hatte er in Paris als Vertreter der „Rechten“ gesprochen. Und im Februar 2019 trat D. auf dem berüchtigten „Tag der Ehre“ in Budapest im Beisein von mehreren Tausend Neonazis als Redner auf. D. pries darin Hitler als „den bekanntesten und größten Staatsmann der Geschichte, dessen Namen man auch noch in hundert Jahren kennen“ werde. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeinen“ rief D. in seiner Rede indirekt zur Gewalt gegen Juden auf, indem er eine Passage Adolf Hitlers zitierte: „Wenn unser alter Feind und Widersacher noch einmal versuchen sollte, uns anzugreifen, dann werden die Sturmfahnen hochfliegen, und sie werden uns kennenlernen.“

Dieser Artikel ist zuerst bei Blick nach Rechts erschienen.

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