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Die Strategie der NPD Neonazis setzen auf Tarnlisten bei den Kommunalwahlen

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Auch am rechten Rand bereitet man sich auf die Kommunalwahlen vor. In einigen Fällen tarnen Neonazis ihre Kandidatur durch Tarnlisten.

Die AfD hat gezeigt, dass Rechtsaußen kein Tabu mehr ist. Das hat auch Auswirkungen auf die NPD, die Verluste einfährt. In letzter Zeit gelang es der rechtsextremen Partei nur an wenigen Orten Einfluss zu gewinnen. Der Versuch der NPD “gemäßigt” zu wirken,  wurde durch die populistische Variante einer Rechtsaußen-Partei, der AfD, obsolet. In Scharen liefen die Wähler*innen der NPD zur AfD über. Unbelastet von einer Alt-Nazi-Vergangenheit ist die AfD für weite Teile der Gesellschaft wählbarer und kann so rassistische Vorurteile erfolgreich aufgreifen, verbreiten und mittlerweile sogar in den Bundestag tragen. Die AfD hat erreicht, was die NPD jahrzehntelang vergeblich versucht hatte: Die Enttabuisierung von Rechtsaußen-Positionen. Und die NPD reagiert.

Mittlerweile gehört es zur Strategie deutscher Neonazis, sich bei der Kandidatur für öffentliche Ämter augenscheinlich seriös zu geben. Statt für die NPD um Mandate werben, gründen Neonazis Wählerinitiativen mit unverfänglichen Namen wie „Wählergemeinschaft Heimat“ oder „Bündnis Zukunft Hildburghausen“. Die Inhalte sind jedoch beinahe dieselben, wie die der NPD.

Das gefährliche dabei ist, dass viele Bürger*innen solche Wölfe im Schafspelz nicht sofort als rechtsextrem erkennen. Denn neben Hetze gegen Geflüchtete, Migrant*innen, den Islam und politische Gegner*innen, treten sie vordergründig für bürgernahe und unverfängliche Themen ein. So wollen sie beispielsweise verbesserte Ausstattungen der freiwilligen Feuerwehren in den Regionen oder nachhaltigere Kinder- und Jugendförderung. Unterstützt werden sollen hier jedoch ausschließlich weiße und deutsche junge Menschen.

Die NPD konzentriert sich auf den Ausbau auf kommunaler Ebene

Wenn sich Neonazis in Regionen beispielsweise für bessere Radwege stark machen, ist das nie unpolitisch. Scheinbar seriös auftretende Neonazis und Rassist*innen versuchen durch das Setzen scheinbar unpolitischer Themen als wählbar zu gelten. Schon seit langem konzentriert sich die NPD auf den Ausbau auf kommunaler Ebene. Bereits nach den Kommunalwahlen 2014 erkannte der NPD-Vorstand, die kommunale Basis sei „der wirkliche Gradmesser für die Verwurzelung und die Akzeptanz einer politischen Bewegung“. Durch extrem rechte Tarnlisten und durch Bezug auf regionale Themen können solche rechtsextremen und rassistischen Initiativen den öffentlichen Raum besetzen.  

Auch bei den Kommunalwahlen am 26.Mai 2019 in Brandenburg, Bremen, Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen treten mancherorts Neonazis unter Tarnlisten an. Im Folgenden drei Beispiele:

Mecklenburg-Vorpommern: „Wählergemeinschaft Heimat“ im „Neonazi-Dorf“ Jamel

In der Gemeinde Gägelow in Mecklenburg-Vorpommern finden Wähler*innen etwa die „Wählergemeinschaft Heimat“ auf dem Stimmzettel. Die „Wählergemeinschaft“ tritt laut Eigenaussagen an, um „das Leben in unserer Heimat zu beschützen“. Dahinter verbergen sich drei Neonazis aus dem medial als „Neonazi-Dorf“ bekanntgewordenen Jamel: Sven Krüger, Tino Streif und Steffen Meinecke. Alle drei kandidierten in der Vergangenheit bereits für die NPD und saßen teilweise im Kreistag, wie Endstation Rechts. berichtet.

Der bekannteste von ihnen dürfte wohl Sven Krüger sein. Bereits Anfang der 1990er Jahre scharrte er in Jamel „Kameraden“ um sich und ging gegen all jene vor, die seiner Vorstellung einer „national befreiten Zone“ im Wege waren. Dorfbewohner*innen wurden systematisch eingeschüchtert und Zugezogenen mehrfach die Wohnhäuser angezündet, bis sie das Dorf wieder verließen. Jahrelang lebten die Nazis um Krüger in Jamel in einem nahezu rechtsfreien Raum, den sie zu nutzen wussten: Schon 1992 feierten mehr als 100 von ihnen im Dorf den Geburtstag von Adolf Hitler. Im nahe gelegenen Wald fanden regelmäßig sogenannte „Wehrsportübungen“ statt, bei denen mit scharfen Waffen geschossen wurde. Später wurde Krüger Landesvorstandsmitglied der NPD, musste 2011 allerdings wegen Hehlerei und illegalem Waffenbesitz eine mehrjährige Haftstrafe antreten.

Bereits bei der letzten Kommunalwahl testete die NPD die Strategie der Tarnliste in Mecklenburg-Vorpommern aus. 2014 wurde das unverfänglich klingende Wählerbündnis „Wir von hier“ in der Region Ueckermünde erprobt – offenbar erfolgreich: damals erhielt das extrem rechte Bündnis 14,1 Prozent der Stimmen und damit zwei Prozentpunkte mehr als die NPD bei der Kommunalwahl 2009 eingefahren hatte. 2014 war die NPD in der Region erst gar nicht angetreten, sie hatte ja ihre Tarnliste. So wurde „Wir von hier“ 2014 drittstärkste Kraft in der knapp 9.000 Einwohner starken Stadt Ueckermünde.

Thüringen: „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ und die One-Man-Show Tommy Frenck

Auch der geschäftstüchtige Neonazi Tommy Frenck war ehemals Politiker der NPD und pflegt weiterhin gute Kontakte zu seinen Parteikameraden. Mittlerweile tritt er jedoch nur noch für das „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ (BZH) an, so auch bei der diesjährigen Kommunalwahl in Thüringen. Frenck nimmt seit Juni 2009 für das BZH das Mandat des Bündnisses im Kreistag des Landkreises Hildburghausen wahr.

Neben politischem wird bei BZH auch für Rechtsrock-Konzerte geworben

Um möglichst unverfänglich zu wirken, setzen die Neonazis hier auf Themen wie Unterstützung und Schutz von Vereinen und Feuerwehren oder die Verhinderung von Windrädern in der Region. Ab und an wird jedoch offiziell für Rechtsrock-Konzerte geworben. Richtig gut getarnt ist diese personalisierte Wählergemeinschaft um Frenck nicht. Im ersten Satz der Selbstbezeichnung heißt es bereits, etablierte Parteien hätten „versagt und mehrfach Entscheidungen gegen die mehrheitliche Meinung des Deutschen Volkes getroffen.“ Was diese Fehlentscheidungen sind, erfahren Leser*innen sogleich im zweiten Satz, nämlich die „unkontrollierte Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen“.

Die NPD und deren Tarnliste BZH konnte die Zahl ihrer kommunalen Mandatsträger in Thüringen in der vergangenen Wahl 2014 verdoppeln, auf 58 Mandate (2009: 23). Bisher sitzen NPD-Funktionäre in 13 von 17 Kreistagen, in den Räten von vier kreisfreien Städten, in 19 Stadt- und Gemeinderäten sowie in Ortsräten. Die höchsten Wahlerfolge konnte die NPD 2014 in Thüringen laut Der rechte Rand in den Wohnorten von Szenegrößen einholen.

Sachsen: „Neues Forum Wurzen“ mit dem gewaltbereiten Neonazi Benjamin Brinsa

2018 gründete sich die Bürgerinitiative „Neues Forum Wurzen“. Namentlich angelehnt ist sie dabei an das historische „Neue Forum“, das zum Ende der DDR entstand und die Wende wesentlich mitprägte. Als politischen Gegner macht die Initiative das in Wurzen ansässige zivilgesellschaftliche „Netzwerk für Demokratische Kultur“ (NDK) aus, welches unter anderem Geflüchtete unterstützt und in der Vergangenheit mehrfach auch auf neonazistische Strukturen vor Ort aufmerksam machte, so Exakt vom MDR.

In dem rassistischen Facebook-Beitrag, „Gedanken angesichts junger Afrikaner und Araber in Wurzen“, vom April heißt es beim „Neuen Forum Wurzen“:

„Wir bleiben hier, das hieß, mit uns werdet ihr nicht mehr fertig, wir trauen uns sogar zu, mit euch fertig zu werden…….wir räumen nicht das Feld für Euch……Wir geben unser Heimatland nicht verloren. […] Die jungen Herren, die aus Afrika und dem Orient zu uns kommen, sind wohlgeformt und stark. Sie entstammen keineswegs den ärmsten Familien. Afrika wäre noch zu retten, wenn sie den Mut aufbrächten WIR BLEIBEN HIER zur Losung zu machen. Helfen wir ihnen dazu.“

Und im ersten ihrer 28 kommunalpolitischen Programmpunkte zur Stadtratswahl in Wurzen ist die Rede vom „wohlwollend geduldete Terror der Antifa“ und der „lautstarken Hetze aus dem Netzwerk für ‘demokratische‘ Kultur“, die „eine echte Bedrohung“ seien. Das „Neue Forum Wurzen“ hat allerdings keinen offen Kontakt zur NPD. Sie kooperieren lieber mit der AfD.

Listenplatz eins belegt der „eigentümlich frei“- Autor und Redner auf der extrem rechten Cottbusser Demo-Reihe „Zukunft Heimat“, Christoph Mike Dietel. Auf Listenplatz fünf findet sich Benjamin Brinsa. Brinsa gilt als zentrale Person der Neonaziszene zwischen Wurzen und Leipzig. Der bekennende Hooligan vom 1. FC Lokomotive Leipzig ist als MMA-Kampfsportler aktiv. Er war Mitglied der rechten Ultragruppe „Scenario Lok“, von denen einige Mitglieder am Überfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz 2016 beteiligt gewesen sein sollen.

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