Am 22. März stellte die AfD im Bundestag eine kleine Anfrage, die in aller Deutlichkeit zeigt, welch Geistes Kind die AfD ist: Die Abgeordneten Nicole Höchst, Franziska Gminder, Jürgen Pohl, Verena Hartmann sowie die gesamte AfD-Bundestagsfraktion unter Leitung Alice Weidels und Alexander Gaulands möchten von der Bundesregierung wissen, wie viele Menschen in Deutschland als schwerbehindert gelten, um dann Mutmaßungen über die Auswirkungen „inzestuöser Verhältnisse“ innerhalb Migranten-Familien anzustellen.
Die Anfrage bezieht sich auf eine Zunahme von Menschen mit Schwerbehindertenausweis in der Bundesrepublik um 0,9 Prozent von 2012 bis zum Jahr 2015. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt. Die Fragen der AfD suggerieren dabei, dass die Zunahme an Menschen mit Behinderung an den Geflüchteten liege, die angeblich Ehen innerhalb der Familien eingingen, was wiederum zu „Inzest“ und Behinderungen führe.
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Nun möchte die AfD von der Bundesregierung wissen, wie sich die Anzahl schwerbehinderter Menschen in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt hat, aufgeschlüsselt nach Jahren und Altersgruppen und will in Erfahrung bringen, welche Hauptursachen ausgemacht werden können. Dann möchte die AfD noch wissen, wie viele Behinderte, durch Heirat innerhalb der Familie, einen Migrationshintergrund haben und wie viele Schwerbehinderte verzeichnet sind, die keinen deutschen Pass besitzen. Die nur minimal verschleierte AfD-Message: Weil es so viel „Inzucht“ unter Migrant_innen gebe, gibt es so viele Schwerbehinderte in Deutschland, für die der Staat aufkommen muss.
Corinna Rüffer nennt AfD-Vorstoß „einfach nur schäbig“
Als „einfach nur schäbig“ bezeichnet Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Grünen im Bundestag, dass nun auch „Menschen mit Behinderungen für die rassistischen und menschenfeindlichen Ansichten der AfD herhalten müssen.“ Wie bei beinahe allen Vorstößen der AfD, sei auch hier die Botschaft klar, so Rüffer gegenüber Belltower.News: „Wir hassen Migrantinnen und Migranten und wollen diese Gesellschaft spalten.“
Allzu überraschend kommt dieser Vorstoß allerdings nicht: Um Muslime, Migrant_innen und Geflüchtete abzuwerten, verbreiten Rechtsextreme und Rechtspopulist_innen gerne die rassistische und gefährliche Erzählung des „unzivilisierten und dummen Fremden“, um so die Überlegenheit des eigenen „Volks“ (nach ihrer Definition) herauszustellen. Diese Erzählung ähnelt stark der NS-Ideologie.
In ihrem Hunger nach Aufmerksamkeit trampelt die AfD auf der Würde der Menschen herum
In einer weiteren Anfrage der AfD vom gleichen Tag zum Thema „Entwicklung mehrerer Krankheiten in Deutschland“, fragen Abgeordneten, welche Kosten die Krankenkassen durch eingeführte Krankheiten von Geflüchteten haben. Auch bei diesem Vorstoß geht es der AfD nicht wirklich um die finanzielle Aufstellung der Krankenkassen, sondern vielmehr darum, ihr Framing zu untermauern, laut dem Geflüchtete vorgeblich Krankheiten nach Deutschland bringen und eine Gefahr für den „gesunden Volkskörper“ darstellen.
Auch in den AfD-Anfragen (alle vom 22. März) „Schwarzarbeit in Asylheimen von Asylsuchenden“, „Umstände der Abweisung von Frauen an Frauenhäusern“, „Beschneidungen von Frauen in Deutschland“, geht es nicht etwa um die tatsächlich relevanten Themen, Schwarzarbeit und Schutz von Frauen, sondern lediglich darum, Geflüchtete zu diskreditieren. „In ihrem Hunger nach Aufmerksamkeit trampelt die AfD auf der Würde von Menschen herum. Das ist unerträglich“, so Rüffer.
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Inhalt der kleinen Anfragen der AfD: Geflüchtete, Innen- und Sicherheitspolitik
Schaut man sich die Anfragen der AfD an, fällt auf, dass diese in den meisten Fällen immer erstaunlich kurz sind und offenbar nur mit Minimalaufwand erstellt wurden. Inhaltlich konzentrieren sich die Rechtspopulist_innen dabei vor allem auf ihre üblichen Themen: Geflüchtete, Innen- und Sicherheitspolitik. Die AfD-Abgeordneten versuchten sich selbst als „Anwälte der Bürger_innen“ darzustellen, beispielsweise in dem sie aufzuzeigen versuchen, an welchen Punkten der Staat vermeintlich Steuergelder an Geflüchtete verschwendet. Dabei schrecken sie auch nicht vor überzogener Symbolik zurück.
Es gehört zum Konzept der Partei stetig neue und weitere rote Linien zu überschreiten und die Grenzen des Sagbaren immer stärker auszudehnen. So kommt auch die aktuelle Anfrage zu Schwerbehinderten, trotz ihrer Widerwärtigkeit, nicht überraschend. Sie führt allerdings noch einmal mehr als deutlich vor Augen, wes Geistes Kind die AfD-Abgeordneten sind. Und so meint auch Corinna Rüffer: „ ‘Erbkranken Nachwuchs’ verhindern, das wollte die NSDAP. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung auf die bereits bekannten Studien verweist und die Antwort knapp ausfällt.“
Ergänzung 20.04.2018
Im Landtag des Saarlandes stellt die AfD einen Antrag auf mehr Förderschulen für das Saarland. In der Debatte argumentiert AfD-Fraktionschef Josef Dörr offen behindertenfeindlich: Er sprach nicht nur von „normalen“ und „kranken“ Kindern, sondern führte aus: „Was unter keinen Umständen geht, ist, dass in dem gleichen Krankenhaus Menschen mit übertragbaren Krankheiten sind, die dann die anderen Kranken anstecken“, sagte Dörr. Dieses Bild treffe auf auch auf die Situation an den Schulen zu.
Die anderen Parteien antworteten prompt und präzise.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jürgen Renner sagte, Schülerinnen und Schüler mit ansteckenden Krankheiten zu vergleichen und darüber zu urteilen, was normal ist und was nicht, sei gefährlich. „Es kennzeichnet aber ihre Gedankenwelt. Insofern muss man Ihnen ja schon fast dankbar sein, dass Sie es hier gesagt haben, wie Sie ticken im Kopf und auf welche Vorläufer Sie sich berufen. Denn da war das Denken keinen Deut anders. Und ich finde, dass Sie heute in dieser Beziehung mal so richtig die Hosen runtergelassen haben“, sagte Renner. Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) fügte mit Blick auf Dörrs Äußerungen hinzu: „Das einzige, was krank ist, ist das Menschenbild, das dahintersteckt.“
Sehr deutlich wurde auch der CDU-Abgeordnete Hermann Scharf: „Bei Behinderungen von Kranken zu sprechen, das ist einfach unwürdig.“ Die Eltern behinderter Kinder hätten es nicht verdient, dass in der Sprache gesprochen werde. „Diese Kinder sind uns genauso viel wert, wie die nicht behinderten Kinder und deswegen sage ich Ihnen ganz deutlich: Wir werden immer wieder intervenieren, wenn Sie diese Dinge in einer solchen Sprache vortragen“, erklärte Scharf.