Auf www.diskutiermitmir.de kann jeder mit Andersdenkenden ins Gespräch kommen. Wer wie anders denkt, bestimmt die User durch Angabe einer Parteipräferenz. Das System hinter der Dialogplattform bringt zwei politisch verschieden Eingestellte in einem privaten Chat-Raum zum Austausch zusammen. Wer nutzt das und und was bringt so ein Gespräch? Simone Rafael hat Plattform-Gründer Niklas Rakowski und Community-Betreuerin Fouzia Ashraf befragt.
Wie kam es zu der Idee, noch einen Ort im Internet zu schaffen, an dem man mit Andersdenkenden reden kann?
Niklas: Wir haben „Diskutier mit mir“ letztes Jahr gegründet vor der Bundestagswahl mit dem Grundgefühl: Wir sind politisch interessierte „Digital Natives“ – aber wir haben trotzdem selten gute Diskussionen online erlebt. Also Diskussionen, bei denen Menschen sich nicht nur angiften, sondern bei denen etwas herumkommt. Auch war es selten möglich, Diskussionen zu führen, in denen wir einmal unsere eigene „Filterbubble“ verlassen können. Ich hatte den Eindruck, ich verstehe gar nicht mehr, warum Menschen das denken, was sie vertreten. Da wollten wir ansetzen. Wir wollten möglich machen, andere Meinungen zu entdecken.
Ist es leichter, anonym im Internet zu diskutieren, als mit politisch gegensätzlich denkenden Kolleg*innen oder Familienmitgliedern?
Fouzia: Die Zahlen aus 2017 sprechen deutlich dafür, dass das Angebot zumindest auf großes Interesse stößt. Vor der Bundestagswahl wurden 20.000 Gespräche vermittelt. Jetzt haben wir vor sechs Tagen eine „Diskutier mit mir“-Version für die Bayernwahl gestartet, die Hessenwahl wird folgen.
Niklas: Wir sehen ein großes Interesse gerade bei Menschen, die eher homogene Umfelder und Freundeskreise haben, im direkten Gespräch die Bedürfnisse und Argumente der anderen Seite kennen zu lernen. Und natürlich wollen sie auch ihre eigenen Argumente in der Praxis ausprobieren. Wenn man nicht weiß, wer sein Gegenüber ist, fallen auch Vorurteile weg, die ich vielleicht hätte, wenn ich meinen Gesprächspartner sehen würde. Übrigens, was die Anonymität angeht: Da hatten wir am Anfang auch Befürchtungen, aber unsere Erfahrung zeigt: ein anonymes Gespräch ohne Öffentlichkeit funktioniert gut. Das interessiert Trolle nämlich nicht, die suchen Anonymität plus Öffentlichkeit. Bei den 20.000 Gesprächen mussten wir nur 3 User bannen, weil sie sich daneben benommen hatten.
Was ist Eure Erfahrung – wie laufen Konversationen auf Eurer Plattform?
Niklas: Die Gespräche sind für uns Black Boxes, also die verlaufen wirklich nur zwischen den zwei Gesprächspartnern und wir sehen nichts davon. Aber die Teilnehmenden bekommen am Ende ein Feedback-Formular: Wie fandst Du die Diskussion? Hat sie Deine Meinung geändert? Hast Du Vorschläge für weitere Themen?
Fouzia: Ich habe die Plattform natürlich auch selbst getestet, Gespräche geführt. Ich war verblüfft darüber, wie sachlich die Gespräche sind. Es gibt keine persönlichen Angriffe, wie ich sie von Facebook oder Twitter kannte, sondern einen freundlichen und aufmerksamen Austausch. Ich hatte genug Möglichkeit, die Sicht des Gesprächspartners zu verstehen, aber auch, um meine Meinung einfließen zu lassen. Es hat richtig Spaß gemacht und wir haben lange diskutiert. Das ist mir online bisher noch nicht passiert.
Sind die Gespräche zur Bayernwahl jetzt anders als die Gespräche zur Bundestagswahl?
Niklas: Es ist noch zu früh, das zu sagen. Natürlich sind erst einmal die Themenfelder, die wir anbieten, lokaler und auf die Landtagswahlen bezogen. Längerfristig wollen wir auf ‚Diskutier mit mir‘ aber auch Themen anbieten, die unabhängig von Wahlen diskutiert werden können.
Wann sind die Menschen am Diskutierfreudigsten? Wann treffe ich die meisten Diskussionswilligen auf der Plattform?
Nachmittag gibt es die meisten Gesprächsgesuche. Inzwischen bieten wir aber auch die Möglichkeit, sich zu registrieren, und dann kann ich bei Interesse mit einem Gesprächspartner auch Tage und Wochen in Kontakt bleiben.
Was wünscht ihr Euch als optimalen Ausgang einer „Diskutier mit mir“-Runde?
Fouzia: Ich finde eine Debatte gelungen, wenn es möglich war, eine andere Meinung kennen zu lernen und vielleicht sogar Verständnis für die Sicht des anderen zu entwickeln.
Niklas: Es macht auch Spaß, die eigene Meinung im Diskurs auszuprobieren, seine Argumente zu testen – aber das in einem geschlossenen, sicheren Raum. Viele Menschen beteiligen sich nicht an digitalen Diskussionen, weil sie Angst haben, wenn Ihnen potenziell 10.000e Menschen zusehen. Hier können sie üben, Standpunkte anzubringen und zu begründen.
Und hier geht die Diskussion los: