Der Antisemitismus ist ein ideologisches Kernelement des Rechtsextremismus und des Nationalsozialismus. Aus taktischen Gründen haben Teile der Rechtsextremen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder versucht, Zuflucht beim Philosemitismus zu suchen, um sich scheinbar vom „primitiven Antisemitismus“ zu distanzieren. Dies war in seiner taktisch-instrumentellen Natur leicht durchschaubar.
Die Dortmunder Neonazis von „Die Rechte“ haben aus ihrer antisemitischen Gesinnung nie ein Geheimnis gemacht. Sie sind stolz darauf, denn Antisemitismus ist ein Kernelement ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung. Der inzwischen betagte Dortmunder Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt etwa hatte sich bereits vor 30 Jahren als Funktionär auch beim 1984 gegründeten „Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ (KAH) beteiligt – parallel zu seinen Aktivitäten bei der „Borussenfront“, als führender Akteur der inzwischen verbotenen FAP sowie als Kameradschaftsführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten. Ein Vernetzungstreffen dieser Gruppe fand übrigens 1984 in Ursula Haverbecks Collegium Humanum in Vlotho statt.
Pünktlich zum 70. Geburtstag des demokratischen Rechtsstaates Israel, am 14.5.2018, versammelten sich 50 Neonazis von „Die Rechte“ in Dortmund zu einer zugelassenen Kundgebung. Sie präsentierten sich – auch der kürzlich erneut zu einer Haftstrafe verurteilte Borchardt war dabei – mit einem großformatigen Transparent mit dem Spruch „Der Staat Israel ist unser Unglück.“ Auch mehrere Palästina-Flaggen wurden gezeigt. Der Spruch ist eine billige Abwandlung von Heinrich von Treitschkes Losung „Die Juden sind unser Unglück“. Dieser wiederum wurde zum Schlagwort der Nationalsozialisten, insbesondere des vom NSDAP-Gauleiter herausgegebenen antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, Julius Streicher († 16.Nov 1946).
Der Dortmunder Neonazi Michael Brück – er trug ein T-Short „Solidarität mit Ursula Haverbeck“ – und der Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda hielten die Kampfreden gegen Israel, ihre 50 Neonazikameraden standen stramm mit ihren Fahnen dabei, als hätten wir das Jahr 1933; einige trugen auch das bekannte „Hknkrz-T-Shirt“. Auch die übliche Dortmunder „Neonazi-Prominenz“ war vertreten, darunter auch der bei Neonazi-Protesten omnipräsente Dortmunder Briefpartner von Zschäpke, Robin S. (vgl. Der Westen) . Dieser trug bei der antisemitischen Kundgebung eine Fahne und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Holoelaus“.
Der Filmemacher Marcus Arndt hat ein Filmdokument dieses martialischen, von der zahlreich anwesenden Polizei geduldeten antisemitischen Auftrittes veröffentlicht:
Etwa 200 Gegendemonstrant_innen versuchten, verbal und mit Israelfahnen gegen den antisemitischen Auftritt zu protestieren, wurden von der zahlreich anwesenden Polizei jedoch auf Abstand gehalten.
Brück und Skoda waren bemüht, sich nicht direkt strafbar zu äußern. Michael Brück, Co-Bundesvorsitzender von „Die Rechte“ und Betreiber des Dortmunder Neonazi-Versandhandels „antisem.it“ (diese Domain wurde im August 2017 geschlossen, seitdem firmiert der Versandhandel unter einem neuen Namen) griff das Vokabular der geschulten linken „Israelkritiker“ auf, indem er betonte, es müsse zulässig sein und wäre es ja auch, Kritik an Israel zu üben. Ganz im Geiste der antisemitischen BDS-Bewegung bezeichnete er den Gazastreifen als „das größte Freiluftgefängnis“ der Welt. Gewalt, Mord und Terror gegenüber den Palästinensern durch den Staat Israel seien an der Tagesordnung. Brück bezog sich auch wohlwollend auf die Bezeichnung „Nakba“, in dem Sinne, dass die – international anerkannte – Gründung Israels im Jahr 1948 ein „Tag der Schande“ sei.
Der Neonazi Skoda warf rhetorisch – die meiste Zeit stolzierte er grinsend vor seinen Neonazikumpanen her – die drohende Frage auf, warum es denn notwendig sei, „einen Staat wie Israel einzurichten und zu vermarkten“. Israel sei „ein Staat, der überall in der Welt als Mörder bekannt ist“ – auch an dieser Stelle schritt die Dortmunder Polizei bzw. der anwesende Staatsschutz nicht ein. Dieser Staat werde in absehbarer Zeit ein Ende finden, vor allem durch Gruppierungen wie seine eigene Partei. Israel kenne nur „den Kanon von Schuldkomplexen“, fabulierte der langgediente Holocaustleugner. Die Gegendemonstrant_innen hingegen seien „verlogene Bastarde“. Das Blatt werden sich jedoch „bald wenden“ und „Recht wieder Recht sein“, auch und vor allem in Deutschland.
Die gezielten antisemitischen Hetzauftritte sind für die Dortmunder Neonazis eine seit Jahren praktizierte Strategie: Im November 2014 hatte das damalige Stadtratsmitglied von „Die Rechte“, Dennis Giemsch, im Stadtrat die Anfrage gestellt, wieviel Juden in Dortmund lebten, und in welchen Stadtteilen. Am 9.11.2016 hatten Dortmunder Neonazis, darunter Brück, gezielt die Gedenkfeier der Jüdischen Gemeinde, gegenüber dem Dortmund-Dorstfelder Wilhelmplatz gelegen, mit seinem jüdischen Mahnmal an die Shoah gestört. Die Jüdische Gemeinde Dortmund reagierte mit Verstörung auf diese öffentlich inszenierten Störungen bei jüdischen Gedenkfeiern und beklagte, dass sich viele Gemeindemitglieder inzwischen nicht mehr trauten, zu ihren Gedenkfeiern zu kommen. Im Dezember 2017 hielt Michael Brück, ganz im Einklang mit der BDS-Bewegung, bei einer Stadtratssitzung eine antisemitische Rede. Dabei trug er eine palästinensische Flagge und rief „Freiheit für Palästina, nie wieder Israel!“ Und auf der Dortmunder Neonazikundgebung Mitte April hing auch auf der Rednertribüne ein überdimensionales Konterfei von Ahmadinedschad (BTN berichtete).