Burschenschaftlicher Festkommers in Landau in Rheinland-Pfalz am 31. März 2007. Unter dem Motto „Beschränkung der Meinungsfreiheit einst und heute“ feierte die „Deutsche Burschenschaft“ das „175-jährige Jubiläum des Hambacher Festes“. Was dabei mitunter unter „Meinungsfreiheit“ verstanden wird, lässt aber doch aufhorchen. Auf dem aktualisierten Veranstaltungsprogramm tauchte nämlich als Referentin neben anderen die Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl auf. Ihr Thema: „Meinungsfreiheit heute“. Pahl ist bekannt als Ratgeberin und Verteidigerin zahlreicher neonazistischer Gewalttäter. Nach Informationen der Brandenburger Landeszentrale für Politische Bildung gehörte Pahl 1992 gemeinsam mit dem Hamburger Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger, in dessen Kanzlei Pahl über Jahre beschäftigt war, zu dem „Gründungskreis des Deutschen Rechtsbüros, das sich als Kommunikations- und Informationszentrum für (rechtsextreme) Szene-Juristen versteht“.
Pahl ist Domaininhaberin der Internetseite des „Deutschen Rechtsbüros“ (DRB). Das DRB möchte „sein juristisches Wissen der ‚rechten‘ Szene zur Verfügung stellen und bundesweit an Aktivisten weitergeben, damit dieser Personenkreis bei gerichtlichen Verfahren und im sonstigen Umgang mit Polizei und Justiz rechtlich besser informiert und vorbereitet ist“, urteilt der Hamburger Verfassungsschutz. Eine vom DRB herausgegebene Schriftenreihe befasst sich regelmäßig mit dem Straf-, Presse-, Versammlungs- und dem Wahlkampfrecht, schreibt die Landeszentrale für Politische Bildung in Brandenburg. Unter dem Pseudonym „Gisela Sedelmaier“ gilt Gisa Pahl ebenso als Autorin des juristischen Handbuchs „Mäxchen Treuherz“, das rechtsextremen „Aktivisten ein hilfreicher Ratgeber“ sein soll, „um Konflikten mit der Exekutive und Judikative des freiesten Rechtsstaates, der je auf deutschem Boden existierte, vorzubeugen“. Weitere Vorträge hielten auf der Landauer Veranstaltung unter anderem Dieter Stein, Chefredakteur der rechtslastigen Wochenzeitung ‚Junge Freiheit‘ („Die Entwicklung der Meinungsfreiheit im deutschen Kulturraum von 1832 bis heute“), sowie der Österreicher Lutz Weinzinger, FPÖ-Parlamentarier und FPÖ-Vorsitzender in Oberösterreich („Die Meinungsfreiheit in der heutigen Republik Österreich“).
„Eine kleine deutsche Kunstausstellung“
Der Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB), dem etwa 120 Bünde in Deutschland und Österreich mit rund 15.000 Mitgliedern angehören, gilt seit Jahren als problematisch . Mögliche rechtsextreme Verbindungen der Deutschen Burschenschaft waren Ende Januar 2007 für die Fraktion ‚Die Linke‘ im Deutschen Bundestag Anlass einer Kleinen Anfrage. Die Abgeordneten führten an, dass Mitglieder der DB „häufig durch intensive Kontakte ins rechtsextreme Lager auffallen“ würden. In ihrer Antwort (Drucksache 16/4142) verneinte die Bundesregierung zwar eine inhaltliche Nähe des Dachverbandes zum Rechtsextremismus, gab aber zu, dass es „Auftritte rechtsextremistischer Referenten auf einzelnen Häusern von Burschenschaftlern des Dachverbands ‚Deutsche Burschenschaft?“ gegeben habe.
So beispielsweise auf dem Haus der Münchner „Burschenschaft Danubia“. An ihren „Bogenhauser Gesprächen“ nahmen in der Vergangenheit ausgewiesene Vertreter der extremen Rechten wie u.a. Reinhold Oberlercher, Horst Mahler, Peter Kienesberger sowie der französische neurechte Theoretiker Alain de Benoist teil. Die Danubia inseriert ihre „Bogenhauser Gespräche“ häufiger in der Wochenzeitung ‚Junge Freiheit‘. Dort wurde auch für eine „kleine deutsche Kunstausstellung“ über die NS-Künstler Rudolf Warnecke, Ernst von Dombrowski und Georg Sluyterman von Langeweyde im Haus der „Danubia“ im noblen Münchner Stadtteil Bogenhausen geworben. Erkenntnissen der Bundesregierung zufolge hielten „bei der Burschenschaft Danubia in der Vergangenheit einzelne NPD-Mitglieder Vorträge“. Ins Gerede gekommen war die „Danubia“ vor allem, als nach einem brutalen Skinhead-Angriffs auf einen Griechen in München im Januar 2001 dem Haupttäter in den Räumen der Verbindung eine Übernachtungsmöglichkeit geboten wurde. Seit 2001 bis zum Jahr 2007 stufte der Bayerische Verfassungsschutzbericht die „Burschenschaft Danubia“ als rechtsextrem ein. Dann klagte die „Danubia“ Ende Dezember 2007 erfolgreich gegen den Freistaat Bayern. Im Verfassungsschutzbericht 2007, der Mitte März 2008 vorgestellt wurde, wird die „Danubia“ nunmehr nicht erwähnt.
Die Danubia „bot in der Vergangenheit Rechtsextremisten ein Forum für deren Vorträge und stellte auch ihre Internetseite für ‚links? zu rechtsextremistischen Homepages ? zur Verfügung. Eine Bereitschaft zur Abkehr von den bisherigen rechtsextremistischen Bestrebungen ist nicht erkennbar“, hielt die bayerische Behörde 2002 fest.
Auch im Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes für 2006 ist die „Aktivitas der Burschenschaft Danubia“, die 15 Mitglieder zählen soll, wieder genannt. In den 1970er Jahren galt die „Danubia“ als Kaderschmiede für die NPD-Studierendenorganisation Nationaldemokratischer Hochschulbund, Ende der 1980er Jahren waren die Danuben eng mit der Partei „Die Republikaner“ liiert. Auf dem Haus der „Danubia“ in München wurde beispielsweise 1989 der Republikanische Hochschulverband gegründet.
Die „Erlanger Burschenschaft Frankonia“ ? Wahlspruch: „Ehre, Freiheit, Vaterland“ kennt offenkundig ebenfalls wenig Berührungsängste gegenüber Rechtsaußen: Als Redner traten dort in der Vergangenheit schon Rechtsextremisten wie Pierre Krebs, Horst Mahler und Reinhold Oberlercher in Erscheinung. Für eine Veranstaltung auf ihrem Haus „?David gegen Goliath? ? Konzepte wider die Hegemonialpolitik der USA“ warb die schlagende Verbindung Anfang 2007 mit einer Anzeige in der ‚Jungen Freiheit‘. Als Referent war, neben anderen, der wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilte Publizist Hans-Dietrich Sander angekündigt. Im Jahr 2001 berichtete das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz von Flügelkämpfen zwischen einem demokratischen und einem extremistischen Flügel innerhalb der „Frankonia“.
„Asyl für Flüchtlinge aus Multikopia“
Diverse weitere Verbindungen, die meisten davon in der DB organisiert, zeigen Affinitäten zur extrem rechten Szene. Beispielsweise die „Hamburger Burschenschaft Germania“, die wie die „Danubia“ und die „Frankonia“ dem radikal-völkischen Flügel der DB, der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, zugerechnet wird, machte schon häufiger durch Kontakte ins rechtsextreme Lager von sich reden. Für Mitstreiter wirbt sie auch in der rechtsextremen Strategiezeitschrift „Nation & Europa“ aus Coburg: „Wir bieten Asyl ? für Flüchtlinge aus Multikopia! Deutsche Studenten in Hamburg kommt zur Hamburger Burschenschaft Germania ? garantiert politisch unkorrekt.“ (Juni-Ausgabe 2001).
Auch die „Halle-Leobener Burschenschaft Germania“ wirbt in ‚Nation & Europa‘: „Wir zeigen Dir die rechte Art des Studentseins.“ Und „Deutsche Studenten in München“ sollen sich bei der „Burschenschaft Elektra Teplitz zu München“ melden, heißt es in einer weiteren Anzeige in „Nation & Europa“.
Auf Nachwuchssuche geht in ‚Nation & Europa‘ ebenso die Burschenschaft „Normannia zu Jena“: „Suchen patriotische Studenten und Akademiker; bieten eine feste Gemeinschaft, preiswerte Zimmer und Unterstützung im Studium“. Der Mitherausgeber von ‚Nation & Euopa‘, Peter Dehoust, ist Gründungsmitglied der Burschenschaft. Über die ‚Normannia zu Jena‘ heißt es seitens des thüringischen Verfassungsschutzes: ‚Seit ihrer Gründung gehören der ‚Normannia? auch aktive Rechtsextremisten an.“
„Für Ehre, Freiheit, Vaterland!“ warb in ‚Nation & Europa‘ (Mai 2003) auch die DB-Mitglieds-Burschenschaft „Germania Kassel“. Zu Gast war bei der „Burschenschaft Germania Kassel“ im November 2004 der bekannte Rechtsextremist Jürgen Rieger, heute Landeschef der NPD in Hamburg und NPD-Bundesvorstandsmitglied. Laut einem Bericht des ‚Hessischen Rundfunks‘ soll Rieger, der u.a. auch Vorsitzender der rassistischen „Artgemeinschaft“ ist, bei seinem Vortrag in dem „Germanenhaus“ geleugnet haben, dass in der Zeit des Nationalsozialismus mehrere Hunderttausend Sinti und Roma vergast worden seien. Wegen seiner volksverhetzenden Tiraden zog der Hamburger Rechtsanwalt Rieger staatsanwaltschaftliche Ermittlungen auf sich.
National oppositionelle Verbandsbrüder
Von rechtsextremer Seite aus gesehen, haben Auftritte bei burschenschaftlichen Abenden eine wichtige Funktion, da sie „als Band zwischen Burschenschaften einerseits und nationaler Opposition andererseits“ dienen könnten, führt das nordrhein-westfälische Innenministerium den ehemaligen NPD-Chefideologen Jürgen Schwab an. Schwab (Ex-Mitglied der „Akademischen Burschenschaft Thessalia zu Prag“, Bayreuth sowie der „Akademischen Burschenschaft Germania“, Graz) hält eine engere Zusammenarbeit mit den Verbindungen für sinnvoll: „So sind in nahezu allen DB-Verbindungen Verbandsbrüder anzutreffen, die in irgendeiner Form national oppositionell sind. Der Verfasser zählt sich auch zu diesem nicht kleinen Personenkreis.“ (Jürgen Schwab, zitiert nach NRW-Innenministerium, Die Neue Rechte in Deutschland).
Eine ganze Reihe von rechtsextremen Funktionären sind beziehungsweise waren Mitglieder studentischer Verbindungen, beispielsweise neben anderen: Stefan Rochow, seit November 2002 amtierender Vorsitzende der NPD-Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten und Fraktionsassistent der NPD in Sachsen, ist Mitglied der Gießener Burschenschaft „Dresdensia Rugia“. Auch der Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion und Autor des NPD-Blattes ‚Deutsche Stimme‘, Arne Schimmer, sowie der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel gehören beziehungsweise gehörten der Gießener Burschenschaft an. Einem Bericht des Hessischen Rundfunks zufolge hat die „Dresdensia Rugia“ die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes auf sich gelenkt. So habe das hessische Landesamt „den Eindruck gewonnen, dass es eine echte Zusammenarbeit zwischen der NPD und der Burschenschaft gibt.“ Stefan Rochow sowie das JN-Bundesvorstandsmitglied Mathias Rochow tummeln sich auch bei der „Burschenschaft Rugia Greifswald“. Szeneprominentes Mitglied dort ist der Rechtsextremist und „Reichsbürger“ Rigolf Henning aus Verden in Niedersachsen, der sich wegen Volksverhetzung mehrfach vor Gericht verantworten musste. In den Reihen der „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ ist Björn Clemens aktiv, bis Ende vergangenen Jahres stellvertretender Bundesvorsitzender der Republikaner, der sich nach seinem kürzlich erfolgten Parteiaustritt jetzt auf der Suche nach einer rechtsextremen Heimat befindet.
Vorsitzende der „Deutschen Burschenschaft“ ist für den Zeitraum 2006/07 die „Innsbrucker Burschenschaft Brixia“. Im ‚Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus‘ wird die „Brixia“ als „akademische Vorfeldorganisation des Rechtsextremismus“ eingestuft. Die Funktion des „Schriftleiters“ der von der DB vierteljährlich herausgegebenen „Burschenschaftlichen Blätter“ übt mit Herwig Nachtmann ein „Verbandsbruder“ der „Brixia“ aus. Nachtmann, wegen Verstoßes gegen das NS-Wiederbetätigungsgesetz gerichtskundig, nahm 1981 als Angehöriger der „Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“ beim Begräbnis des Hitler-Nachfolgers Dönitz teil.
Als Pressesprecher des Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ amtiert seit Sommer 2006 Norbert Weidner, der der „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ sowie der „Akademischen Burschenschaft Carolina zu Prag“ in München angehört. Der heute 34-jährige Weidner war bis Mitte der 1990er Jahre sehr engagiert in der Neonazi-Szene. Weidner zählte zum Führungszirkel der militanten Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, die 1995 vom Bundesinnenministerium als verfassungsfeindliche Organisation verboten wurde, und war Vorstandsmitglied der heute noch bundesweit aktiven „Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“.
Aktive Rechtsextremisten in burschenschaftlichen Verbindungen sind eine Minderheit. Und auch nur vereinzelt sind Burschenschaften zu Beobachtungsobjekten von Verfassungsschutzbehörden geworden. Aber bei einer Reihe von Bünden lassen sich doch gewisse Affinitäten zur extrem rechten Szene feststellen. Wenn Burschenschaften Rechtsextremisten zu Vorträgen einladen oder in einschlägigen Blättern Anzeigen schalten, lässt dies gegenseitige Sympathien durchaus erkennen ? und ist der Reputation der rechtsextremen Szene in diesen Kreisen jedenfalls förderlich.
Dieser Text stammt aus dem Online-Dossier zum Thema Rechtsextremismus der Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de/rechtsextremismus
Erstveröffentlicht am 23.4.2007