Schon die ersten Überlegungen zu einer Demonstrationsreihe, die später „Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“ hieß, entstanden im Internet. Entsprechend fand (und findet) auch die Mobilisierung zu den Demonstrationen oder Kundgebungen deutschlandweit über Soziale Netzwerke statt – wobei dies im Falle von „Pegida“ vor alle über Facebook geschieht. Schon vor einem Jahr lies sich gut beobachten, was den Erfolg von Pegida online ausmachte (der ja auch zu astronomischen Teilnehmer_innen-Zahlen von bis zu 25.000 Menschen im Januar in Dresden führte.
Pegida gab sich auf der eigenen Facebook-Seite vergleichsweise neutral und auf die (politisch dann sehr viel eindeutigeren) Demonstrationen konzentriert. Da diese allerdings erfolgreich waren, gab es digitalen Applaus von allen Seiten: Nicht nur, dass die verschiedenen „Gidas“ sich gegenseitig pushten. Empfohlen wurden die Pegida-Demonstrationen in allen Städten, in denen es sie gab, auch von der NPD, der AfD, von rechtspopulistischen, zahlenmäßig erfolgreichen Pseudo-Medien wie PI-News und dem Kopp-Verlag und von allen rechtsextremen bis rechtspopulistischen Gruppierungen, die es bei Facebook gibt, von Kameradschaften und der „Identitären Bewegung“ bis zur islamfeindlichen „German Defense League“, der mitgliederstarken „Ich bin Patriot, aber kein Nazi“-Facebook-Seite oder den zahlreichen asylfeindlichen „Nein zum Heim“-Seiten (ja, die gab es damals auch schon zuhauf). In der Folge wurde die „Pegida“-Facebookseite ein viraler Erfolg, der Parteien oder andere politische Gruppierungen dagegen alt aussehen ließ.
Alle „lieben“ Pegida (Screenshots Januar 2015)
Und das führte zu folgendem Zuwachs der „Gefällt mir“-Angabe auf Facebook, ausgelesen mit Fanpagekarma, von Oktober 2014 bis Januar 2015:
Seitdem hat sich viel getan. Vor allem die vorgebliche „Neutralität“ ist der „Pegida“-Facebook-Seite schon lange abhanden gekommen. Das Bild der „besorgten Bürger_innen“ lies sich im Internet genauso wenig halten wie im wirklichen Leben. Zunächst waren es die Kommentare der Nutzer_innen, die das ganze Arsenal an rassistischen, islamfeindlichen, Presse-, Politik- und Demokratie-feindlichen Gedanken der „Pegida“-Anhänger_innen offenbahrte. Gewaltaufrufe, Mord- oder zumindest Todesfantasien gegen Flüchtlinge, „Gutmenschen“ und Politiker_innen, auch Anspielungen auf den Holocaust und den Nationalsozialismus, erfundene Gerüchte über die angeblichen Verbrechen von Flüchtlingen / Linksextremen / Politikern, all dies gehört zu Repertoire des Rechtspopulisten und Rechtsextremen auf Facebook und es fand sich zunehmend unzensiert auch auf der „Pegida“-Facebook-Seite. Kein Wunder: Auch die Organisator_innen und öffentlich wahrnehmbaren Köpfe der „Pegida“-Bewegung wie Lutz Bachmann oder Tatjana Festerling verloren zunehmens ihre Hemmungen, das, was sie allwöchtentlich auf Deutschlands Plätzen lamentierten, auch ins Internet zu schreiben – inklusive Gossensprache. Gröbste „Schnitzer“, die etwa in den strafrechtlich relevanten Bereich vordringen, werden allerdings weiterhin gelöscht – die Seite ist also professionell moderiert (vgl. etwa die Sammlung „Perlen der Pegida„).
Hat die zunehmende verbale (und grafische) Radikalisierung dem Erfolg der „Pegida“-Facebookseite Abbruch getan? Nein. Offenkundig schreckten die rechtspopulistischen bis rechtsextremen Postings und Thesen die „Pegida“-Likenden nicht ab. Stattdessen fand offenkundig ein Lernprozess über rechtspopulistische und rechtsextreme Hetz-„Medien“ und Internetseiten statt, der zu einer besorgniserregenden Zunahme rechts motivierter menschenfeindlicher Hetze in Sozialen Netzwerken und Kommentarspalten insgesamt führte, die ja wiederum zu dem falschen Eindruck beiträgt, ein Großteil der Menschen in Deutschland würde solche Thesen unterstützen, nur weil dies die „fleißigsten“ Social-Media-Hasspropheten tun.
Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Menschen Seiten nicht sofort entliken, wenn sie sich nicht mehr so stark für das Thema interessieren, und so stagnierte auch bei „Pegida“ auf Facebook die Like-Zahl eher, als dass sie sank, als mit der „Sommerpause“ das öffentliche Interesse am Pegida-Rassismus langsam zurückzugehen schien. Es stellte sich auch als kurzzeitiger Einbruch heraus. Sah es im Sommer so aus, als würden lokale flüchtlingsfeindliche Facebook-Seiten „Pegida“ den Rang im Interesse der Rechtspopulist_innen ablaufen, steigen aktuell die Pegida-Like-Zahlen wieder stark an – korrespondierend mit den wieder steigenden Teilnehmer_innen-Zahlen bei Pegida Dresden. Und so haben wir akuell den Stand (August bis Oktober 2015):
Betrachtet man das rein zahlenmäßige Wachstum von deutschen Facebook-Seiten im Bereich „Gesellschaft und Religion“ (hier im Marketing-Tool „Fanpagekarma“), sieht man bedauerlicherweise „Pegida“ aktuell (Oktober 2015) auf Rang 18 – nur gut, dass wenigstens die Initiative „Kein Bock auf Nazis“ noch einen Rang vor ihnen steht.
Andere Gidas
Während Pegida auf der Straße nicht in vielen Regionen Deutschlands neben Dresden kontinuierlich punkten kann (vor allem in Leipzig, Thüringen, München, Berlin und Magedburg – in Mecklenburg-Vorpommern ist es mehr eine NPD-Veranstaltung), gibt es im Internet noch zahlreiche Gidas deutschlandweit, von denen sogar gar nicht wenige über 1.000 Likes besitzen. Die beliebtesten sind: Pegida Dresden, Legida, Pegida Bayern, Pegida Deutschland, Pegida Chemnitz-Erzgebirge, Pegida NRW, Pegida Berlin, Pegida Baden-Württemberg, Pegida Frankfurt Rhein-Main, Pegida BW – Bodensee, MVGida, Kagida (Kassel), Pegida Magdeburg, Pegida BW-Stuttgart, Pegida Hannover, Bragida, Pegida Karlsruhe, Pegida Trier, Pegida BW – Mannheim, Pegida Niedersachsen, Pegida Hessen, Hamgida, Pegida Brandenburg, Pegida Nürnberg, Dügida. Sie sind sich gegenseitig eine ständige Quelle an (Fehl)-Informationen, Hetzgrafiken und „Argumentationen“ gegen Menschenwürde und Menschenverstand.
Hier zu sehen: die Pegida-Facebookseite wächst am stärksten – die andern Gidas aber auch weiterhin.
Am 1. Jahrestag der „Pegida“-Demonstrationen muss also für die Aktivitäten im Internet konstatiert werden: Pegida ist auf Facebook ein wichtiger Knotenpunkt eines Netzwerks aus Hass und Menschenfeindlichkeit, der zur Radikalisierung der Anhänger_innen und Zaungäste entscheidend beiträgt. Die Administrator_innen haben es geschafft, die Facebook-Seite – trotz einiger Ausfälle – im großen und ganzen harmlos genug wirken zu lassen, so dass sie weder strafrechtlich verfolgt werden kann noch von Facebook gelöscht werden wird. Glücklicherweise gibt es zahlreiche Monitoring-Seiten, die die Ausfälle bei „Pegida“ und ähnlichen Gida-Seiten dokumentieren, und Gegen-Seiten, die stets klar machen: Die Gidas sind nicht die ganze Wahrheit, sondern vor allem eine lautstarke Behauptung von Mehrheit, die in Wirklichkeit allerdings zum Glück nicht existiert.
Eindrucksvoll: Die Aktivität der Facebook-Seite von Pegida – also, wie oft liken und teilen Nutzer_innen die Inhalte. Deutlich zu sehen: Erneuter Anstieg der Aktivitäten ab September 2015. Der Graph belegt Pegidas Vernetzungs- und Knotenpunkt-Funktion.
Mehr auf netz-gegen-nazis.de:
| Rubrik „Neues aus dem Monitoring“
Die Monitoring-Berichte sind eine Kooperation von Belltower.news mit