(Miteinander e.V.)
Dabei glaubten die Menschen in Nienhagen schon, die Konzerte ein für alle Mal los geworden zu sein, denn die Neonazis stießen seit dem letzten Jahr auf den Protest einer Bürgerinitiative. Einige Bürgerinnen und Bürger aus dem Ort organisierten eine Abstimmung mit dem Ergebnis, dass der überragende Teil der Ortsansässigen die Konzerte nicht mehr im Ort haben will. Hiermit sollte der Vermieter des Konzertgeländes dazu bewogen werden, sein Grundstück nicht mehr Neonazis zu überlassen. Oliver Malina und die Gruppierung „Honour and Pride“ (Ehre und Stolz), die aufgrund der Konzerte in Nienhagen mittlerweile zu den wichtigsten Organisatoren neonazistischer Konzerte in Nord- und Ostdeutschland gehören, begab sich auf die Suche nach einem neuen Ort.
Und so geschah es, dass die Menschen in dem nicht weit entfernten Ort Groß Germersleben aus allen Wolken fielen: Nachdem das einstige Schmuckstück des Ortes – das Barockschloss – samt Parkanlage zur Brandruine wurde, jahrelang verfiel und der Park verwilderte, gelangte das Gelände im Rahmen einer Zwangsversteigerung auch noch in die Hände des überregional bekannten Neonazis. Doch damit nicht genug, kurz nach Erwerb des Geländes wurde deutlich, wofür der Malina zwölftausend Euro ausgeben wollte: Die Rechtsrockevents sollten nun hier stattfinden.
Auf breite Kritik vor Ort stieß die Informationspolitik der kommunalen Verantwortungsträgerinnen und –träger. Nur sukzessive und auf Presseanfragen hin wurden die Umstände der Zwangsversteigerung und die den Behörden vorliegenden Planungen Malinas bekannt. Im Ort fühlte man sich schlecht informiert. Und so manche Antwort blieb der Oscherslebener Bürgermeister Klenke schuldig. Im Verlauf der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Grundstückskauf und dem Konzertvorhaben Malinas entstand vor Ort der Eindruck, die Bürger_innen würden mit dem Problem eines großen Rechtsrockkonzerts in einem 450 Einwohner_innen zählenden Dorf alleingelassen. Doch es kam anders.
Protestengagement vor Ort
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Verkaufs des Schlossgeländes an den Neonazi Oliver Malina konstituierte sich im Nachgang einer Einwohnerversammlung eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Groß Germersleben Rechtsrockfrei“. Sie sammelte zunächst alle verfügbaren Informationen rund um das geplante Neonazikonzert und ging anschließend daran, den Protest in einem Straßenfest zu organisieren. Von besonderer Bedeutung für den Lernprozess vor Ort in der Auseinandersetzung mit Rechtsrockkonzerten waren jene Erfahrungen, die der Sprecher der Bürgerinitiative aus Nienhagen, Hans Christian Anders, in Groß Germersleben einzubringen wusste. Umsichtig und geduldig erläuterte er die Rechtslage ebenso wie die Chancen und Grenzen der ordnungsrechtlichen Zähmungsversuche solcher Konzerte.
Gar nicht hoch genug ist das Engagement der Bürgerinnen und Bürger in Groß Germersleben zu loben, die sich binnen kurzem zum Thema Rechtsextremismus fit machten, und in einem Kraftakt ein buntes und erfolgreiches Straßenfest auf die Beine stellten. Als Vorbild diente die Meile der Demokratie, die in Magdeburg jedes Jahr als Gegenaktion zu Sachsen-Anhalts größten Naziaufmarsch organisiert wird. Mit überregionaler Unterstützung gelang es, in Groß Germersleben und im Anschluss auch in Nienhagen, wo Malinas Konzert schlussendlich stattfand, ein deutliches Zeichen gegen neonazistische Konzerte zu setzen. Der Dank von Öffentlichkeit und Landespolitik sollte jedoch an jene gehen, die sich vor Ort unter Einsatz privater Ressourcen gegen einen neonazistischen Konzertveranstalter aufgestanden sind.
Mit freundlicher Genehmigung von Miteinander e.V.
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Der Artikel erschien zuerst in der Sommerausgabe des Newsletters „Impulse“ von Miteinander e.V. unter dem Themenschwerpunkt Zivilcourage.
Sommerausgabe der „Impulse“ von Miteinander e.V. Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt.
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