Wie in den vergangenen Jahren kam es vor allem im Süden Brandenburgs zu rechtsextremen Gewalttaten. So wurden im Frühjahr in Spremberg fünf Punks angegriffen. Die Jugendlichen parkten nachts vor dem örtlichen Jugendclub und wurden von mehreren Neonazis mit Baseballschlägern attackiert. Sie kamen mit Schnittwunden, Prellungen und einer gebrochenen Hand davon. Das Auto hatte Totalschaden.
Bereits Anfang Mai wurden die Türen des Redaktionsgebäudes der „Lausitzer Rundschau“ mit Nazi-Parolen besprüht und mit Tierinnereien beschmiert. Die Zeitung veröffentlichte kurz zuvor einen Artikel über lokale Neonazistrukturen.
Im Juni 2012 verbot das Brandenburger Innenministerium „Die Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“. Das als „Spreelichter“ in die Öffentlichkeit geratene Neonazi-Netzwerk war vor allem für seinen professionellen Internetauftritt und seine pathetisch inszenierten Aktionen bekannt. Dazu zählten unter anderem Aufzüge mit Fackeln und weißen Masken. Die Aktivitäten der „Spreelichter“ wurden in der rechten Szene bundesweit nachgeahmt. Kurz nach deren Verbot fand im Juli in Hennigsdorf – anlässlich des 99. Geburtstags des SS-Kriegsverbrechers Erich Priebke – ein unangemeldeter Fackelmarsch statt, der symbolisch an die Aktionen der „Spreelichter“ anknüpfte.
Neue Qualität neonazistischer Anschläge
Seit dem März beobachten wir Aktivitäten des Berliner Neonazi-Netzwerks („NW-Berlin“) in Brandenburg. Anfänglich waren dies vor allem Hakenkreuzschmierereien in Seelow. Im Juli tauchten dann an vier weiteren Orten Haken- und Keltenkreuze auf. Vor dem Haus eines jungen Alternativen in Storkow wurden dessen Name und die Worte „Game Over“ gesprüht. Überall hinterließen die Täter dabei den Schriftzug „NW-Berlin“.
Am Morgen des 7. Oktober verübten Neonazis einen Anschlag auf das Wohnhaus des Sprechers der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“. Dabei entstand ein erheblicher Sachschaden, verletzt wurde zum Glück niemand. Nur wenige Tage später wurde nachts das Flüchtlingsheim in Waßmannsdorf angegriffen. Hier hinterließen die Täter ein Hakenkreuz, sowie die Schriftzüge „Rostock ist überall“ und „NW Berlin“.
Die Aktivitäten des NW-Berlin in Brandenburg definieren eine neue Qualität neonazistischer Anschläge. Die Angriffe auf Flüchtlingsheime und das Versehen von Wohnhäusern und Gedenktafeln mit Labels zeugen davon, dass die Täter sich unangreifbar fühlen und keinerlei Angst vor Repression haben. Ihre Taten treffen nicht nur marginalisierte Minderheiten, sondern auch Zeitungsredaktionen und Bürgerinitiativen. Dies ist eine klare Machtdemonstration von Seiten der Neonazis. Wir wünschen uns demgegenüber deutlichere Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen und einen entschlossenen Einsatz gegen Neonaziaktivitäten.
Todesopfer rechtsextremer Gewalt mahnen zum Handeln
Bis zum September des laufenden Jahres haben wir von 61 Fällen rechter Gewalt Kenntnis erlangt. Das häufigste diesbezügliche Tatmotiv ist Rassismus. Darüber hinaus sind vor allem andersdenkende Jugendliche und politisch aktive Menschen von Angriffen betroffen. Wir rechnen bis zum Ende dieses Jahres mit einer ähnlich hohen Zahl rechtsextremistisch motivierter Angriffe wie 2011 (84). Hinzu kommen die Angriffe, die auch der Opferperspektive nicht bekannt werden.
Für das Jahr 2012 gibt es jedoch auch Erfreuliches zu berichten. So existieren brandenburgweit unzählige Initiativen, die sich kontinuierlich gegen rechte Gewalt und Neonazis engagieren. Dieses Jahr stellten sich beispielsweise in Potsdam, Frankfurt (Oder), Wittstock, Cottbus und Neuruppin Bürgerinnen und Bürger den Rechtsextremen in den Weg und verhinderten so ihre Aufmärsche bzw. verkürzten ihre Routen.
Anfang November kündigte der Brandenburgische Innenminister Dietmar Woidke eine Überprüfung der bisher nicht anerkannten Todesfälle rechtsextremer Gewalt seit 1990 an. Denn während die Opferperspektive in Brandenburg von mindestens 27 Todesopfern und weiteren fünf Verdachtsfällen ausgeht, finden sich bisher nur neun der Fälle als rechtsextremistisch benannte Morde in der offiziellen Statistik wieder. Einige der Taten, wie die Morde an Emil Wendland und Rolf Schulze, jähren sich 2012 zum zwanzigsten Mal. In Erinnerung an sie und die tödliche Gefahr extrem rechter Gewalt fanden Gedenkveranstaltungen statt.
Wie sind die Erwartungen für 2013?
Für die Überprüfung der Todesopfer fordern wir eine unabhängige, wissenschaftliche Untersuchungskommission. Es ist wichtig, dass die Überprüfung der Verdachtsfälle nicht nur polizeiintern erfolgt, sondern von einem Gremium unabhängiger Sachverständiger vorgenommen wird. Vor allem bei Tötungsdelikten in den 1990er Jahren ist davon auszugehen, dass von Seiten der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden einem politischen Tatmotiv in Gerichtsverfahren nicht hinreichend nachgegangen wurde. Es geht darum, das tatsächliche Ausmaß rechter Gewalt in den gesellschaftlichen Fokus zu stellen und die menschenfeindlichen Einstellungen der Täter deutlich zu machen.
Ende des kommenden Jahres wird das Förderprogramm der Bundesregierung „Toleranz fördern und Kompetenz stärken“ auslaufen. Das Fortbestehen der Projekte und Initiativen, die die Beratung für Betroffene rechter Gewalt und Diskriminierung organisieren, ist damit nicht länger gewährleistet. Für uns ist daher eine dauerhafte, langfristige und von Parteien unabhängige Finanzierung der Projekte unablässig, die gegen rechte Gewalt, Rassismus und im Bereich der Opferberatung arbeiten.
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