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Broschüre „Eine Waffe im Informationskrieg“ Zwischen Desinformationskampagne und Verschwörungsideologie

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Prorussischer Autokorso in Hannover, April 2022.

Bedrohungslagen erzeugen und Feindbilder kreieren – das sind die Kernanliegen kremlnaher Desinformationskampagnen. Sie nutzen unterschiedliche Strategien. Nicht immer fabrizieren sie komplette Falschmeldungen.

Oftmals werden tatsächliche Ereignisse überspitzt dargestellt oder umgedeutet. Einzelne Äußerungen werden aus dem Kontext gerissen oder verzerrt wiedergegeben. Ein Beispiel für Letzteres ist die Schmäh-
kampagne gegen Annalena Baerbock vom September 2022. Ein propagandistischer Twitter-Kanal postete ein Video der Außen ministerin und legte ihr im Begleittext in den Mund, dass sie die Ukraine an erste Stelle stellen würde, dem deutschen Wählerwillen zum Trotz. Sahra Wagenknecht, AfD-Kader und weitere rechte Akteur*innen griffen den Inhalt des Tweets auf. Daran zeigt sich auch, dass Desinformation nach dem Schneeballprinzip funktioniert: Einige geschickt platzierte Meldungen können eine Lawine ins
Rollen bringen (oft genug funktioniert das aber auch nicht). Eine weitere Strategie besteht darin, das Informationsfeld durch verschiedene, teils widersprüchliche Falschmeldungen zu verwirren. Nachdem russische Kriegsverbrechen, etwa im Kiyver Vorort Butscha, publik geworden waren, behaupteten kremlnahe Desinformationskanäle wahlweise, dass die Morde inszeniert gewesen seien, oder aber, dass die Ukrainer*innen selbst für die Gräueltaten verantwortlich seien.

Die einzelnen Falschmeldungen und Verzerrungen schreiben die russischen Propagandanarrative fort und unterfüttern sie mit vermeintlichen Bestätigungen. Die wichtigsten Narrative weisen dabei Strukturmerk-
male auf, die auch für Verschwörungsideologien typisch sind. Sie bieten Vereinfachungen und teilen die Welt in zwei entgegengesetzte Gruppen: eine „gute“ Wir-Gruppe, nämlich Russland, dessen „Schicksal“ es laut Putin ist, „denjenigen Einhalt zu gebieten, die nach der Weltherrschaft streben, die damit drohen,
unser Vaterland, unser Heimatland zu zerstückeln und zu versklaven.“

Ihr gegenüber steht eine „böse“, teuflische Die-Gruppe: Die von russophoben Nazis verseuchte Ukraine
und – ähnlich den hierzulande verbreiten antiamerikanischen Verschwörungsideologien – ihre Hintermänner in der NATO und in Washington, die schon seit langem sowohl offen als auch im Verborgenen auf die Vernichtung Russlands hinarbeiten. Die meisten momentan beobachtbaren Narrative dienen der Konstruktion dieser beiden Feindbilder.

Fünf Methoden von Propaganda

1. Schwarze PR/„Der faule Hering“

Die Methode des faulen Herings besteht darin, gegen eine Person falsche und rufverletzende Anschuldigungen zu erheben. Ziel ist es nicht, diese Anschuldigungen zu beweisen, sondern die Diskussion
um die Person zu verschieben. Diskutiert werden soll nur noch die Anschuldigung und nichts anderes,
was diese Person sagt oder tut. Die Anwendung der Methode lässt sich am Beispiel des Regimekritikers
Alexej Nawalny beobachten, der durch zahlreiche Anklagen, Urteile und Haftstrafen zum Verbrecher,
Betrüger und Extremist gebrandmarkt wurde. Auf diese Weise verlieren die von ihm vertretenen Inhalte in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung, während die Anschuldigungen an ihm haften wie der schlechte Geruch eines faulen Herings.

2. Anekdotische Evidenz

Mit dieser Methode präsentiert die Propaganda einen Einzelfall als vermeintlichen Beweis für ihre Argumentation. Anfang April 2022 ging ein Video von einer alten Dame viral, die russische Soldaten im
Osten der Ukraine mit einer roten Fahne in der Hand begrüßt. Die Frau wurde in allen Medien gezeigt,
mittlerweile ziert sie viele Gemälde und hat sogar ein Denkmal. Die Propaganda nutzte dieses anekdotische
Beispiel einer einzelnen Bewohnerin der Ostukraine, um zu beweisen, dass sich alle Ostukrainer*innen über die Ankunft russischer Besatzer*innen freuen würden.

3. Name-Calling

Diese Methode findet Anwendung, wenn die Propaganda diffamierende oder beleidigende Namen für ihre Adressat*innen benutzt, ohne zu erklären, weshalb die Personen eigentlich so bezeichnet werden. Die von Putin so bezeichnete „Bande von Nazis und Drogenabhängigen“, die angeblich in Kyiv die Macht habe, dient als Beispiel dafür. Die russische Propaganda spricht im Zusammenhang mit ukrainischen Soldat*innen, Politiker*innen und Menschen oft von „Nazis“, ohne zu erklären warum.

4. Whataboutism

Eine beliebte Methode von Propaganda ist der abrupte Themenwechsel, um dann ausführlich zum neuen Thema zu argumentieren. Kritik*innen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine wird der Angriff der USA auf Kosovo oder Afghanistan entgegengehalten. Der Satzanfang „Aber was ist mit …!?“ ist namensgebend für diese Propagandatechnik.

5. Falsches Dilemma

Ein falsches Dilemma liegt vor, wenn für ein Problem nur zwei Lösungen genannt werden, obwohl es eigentlich eine Vielzahl an weiteren möglichen Einschätzungen gibt. Eine der beiden Optionen wird dann diskreditiert, die andere erscheint als der einzig gangbare Weg. So ist es mit Russlands Angriffskrieg geschehen, als die Propaganda argumentierte, wenn Russland die Ukraine nicht überfallen hätte, wäre Russland selbst angegriffen und zerstört worden. Um die eigenen Bürger*innen zu schützen, musste Russland dieser Argumentation zufolge die sogenannte Spezialoperation in der Ukraine beginnen.

Die Publikation

Weitere Teile der Broschüre „Eine Waffe im Informationskrieg“ – Demokratiefeindliche Narrative in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine der Amadeu Antonio Stiftung erscheinen in den nächsten Tagen.

Aus dem Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung
2. Worauf zielt Desinformation?
3. Narrative 
3.1 Was steht hinter Krieg und Propaganda?
3.2 Russische Propaganda: Zwischen Desinformationskampagne und Verschwörungsideologie
3.3 Feindbild Ukraine
3.
4 Der Westen als Feind
4. Grenzüberschreitende Desinformationskanäle auf Russisch
4.1 Russische Propaganda als deutsches Problem
4.2 Quellen der Desinformation in Russland
5. Wie wird in Deutschland kremlnahe Desinformation verbreitet?
5.1 „Alternative Medien“
5.2 Social Media
5.3 Putin-Freund*innen in der Politik
6. Handlungsempfehlungen
6.1 Strategische Überlegungen zum Umgang mit
kremlnaher Propaganda und Desinformation
6.2 Handlungsempfehlungen

Die Broschüre als PDF zum Download finden Sie hier:

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