Im „Pride Month“ läuft der Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft, Manuel Neuer, bei den Spielen mit einer Kapitänsbinde in Regenbogenfarben auf. Doch die Europäische Fußball-Union (UEFA) störte sich daran und hatte am Sonntag Ermittlungen angekündigt. Die Regenbogenfarben stehen weltweit als Symbol für Toleranz und sexuelle sowie geschlechtliche Vielfalt. Die UEFA soll die bunte Armbinde als politisches Zeichen während einer Partie gewertet haben, was laut der Statuten des Verbandes untersagt ist. Im offiziellen Regelwerk zur EM wird genau vorgeschrieben, welche Armbinden die Kapitäne der Teams verwenden dürfen, sie stellt die Kapitänsbinden zur Verfügung. Die Ermittlungen seitens der UEFA wurden mittlerweile jedoch eingestellt. Wie der DFB mitteilte, wertete der europäische Verband die Binde „als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt“, daher werde es als „good cause“ bewertet.
Normalerweise prangt an Neuers linkem Oberarm eine Binde mit den Farben der Deutschlandflagge. Seit dem letzten Testspiel vor Turnierbeginn gegen Lettland und in beiden deutschen EM-Spielen gegen Frankreich und gegen Portugal jeweils in München, trägt Neuer jedoch eine Binde in Regenbogen-Optik. Als Zeichen für mehr Vielfalt und Toleranz. Die Regenbogenfarben sind das Symbol der LGBTQI*-Community.
Nach Bekanntwerden der Überprüfung hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) darauf verwiesen, dass der Juni auch im Sport im Zeichen von „Pride“ stehe, um sich für mehr Vielfalt stark zu machen. Während des „Pride Month“ im Juni demonstrieren weltweit Millionen Menschen für die Rechte der LGBTQI*-Community. Neuer trage diese Kapitänsbinde als Zeichen und „klares Bekenntnis der gesamten Mannschaft für Diversität, Offenheit, Toleranz und gegen Hass und Ausgrenzung. Die Botschaft lautet: wir sind bunt!“
Homosexualität findet im männlichen Profifußball quasi nicht statt. Umso erfreulicher ist es, dass dieses kleine Stück Stoff an Neuers Arm nun offenbar eine so große Debatte zu sexueller Vielfalt angestoßen hat. Zwar versuchen Fußballverbände wie die UEFA Politisches aus dem Spiel raus zu halten, doch das gelingt immer weniger. Schließlich ist Fußball mit seiner enormen gesellschaftlichen Präsenz, seinem Vorbildcharakter besonders für junge Menschen und seiner Verantwortung längst ein politischer Raum. Besonders auch die Spieler beziehen immer öfter öffentlich Positionen zu gesellschaftlichen Themen. Jede Diskussion über geschlechtliche Vielfalt ist hilfreich, wenn sie konstruktiv geführt wird.
Allianz-Arena in Regenbogenfarben?
Ein weiterer, für den Fußball ungewohnt progressiver Vorschlag, kommt derweil aus München, dem deutschen Austragungsort dieser dezentralen EM: Der Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD) möchte die Allianz Arena im EM-Gruppenspiel Deutschland gegen Ungarn am kommenden Mittwoch, 23. Mai, in Regenbogenfarben erleuchten zu lassen. Bisher hat die UEFA dazu noch nichts entschieden.
Hintergrund ist das vor kurzem von Ungarn verabschiedete Anti-LGBTQI*-Gesetz, das eine Informationsweitergabe an Kinder und Jugendliche zu den Themen Homosexualität und Transsexualität verbietet. Das geplante Gesetz sieht ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhalten vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll jede Art von Werbung verboten werden, in der homosexuelle, transsexuelle und queere Menschen als normal dargestellt werden. Sollte die Münchner Arena am Mittwoch also in Regenbogenfarben leuchten, wäre das ein klares Zeichen gegen die homo-und transfeindliche Politik in Ungarn unter dem rechtsnationalen Viktor Orban.
„Wichtig ist allerdings, dass die Menschen diese Symbolik nicht nur wahrnehmen, sondern auch verstehen, was sie bedeutet“, merkt Thomas Hitzlsperger gegenüber dem DFB an. „Die Regenbogenflagge darf im Umkehrschluss nicht inflationär benutzt werden. Sonst nutzt sie sich als Zeichen schnell ab.“ Hitzlsperger, ehemaliges Mitglied der deutschen Nationalmannschaft, ist einer der wenigen Profifußballer, der seine Homosexualität öffentlich gemacht hat. Seither ist er eine der wichtigsten Stimmen für Sichtbarkeit und Tolerant von sexueller Vielfalt im Fußball.
Hitlergruß, Affenlaute und Homofeindlichkeit: Die ungarischen Nazi-Ultras „Carpathian Brigade“
Und dennoch wäre ein in Regenbogenfarben erleuchtetes Stadium, in der die ungarische Mannschaft spielt, ein gutes Signal, an Orban aber auch an die ungarischen Fans. Die machten erst jüngst unrühmliche Schlagzeilen: Beim letzten Spiel der Ungarn gegen Frankreich in Budapest wurden französische Spieler rassistisch beleidigt. Kylian Mbappe, Schwarzer französischer Nationalspieler, musste sich Affenlaute von der Tribüne anhören, wenn er am Ball war. Karim Benzema, Stürmer mit algerischen Wurzeln, wurde ebenfalls beschimpft. Bereits beim ersten Gruppenspiel in Budapest der Ungarn gegen Portugal soll der portugiesische Superstar Cristiano Ronaldo von manchen Zuschauern angefeindet worden sein. Auch der Hitlergruß sei laut Augenzeugenberichten gezeigt worden und homofeindliche Aussagen seien gefallen.
Verantwortlich dafür soll die „Carpathian Brigade“ sein, ein Zusammenschluss eigentlich verfeindeter Ultragruppen, die jedoch für die Nationalmannschaft „gemeinsam für Ungarn“ im Stadion stehen. „Das ist eine paramilitärische Gruppe, die aus Neonazis besteht. Sie sind die gewalttätigste und auch einflussreichste Gruppe in der Kurve“, so Bálint Josá, Gründer der Organisation „Szubjektív Értékek Alapítvány“ („Stiftung für subjektive Werte“) aus Budapest 2016 in einem Interview mit Vice zu „Carpathian Brigade“.
Am Sonntag teilte die UEFA mit, dass die sie Berichte über Diskriminierungen am EM-Spielort Budapest untersuchen wolle. Ein Ermittler sei eingesetzt worden, um eine Untersuchung hinsichtlich „potenziell diskriminierender Vorfälle“ zu beleuchten.