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Erinnerungskultur Köln lässt Völkermord-Mahnmal abtransportieren 

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Noch am 24. April wurden den Opfern des Genozids an den Armenier:innen. Wenige Tage später wird das Mahnmal von der Stadt zum vierten mal abgebaut. (Quelle: Herby Sachs)

Das Mahnmal, das an die Vertreibung und Vernichtung von Armenier:innen, Aramäer:innen, Assyrer:innen und Pontos-Griech:innen erinnern soll, wird seit 2018 zum Gedenktag des Völkermordes an der Hohenzollernbrücke am 24. April aufgebaut, gegenüber einem Denkmal für Kaiser Wilhelm II. Der war nicht nur verantwortlich für den Völkermord an den Herero und Nama, sondern akzeptierte auch den Genozid an den Armenier:innen. Wegen einer fehlenden behördlichen Genehmigung wird das Mahnmal, eine 1,50 Meter hohe Skulptur mit dem Titel „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ aufgebaut und wenige Tage später von der Stadt immer wieder entfernt.

Noch am Vortag hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gemeinsam mit der Grünen Landtagsabgeordneten Berivan Aymaz das armenische Mahnmal am Rheinufer besucht und Blumen niedergelegt. Wegen ihres Mutes, ihrer Solidarität mit dem armenischen Schicksal werden die türkeistämmigen bzw. kurdischen Grünen-Politiker:innen seit Jahren massiv bedroht. Cem Özdemir kann schon seit Jahren in Berlin nicht mehr Taxi fahren. Zu häufig wurde er wegen seines Kampfes für die Anerkennung des türkischen Völkermordes an den Armeniern von türkeistämmigen Taxifahrern bedroht. Und Berivan Aymaz ist seit Jahren gleichermaßen Attacken von erdogantreuen deutschen Türken sowie türkischen Medien wie auch von der AfD ausgesetzt.

Aber es hat hat nicht geholfen: Keine zwei Tage später kamen Ordnungsamt, Polizei und ein Gabelstapler und transportierten das armenische Denkmal unweit des jüdischen Maaloth-Denkmals ab.

Das „Nie wieder“ muss jeden Tag erkennbar sein

Selbst die Anfänge der Räumung des Denkmals war gleichermaßen unangemessen wie peinlich: Übereifrige Mitarbeiter des Ordnungsamtes gerieten in eine gänzlich überflüssige Auseinandersetzung mit einem 66-jährigen, erkennbar hörbeeinträchtigten kurdischen Kölner. Schließlich lag dieser, der zum Kölner Freundeskreis Dogan Akhanlis gehörte, auf dem Boden. Erst als wenig später die Polizei erschien beruhigte sich die Situation.

Der armenischstämmige Kölner Rechtsanwalt Ilias Uyar, seit Jahrzehnten gemeinsam mit Akhanli in Köln im Kampf um die Anerkennung des Völkermordes engagiert, erinnerte während des Abtransportes des Mahnmals an die lange Geschichte des Kölner Mahnmals: Seit Jahren sei er von den Verantwortlichen der Stadt vertröstet worden. Die Erinnerung und die Forderung des „Nie wieder“ sei keine Angelegenheit eines Tages. Dieses müsse an jedem Tag erkennbar, in die alltägliche Erinnerung eingebunden sein, um in eine gemeinsame, bessere Zukunft zu weisen. Nach vier Jahren vergeblichen Bemühens habe man das Mahnmal noch einmal am Fuße der Hohenzollernbrücke aufgebaut – und diesmal stehen gelassen.

Einhaltung der wegerechtlichen Vorschriften

Es gab juristisch einen negativen Bescheid, unter Verweis auf das Straßenrecht: Bei allem „Verständnis für das Anliegen“ habe „die Einhaltung der wegerechtlichen Vorschriften Vorrang“, hieß es wörtlich. Wer die Lage des Mahnmals kennt bzw. auf Fotos sieht kann bestenfalls amüsiert sein: Dort existiert kein Weg – dahinter befindet sich eine Brückenbrüstung, darunter befindet sich zehn Meter tiefer das Rheinufer Die Initiative Völkermord erinnern um Uyar legte umgehend Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein.

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In der Stellungnahme der Stadt wurde wenig verklausuliert mitgeteilt, dass das Thema „auch angesichts der Vielzahl türkischer Mitbürger“ brisant sei. Bereits 2012 hatten türkische Gruppierungen gegen eine armenische Erinnerung auf einem armenischen Gräberfeld auf einem Friedhof in Köln-Brück polemisiert. „Auf eine Aufstellung im öffentlichen Straßenland war aufgrund des hohen Konfliktpotenzials bewusst verzichtet worden“ teilte die Stadt Köln selbst mit.

Als Bundesminister Cem Özdemir von der Räumung erfuhr war er empört – und erkennbar innerlich erschüttert. „Das Zurückweichen der liberalen Demokratien, aus Angst vor den großen und kleinen Diktatoren und ihren hiesigen Vertreter:innen“ müsse „endlich ein Ende haben“, schrieb er auf Twitter.

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„Dass das Mahnmal zunächst stehen blieben könne…“

Laut Uyars Darstellungen informierte das Rechtsamt der Stadt den Anwalt der Initiative „Völkermord erinnern“ noch Freitags um zehn Uhr morgens, „dass das Mahnmal zunächst stehen bleiben“, und dass die Initiative es selbst abbauen könne. Dafür räume die Stadt der Initiative mehr als drei Tage ein. Zwei Stunden später galt diese Zusage nicht mehr. Die Räumung wurde in die Wege geleitet, Ordnungsamt und Polizei erschienen. Auf diesem Wege werde, so Ilias Uyar, das erste deutsche Mahnmal, das die Mitverantwortung des Deutschen Reiches und Kaiser Wilhelm II. – dessen Reiterdenkmal 30 Meter neben dem Mahnmal steht – betont, einfach abtransportiert.

Hiervon werde sich die Mahnmal-Initiative jedoch nicht unterkriegen lassen, betonte Uyar. Man werde nicht aufgeben, werde weiterhin für die Erinnerung kämpfen. Kölner Bürger, denen an der Erinnerungsarbeit liegt, sollten weiterhin die Stadt Köln und die politischen Parteien anschreiben, sollten weiterhin gegen den Abtransport der Erinnerung protestieren.

Die Grüne Landtagsabgeordnete Aymaz reagierte erschüttert: Der Abtransport des armenischen Mahnmalsr sei „verstörend“ und für die „Angehörigen der armenischen Community sicherlich zudem ganz besonders verletzend.“ Sie vermöge nicht nachzuvollziehen, dass die Verantwortlichen der Stadt Köln in vier Jahren nicht fähig waren, eine „Lösung mit den Initiatoren“ zu finden, betonte sie.

Das „ermahnende Erinnern an den Genozid an den Armeniern“ brauche „einen dauerhaften Platz in unserer Erinnerungskultur, und auch in unserer Stadt“, so Aymaz.

„Das hochbrisante Thema der Aufstellung eines Mahnmals“

Köln hatte bereits 2018 zugesagt, einen gemeinsamen Antrag in den Kölner Stadtrat einzubringen. Geschehen ist seitdem städtischerseits nichts. Noch 2021 informierte die Initiative in einem allen Parteien und der Stadt zugeschickten Brief über die zahlreichen vergeblichen Versuche, einen dauerhaften Ort für das armenische Mahnmal zu finden. Dieses Anliegen wurde von einer großen Anzahl Kölner Persönlichkeiten und Gruppierungen ausdrücklich unterstützt. Alles vergeblich.

In einem an das Verwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz der Stadt Köln vom 2. Mai 2022 hat diese aus ihren politischen Motiven für die andauernde verweigerte Erinnerung an den türkischen Völkermord, in dem das Kaiserreich involviert war, kein Geheimnis gemacht: „Die politischen Fraktionen der Antragsgegnerin [Stadt Köln] haben im Jahre 2017 intensiv und kontrovers über das hochbrisante Thema der Aufstellung eines Mahnmals zur Erinnerung an die Opfer des Völkermordes an den Armeniern diskutiert. Nach langer Auseinandersetzung dieses auch angesichts der Vielzahl türkischer Mitbürger in Köln sehr sensiblen Themas…. Auf eine Aufstellung im öffentlichen Straßenland war aufgrund des hohen Konfliktpotentials bewusst verzichtet worden.

Foto oben: (c) Herby Sachs

 

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