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Erster AfD-Bürgermeister Das ist nur die Spitze des Eisbergs

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Deutschlands erster gewählter AfD-Bürgermeister: Hannes Loth (Quelle: picture alliance/EPA/Filip Singer)

Eine Woche, nachdem im thüringischen Landkreis Sonneberg der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Stichwahl um das Amt des Landrats gewonnen hatte, wurde der AfD-Landtagsabgeordnete Hannes Loth zum ersten AfD-Bürgermeister gewählt, diesmal in Raguhn-Jeßnitz, Sachsen-Anhalt, im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Er hat sich im zweiten Wahldurchgang gegen den parteilosen Nils Naumann durchgesetzt. Loth ist damit der erste gewählte hauptamtliche AfD-Bürgermeister Deutschlands.

Das sei aber nur die Spitze des Eisberges, befürchtet Olaf Ebert, Geschäftsführer der ostdeutschlandweit tätigen Stiftung Bürger für Bürger, gegenüber Belltower.News. Er ist in der Region geboren und beobachtet die Entwicklungen schon jahrelang. Für ihn kommt der Wahlerfolg der AfD nicht überraschend. „Aber ich bin dennoch erschrocken“, da er sich große Sorgen über die Folgen der Wahl mache. Der Erziehungswissenschaftler befürchtet weitere Gewinne der AfD auf allen politischen Ebenen.

Mit 51 Prozent der Stimmen gewann der 42-jährige AfD-Politiker Loth die Wahl in der zweiten Runde. Knapp 100 Stimmen haben den Ausschlag für Loth gegeben. Die Wahlbeteiligung betrug den Angaben zufolge 61,51 Prozent. 7.779 Menschen waren wahlberechtigt.

Loth will dafür sorgen, dass mehr Gewerbe-Investitionen in die Region kommen. „Der Erfolg dürfte sich in Grenzen halten“, glaubt jedoch Torsten Hahnel, Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt. „Erstens hat der Bürgermeister einer Kleinstadt mit 8.000 Einwohner*innen auch hier nur begrenzte Möglichkeiten. Zweitens steht die AfD für Abschottung und Rassismus, das dürfte potentielle überregionale Investoren eher abschrecken als anziehen“, so Hahnel gegenüber Belltower.News.

 Der Gegenkandidat in der Stichwahl war der parteilose Nils Naumann (31). Er nimmt seine Niederlage erstaunlich gelassen. Für ihn spiele es keine Rolle, ob es künftig einen AfD-Bürgermeister gibt. Er möchte mit seiner Stadtratsfraktion zukünftig mit dem AfD-Bürgermeister zusammenarbeiten. Beide kennen sich seit 20 Jahren. „Hannes Loth ist wirklich einer von hier und möchte auch was für die Bürger erreichen“, sagt er im Deutschland Funk. Man bekommt den Eindruck, als wären die Unterschiede zwischen beiden gar nicht so sehr groß – von einer demokratischen Brandmauer ganz zu Schweigen.

Wer ist Hannes Loth?

Loth sitzt seit 2016 für die AfD im Magdeburger Landtag. Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt hat den AfD-Landesverband im Januar 2021 als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. „Die AfD ist in Sachsen-Anhalt eine extrem rechte Partei mit antidemokratischen und menschenfeindlichen Positionen“ erinnert Torsten Hahnel. Es kann nicht oft genug wiederholt werden. Erst Ende April forderte die AfD beim Landesparteitag in Weißandt-Gölzau (unweit von Raguhn-Jeßnitz), dass Deutschland aus der EU austreten solle. In verschiedenen Reden wurden Politiker*innen der demokratischen Parteien und Pressevertreter*innen beschimpft und zu Feinden erklärt. Und dennoch wählen Menschen einen Politiker aus diesem Landesverband zu ihrem Bürgermeister.

In Raguhn und Umgebung organisierte Loth erst Kundgebungen gegen die Flüchtlingspolitik, dann gegen die Politik in der Corona-Pandemie. Gleichzeitig betrieb er ein Corona-Testzentrum mit mehreren Teststellen. Das Geschäft lief offenbar sehr erfolgreich. Gegenüber der Landtagsverwaltung hat Loth angegeben, so zwischen 80.000 und 120.000 Euro brutto im Jahr verdient zu haben – zusätzlich.

Loth machte Wahlkampf vor allem „mit Themen, die Politikverdrossene ansprechen“, beobachtet Olaf Ebert. Anders als der AfD-Gewinner aus Sonneberg, warb Loth eher mit kommunalpolitischen Themen, aber alles immer garniert mit dem typischen Rassismus und Sozialdarwinismus der AfD.

Interessant ist, dass Loth im Wahlkampf ab Mitte Oktober zu großen Teilen auf das AfD-Logo verzichtete. Sein Slogan lautet seither: „Heimat im Herzen“. Laut mdr habe Loth versucht, die Partei aus dem Bürgermeisterwahlkampf herauszuhalten. Sein Stand im vom extrem rechten Flügel-Netzwerk dominierten AfD-Landesverband sei nicht der Beste. Bei den letzten Vorstandswahlen schaffte er es beinahe nicht mehr in den Landesvorstand.

Was bedeutet die Wahl für die Zivilgesellschaft und die potentiellen Opfer rechter Gewalt in der Region?

Olaf Ebert, befürchtet einen schleichenden Prozess, in dem „zivilgesellschaftlichen Akteuren, die sich für Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte einsetzen, die kommunale Unterstützung schrittweise entzogen wird und dass Menschen und Strukturen, die nicht in das politische Schema der AfD passen, es in der Region zunehmend schwerer haben werden.“ Umso wichtiger sei es nun, diese vielfältigen Akteure, viele seien noch nicht wirklich sichtbar, zu stärken und zu vernetzen.

Auch Torsten Hahnel vermutet, dass „ein AfD-Amtsträger seinen Spielraum im Sinne der antidemokratischen Agenda der Partei nutzen wird, wenn es um kommunale Themen wie dem Umgang mit Geflüchteten oder der Unterstützung alternativer Jugendkulturen geht“. Ganz gleich, ob er unter Parteilogo auftritt, oder seien Mitgliedschaft lieber verschweigt.

Eigentlich müsste das klar sein, aber vielleicht ist es auch nötig, das nochmal zu erwähnen, so Hahnel gegenüber Belltower.News: Die AfD sei eine Partei, die von den Krisen profitiert, indem sie Menschen gegeneinander und gegen demokratische Strukturen aufhetzt. „Diese Partei ist keine Alternative für irgendetwas, sondern schadet den Menschen, den Regionen und dem Land. Sie leugnet die Klimakrise und hat keinerlei umsetzbare Lösungen für dringende gesellschaftliche Probleme. Daher werden die Regionen, in denen die AfD besonders stark ist und sogar Amtsträger*innen stellen kann, früher oder später unter diesem Zustand leiden, von den dringend notwendigen Entwicklungen abgeschnitten und weiter veröden.“

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