Am 15. Mai 2019 wurden Fotos bekannt, die den parlamentarischen Assistenten des Generalsekretärs der Partei „Rassemblement National“ (bis 2018: Front National) im Europaparlament abbilden. Das 2013 aufgenommene Bild zeigt Mitarbeiter Guillaume Pradoura als Karikatur eines orthodoxen Juden verkleidet, mit Hut und Schläfenlocken, wobei er seine Finger in beinahe krallenähnlicher Form gekrümmt hält wie auf Propaganda-Darstellungen aus der NS-Zeit.
Public gemacht wurde das Bild von Sophie Montel, Ex-Europaabgeordnete der Rassemblement National (RN), inzwischen aus der Partei ausgetreten. Sie veröffentlichte das Bild mit dem Hinweis, dass Pradoura, der zu diesem Zeitpunkt als Assistent bei Nicolas Bay, ebenfalls RN-Europaabgeordneter , war, Kontakte sowohl zur „Identitären Bewegung (IB)“ als auch zum Ku-Klux-Klan unterhalte.
Marine Le Pen versucht seit ihrer Wahl zur Front National (FN)-Vorsitzenden vor 8 Jahren, Anfang 2011, die Partei vom rechtsextremen Rand in die politische Mitte zu führen. Ein bürgerliches Image befreit von den verbalen Entgleisungen, allen voran ihres Vaters, schwebt ihr vor. In diesem Zuge wurde nicht nur der Name in Rassemblement National (RN) geändert, sie ließ auch mehrere Mitglieder nach rassistischen und antisemitischen Äußerungen aus der Partei ausschließen. Als im Mai 2019 das Foto von Guillaume Pradoura publik wurde, war dies ein Grund für ein Parteiausschlussverfahren. Neben dem antisemitischen Bild belastet Pradoura auch eine langjährige „Karriere“ in der rechtsextremen Szene Frankreichs.
Guillaume Pradoura verkehrte als junger Mann in der rechtsextremen Szene Frankreichs, hatte etwa Kontakte zur Gruppe „Unité Radicale“, eben jeder Gruppe, von der ein Mitglied sich 2002 für die versuchte Ermordung Jacques Chirac verantwortlich zeigte. Daraufhin wurde die Gruppe verboten. Einige ehemalige Mitglieder gründeten daraufhin den „Bloc Identitaire“, die Keimzelle der „Identitären Bewegung“ in Europa. Guillaume Pradoura gründete 2007 die „Identitäre Bewegung“-Gruppe in Marseille.
Ebenfalls im Jahr 2007 lernt Pradoura in Marseille Jéremy Recagno kennen, einen damals 16-jährigen rechten Skinhead und Kampfsport-Fanatiker. Recagno überfällt 2008 eine Frau maghrebinischer Abstammung und verprügelte 2009 innerhalb von zwei Monaten zwei linke Aktivisten. Kurz darauf wird er festgenommen und kommt in Gefängnis. Pradoura löst sich in dieser Zeit scheinbar von seinem extrem rechten Umfeld und geht nach Paris, wo er Kontakte zum Rassemblement National (RN) knüpft. Recagno kehrt 2010 von einem Freigang nicht ins Gefängnis zurück und setzt sich in die USA ab. Dort wird er Mitglied des Ku-Klus-Klan in Arkansas. Das französischen Rechercheportal Mediapart berichtet 2016 über eine Konversation zwischen Guillaume Pradoura und Recagno. Pradoura zeigt sich erfreut über die erfolgte Flucht, beneidet den Freund um seine Kontakte zum KKK, von dem er dachte, dass er schon gar nicht mehr existiert. Kurze Zeit später, immer noch in 2010, flieht Recagno nach Bulgarien und bittet Pradoura um Hilfe. Dieser rät ihm, nach Absprache mit Borislav Prangov, einem rechtsextremen bulgarischeren Maler, der hauptsächlich Porträts von berühmten nationalen Persönlichkeiten wie Ferdinand Céline und Julius Evola, malt, auf Grund der Zugehörigkeit Bulgariens zur EU, nicht dort zu bleiben. Er verweist ihn an Boyan Rasate, Parteivorsitzender der bulgarischen, rechtsextremen BNU, Anton Rachev und Dimitar Nikolov, Bürgermeister von Burgas. Unter ungeklärten Umständen kommt Recagno 2011 zurück nach Frankreich und wird erneut verhaftet, dann verliert sich seine Spur – sein Anwalt gibt, laut Mediapart, keine Auskunft. Pradoura gibt später, konfrontiert mit dem Vorwurf der Fluchthilfe, gegenüber dem Magazin an, dass er aus einem väterlichen Reflex helfen wollte und keinen Kontakt mehr zu Recagno habe.
Zwei Jahre später, 2013, wird das Foto von Pradoura in antisemitischer Verkleidung geschossen.
2014 erreicht Pradoura den bisherigen Höhepunkt seines beruflichen Werdegangs – er wird Assistent des französischen Europaabgeordneten Nicolas Bay, Generalsekretärs von „Rassemblement National“.
Im Januar 2019 kommt das antisemitische Foto in die Öffentlichkeit. Nur zwei Tage nach dem Bekanntwerden des Bildes feuert der Le Pen-Vertraute und RN-Europaparlamentarier Steeve Briois Guillaume Pradoura – per Twitter. Ein Parteiausschlussverfahren wurde eingeleitet. Von Pradoura gibt es bis heute keine Äußerungen dazu, sein Vorgesetzter Nicolas Bay deklariert es als Privatsache und bezeichnet es als „schlechten Humor“, hatte dann aber offenkundig Angst vor dem sich abzeichnenden Skandal (vgl. Blick nach rechts).
Damit hätte Pradouras politische Karriere beendet sein können. Stattdessen taucht Guillaume Pradoura nun aber als Mitarbeiter eines deutschen-EU-Abgeordneten der AfD auf der Europaparlaments-Website wieder auf: Er arbeitet nun im Büro des sächsischen Anwalts Maximilian Krah.
Wie ist dieser Kontakt entstanden? Warum stellt Krah einen Mitarbeiter ein, der selbst dem Rassemblement National zu antisemitisch erschien? Dies haben wir Maximilian Krah gefragt, bisher allerdings keine Antwort erhalten.
Pradoura muss jedenfalls seinen alten Arbeitgeber nicht vermissen: Die AfD hat ja mit dem RN und anderen rechten europäischen Parteien die Fraktion „Identität und Demokratie“ gegründet. Nicolas Bay, Pradouras ehemaliger Vorgesetzter, sitzt weiter im Europaparlament für den RN und ist Teil der Fraktion.
Update 01.08.2019
Maximilian Krah hat sich zwar nicht gegenüber Belltower.News zu Guillaume Pradoura geäußert, aber auf Twitter:
Damit hat Krah nun bestätigt, dass er Pradoura eingestellt hat – und dass er mit antisemitischen Humor offenbar kein Problem hat. Anders als die französischen Rechtspopulist*innen des Rassemblement National, die Pradoura ja deshalb entlassen hatten. Pradouras Kontakte zur rechsextremen Organisationen thematisiert Krah hingegen gar nicht.