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Europawahl 2019 Die Parteienlandschaft rechtsaußen in Frankreich

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Zur Situation in Frankreich vor der EU-Wahl. (Quelle: Pixabay)

Am 26. Mai 2019 finden die EU-Wahlen statt. Um einen möglichst umfangreichen Überblick über die rechte Parteienlandschafts Europas zu geben, haben wir mit europäischen Jounalist*innen und Initiativen in den verschiedenen EU-Ländern gesprochen. Wir haben sie unter anderem gefragt, wie die jeweiligen Parteien die EU verändern wollen und gegen welche marginalisierte Gruppen sich ihr Hass hauptsächlich richtet.

Die Fragen zu Frankreich beantwortete uns Jean-Yves Camus, Rechercheur für die Fondation Jean Jaurès.

.Die nationale und die extreme Rechte in Frankreich treten gespalten zur Wahl der französischen Abgeordneten im Europaparlament am 26. Mai an. Auf der Liste der Kandidat*innen, die das französische Amtsblatt Journal Officiel am 4. Mai veröffentlichte, finden sich folgende Listen :

Liste 2: Une France royale au cœur de l’Europe („ Ein königliches Frankreich im Herzen Europas“)

Die Liste wird von der royalistischen Partei Alliance Royale angemeldet, die 2001 von Yves Marie Adeline (geb. 1960) gegründet wurde. Adeline lehrt aktuell politische Ideengeschichte an der ISSEP, der von Marion Maréchal, Nichte von Rassemblement National-Chefin Marine Le Pen gegründeten, neurechten Privathochschule. Adeline hatte zuvor im Milieu der Legitimisten von sich reden gemacht, einer Untergruppe der monarchistischen Strömung in Frankreich, die einzig die Monarchie als legitime Herrschaftsform anerkennt, und war dann Privatsekretär für den ehemaligen Minister Jean Arthuis im Rat des Departements Mayenne gewesen. 2008 folgte Adeline Pierre Bernard an die Spitze der Partei, ehemaliger Bürgermeister von Montfermeil und immer wieder als parteiloser Rechter („divers droite“) zum Abgeordneten gewählt. 2004 gründete Bernard die Bewegung France debout (Frankreich, steh auf !) und war an Debatten rund um die katholisch-traditionalistischen Organisationen Centre Charlier und ICHTUS beteiligt.  Die Liste wird angeführt von Robert de Prévoisin, dem aktuellen Generalsekratär der Alliance Royale und „divers-droite“–Abgeordneten in Cussey.

Die Alliance Royale tat sich zunächst durch Support für die Demonstrationen gegen die Ehe für Alle und dann für die Gelbwesten-Bewegung hervor. Die Partei unterstützt keinen einzelnen Anwärter auf den Thron und sieht, im Gegensatz zur Action française, im monarchistischen Vordenker und Antisemiten Charles Maurras nur einen unter vielen Beitragenden zum royalistischen Denken. Sie lehnen Nationalismus als eine Radikalisierung der republikanischen Idee der Nation ab und sind auch nicht grundsätzlich demokratiefeindlich eingestellt, wenn diese eine „gerechte Repräsentation der konstitutiven Teile des gesellschaftlichen Körpers“, wenn diese vorsehe: das Recht auf „Volksbegehren“ und „eine unabhängige, souveräne Autorität, die Gerechtigkeit garantiere“ – im vorliegenden Fall : den Souverän. Die Alliance Royale verteidigt eine „traditionelles“ Familienbild, also die Ehe ausschließlich zwischen Mann und Frau und das „Recht auf Leben“. Sie sieht Frankreich als auf dem Katholizismus gegründet, ohne allerdings den Rahmen des Laizismus abzulehnen. In Fragen der Immigration nimmt sie eine Mittelposition ein zwischen der Berücksichtigung der Menschenwürde jener Menschen, die nach Frankreich kommen, und der Auseinandersetzung mit dem Risiko von „schwerwiegenden Brüchen“, die sie für die französische Gesellschaft darstelle. Bemerkenswert ist außerdem, dass sich auf Platz 11 der Liste Nicolas Zahar befindet, der 2017 gemeinsam mit Jean-Marie Le Pen und Carl Lang für die Parti de la France bei der Parlamentswahl angetreten war.

Liste 3 : La Ligne Claire („Die Klare Linie“)

Der Schriftsteller Renaud Camus hat es geschafft, eine Liste aufzustellen, deren Losungen der Kampf gegen den „Großen Austausch“ und die „Remigration“ nicht-europäischer Ausländer sind, also ihre Rückkehr in ihr „Herkunftsland“. La Ligne claire ist eine Initiative, die sich im Januar 2019 in Marseille auf einer Zusammenkunft der kleinen, souveränistischen Partei SIEL (Souveraineté, identité et libertés – Souveränität, Identität und Freiheiten) gegründet hat. Sie ist im ganzen politischen Feld den Thesen der „Identitären Bewegung“ am nächsten. In seiner Rede vom 16. Janaur in Marseille nannte Renaud Camus seine Gegner „die Kräfte des Austauschs, jene, die ethnischen Austausch wollen und vorantreiben, die Veränderung des Volks und der Zivilisation, den Großen Austausch“; die „Davokratie“, will heißen, die Gruppe aller, die sich auf dem jährlichen Wirtschaftsforum in Davos treffen: „die großen Schatzmeister, die großen Finanziers, die Vorsitzenden der multinationalen Unternehmen, die Besitzer und Geschäftsführer der Medien, die GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon), kurz : alle Kräfte, die – durch die UNO, durch die EU in ihrer aktuellen Form, durch den Pakt von Marrakesch –  unablässig am Erdrutsch der Migration arbeiten, an der demographischen Überflutung, am Genozid durch Austausch“.

Auf Platz zwei der Liste steht Fiorina Lignier, die „identitäre“ Aktivistin aus Amiens, die bei einer Gelbwesten-Demonstration ein Auge verloren hat. Ihr folgt der Vorsitzende von SIEL, Karim Ouchickh, der seit 2017 als Fraktionsloser im Parlament der Region Ile de France sitzt, nachdem er zuvor auf einer Liste der Front National dorthin gewählt worden war. Die Liste umfasst auch andere ehemalige Abgeordnete oder Kandidat*innen der FN (Hughes Sion; Ariane Blomme; Emilie Gouthier; Catherine Dorten) sowie Personen aus dem Umfeld der rechten Website Riposte laïque (Bruno Lafourcade ; Martine Pincemin ; Elisabeth Lalesart ; Josiane Filio), auch wenn einige ihrer Autoren zur Wahl der Liste des Rassemblement national aufgerufen haben.

 

Liste 7: Ensemble patriotes et Gilets jaunes : pour la France, il faut sortir de l’Union européenne (Vereinigung der Patrioten und Gelbwesten : Frankreich muss die EU verlassen)

Diese Liste wird angeführt von Florian Philippot und versammelt die Aktiven der Bewegung Les Patriotes, die er nach seiner Trennung von der Front National gegründet hatte – erweitert um etwa 10 Mitglieder der Gelbwesten, darunter ihr Medienstar Jean-François Barnaba, der für die vorher getrennt angetretene Liste „Jaunes et Citoyens“ verantwortlich war.

Ihre Spezifik liegt in ihrer entschieden souveränistischen Ausrichtung. Im Unterschied zum Rassemblement national denken Les Patriotes weiterhin, dass ein EU-Austritt eine unabdingbare Voraussetzung für die Wiedererlangung nationaler Souveränität sei.

Die Liste liegt in den Umfragen bei etwa einem Prozent der Stimmen und läuft Gefahr, ihre aktuell drei Sitze im EU-Parlament – alle ursprünglich für die FN gewonnen – zu verlieren.

Liste 10: Liste de la Reconquête (Liste der Rückeroberung)

An der Spitze dieser Liste der radikalen nationalistischen Rechten steht Vincent Vauclin aus Rouen, Kopf der Bewegung La Dissidence française, die 2011 gegründet wurde und seit Oktober 2018 als politische Partei registriert ist. Die Charta der Bewegung nimmt Bezug auf die „Blut-und-Boden“-Doktrin, was erlaubt, sie der völkischen Strömung zuzuordnen – ohne jedoch ihre Bezüge zu einem Aristokratismus in der Tradition Julius Evolas zu vertuschen. So will La Dissidence française „eine Kampfgemeinschaft [schaffen], die darauf abzielt, all jene zu versammeln, die vorhaben, ihr Erbe zu verteidigen, im Angesicht der Angriffe durch Kapitalismus, Moderne und kosmopolitischen Globalismus“. Die Partei setzt auf die „eurasische Idee“ nach Alexander Dugin und ist für eine „Remigration“ und das Ende der multikulturellen Gesellschaft, sowie für einen Austritt aus NATO, EU und Freihandelsabkommen. Sie widersetzt sich der Ehe für alle und verleiht ihrer (verschwörungsideologisch unterfütterten) Feindschaft zum „Freimaurertum“ deutlich Ausdruck.

Auf Platz zwei der Liste findet sich Nicole Mina, die auf dem Ticket der Front national in den Regionalrat des Departements Occitanie gewählt wurde und bis Afang 2019 noch Mitglied des Rassemblement national war. Zwei andere ehemalige RN-Abgeordnete auf der Liste, Damien Lenoir und Baptiste Gueudi, die im Stadtrat von Le Havre sitzen, hatten bereits im Herbst 2018 ihren Weggang in Richtung La Dissidence française bekannt gegeben. Mehrere Kader der Parti de la France (Bruno Hirout ; Guillaume Aguillé ; Quentin Douté) haben sich diesem Versuch angeschlossen, für die Wahl einen Zusammenschluss der radikalen Rechten zu organisieren, ebenso wie François Galvaire aus Bordeaux, Gründer einer lokalen Splittergruppe names La Meute.

Liste 15: Le courage de défendre les français avec Nicolas Dupont-Aignan. Debout la France-CNIP (Centre national des indépendants et paysans) (Der Mut, Frankreich zu verteidigen mit Nicolas Dupont-Aignan. Steh auf, Frankreich und Nationales Zentrum der Unabhängigen und Bauern)

Diese souveränistische Liste, die Nicolas Dupont-Aignan, Abgeordneter aus dem Departement Essonne, anführt, hat dem Gelbwesten-Medienstar Benjamin Cauchy einen Platz eingeräumt. Cauchy hat am 11. Mai an einer Veranstaltung in Toulouse teilgenommen, die von der den „Identitären“ nahestehenden „alternativen“ Website Infos Toulouse organisiert wurde, und an der auch der Chefredakteur der neu-rechten Zeitschrift Eléments, François Bousquet, und Xavier Eman, Verantwortlicher für die nationalistische Literaturzeitschrift Livr’ Arbitres, teilgenommen hatten. Mehrere ehemalige FN-Abgeordnete stehen auf der Liste, etwa Florence Italiani und Thierry Gourlot, aber nicht der aktuell im EU-Parlament sitzende Bernard Monot, der auf dem Ticket des FN gewählt worden war, bevor er sich wieder Debout la France anschloss.

Nicolas Dupont-Aignan wie auch Florian Philippot buhlen um die Stimmen der Souveränisten in Konkurrenz mit der Liste Ensemble pour le Frexit (Gemeinsam für den Frexit), die von François Asselineau im Namen der Union Populaire Républicaine gesteuert wird.

Liste 23: Prenez le pouvoir, liste soutenue par Marine Le Pen (Nehmen wir uns die Macht ! Liste unterstützt von Marine Le Pen)

 Die Liste des Rassemblement national hat einige Europaabgeordnete, die 2014 gewählt wurden, aufgestellt (Marine Le Pen; Wallerand de Saint-Just ; Dominique Martin ; Philippe Loiseau), während andere nicht wieder antreten, etwa Jean-Marie Le Pen ; Bruno Gollnisch ; Marie-Christine Arnautu ; Marie-Christine Boutonnet ; Jacques Colombier ; Jean-Luc Schaffhauser und Steve Briois. Deshalb haben eine Menge neuer Kandidaten gute Aussichten, in der nächsten Legislaturperiode einen Sitz im EU-Parlament zu erreichen.

Liste 27: Evolution citoyenne

Angemeldet von der Gelbwesten-Bewegung, genauer gesagt vom Kopf der Liste, Christophe Chalençon, lässt sich diese Initiative nicht wirklich als Teil der nationalen Rechten klassifizieren, und verortet sich überhaupt nicht auf der extremen Rechten. Als mögliche Konkurrenz für die souveränistischen und populistischen Listen wird sie hier trotzdem aufgeführt. Andererseits gab es im Februar 2019 ein Treffen zwischen Chalençon und dem Anführer des rechten italienischen Movimento 5 Stelle, Luigi di Maio. Darüber hinaus ist auf Listenplatz drei Brice Blazy zu finden, der 2014 auf der rechten Liste des parteilosen Robert Ménard ins Stadtparlament von Béziers gewählt worden war, wo er das souveränistische Rassemblement pour la France (RPF) vertrat. Eher aus der Rechten in der Tradition Nicolas Sarkozys stammend, hatte Blazy im Oktober 2014 die Mehrheitsfraktion und 2016 schließlich den Stadtrat ganz verlassen.

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