Die Entscheidung des Dresdener Verwaltungsgerichtes war schnell und eindeutig: Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FdGO), das seit 2010 vom Bundesfamilienministerium gefordert wird, ist rechtens. Aber die Forderung, dass Projekte auch all ihre Partner*innen auf deren Verfassungstreue überprüfen müssen und gegebenenfalls belangt werden können, falls das Ministerium mangelnde Verfassungstreue sieht, ist rechtswidrig, entschied nun das Gericht.
Es gab damit den Initiativen recht, die diese Überprüfung als völlig undurchführbar ablehnten – einmal abgesehen von der Misstrauensvermutung, die damit gegen alle Menschen ausgesprochen wird, die sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagieren. In Sachsen muss sich seit 2010 auch jeder einzelne Kooperationspartner einer Initiative gegen Neonazis schriftlich zur FdGO bekennen. Wer nicht unterschreibt, erhält derzeit kein Geld und macht sich aus Sicht der Bundesregierung politisch verdächtig. „Eine solche gegenseitige Überprüfung stellt die Vertrauensgrundlage für unsere bisher erfolgreiche Demokratiearbeit in Frage“, sagt Steffen Richter, Vorsitzender des AKuBiZ,: „Dass nun genau diejenigen, die tagein, tagaus für Demokratie und Menschenrechte streiten, die ersten sind, die unter einen Generalverdacht gestellt werden, ist nicht hinnehmbar.“ Deshalb ging der Verein vor Gericht.
Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
Rechtsanwalt Robert Uhlemann, der das AkuBiZ vor Gericht vertritt, erklärte im Vorfeld: „Den Antragstellern wird durch Satz 2 in rechtswidriger Weise die Pflicht auferlegt, bei den geförderten Maßnahmen mitwirkende Partner hinsichtlich deren Gesinnung zu überprüfen, diese entsprechend dem Prüfergebnis auszuwählen und hierüber Akten zu führen“, kritisiert Robert Uhlemann. „Die Regelung ist zu unbestimmt, verletzt den Verfassungsgrundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, läuft dem Förderzweck zuwider und ist unverhältnismäßig.“
Misstrauen und Bespitzelung
Timo Reinfrank, Politikwissenschaftler und Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, freut sich über den Erfolg: „Die Extremismusklausel ist genau das Gegenteil von dem, was die Initiativen als Unterstützung verstehen. Die Klausel ist in ihrer Beliebigkeit nicht nur ein Symbol des Misstrauens und der Kontrolle sondern bestätigt auch das Vorurteil, dass Menschen, die sich gegen Rechts engagieren, linksextrem seien.“
Negative Auswirkungen
Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum (AKuBiZ), die Amadeu Antonio Stiftung, die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAKR) fordern die Rücknahme der Extremismusklausel. Schon jetzt, keine zwei Jahre nach der Einführung, zeigen sich die verheerenden Auswirkungen. Vielen Projekten stehen die Bundesfördermittel, in Sachsen auch die Mittel aus dem Landesfördertopf „Weltoffenes Sachsen“, nicht mehr zur Verfügung. Das Ausweichen auf alternative Fördergelder ist nicht immer möglich. Aber auch unabhängig von finanziellen Einbußen, bekommen die Initiativen die negativen Auswirkungen der Klausel zu spüren. Ehrenamtliche beenden ihr Engagement aufgrund des fehlenden Vertrauens, fühlen sich bespitzelt und in ihrer Arbeit nicht gewürdigt. Nicht zuletzt bündelt die Auseinandersetzung mit der Extremismusklausel die ohnehin knappen Ressourcen in den Projekten: Geld, Zeit und Personal fehlen somit in der eigentlichen Initiativarbeit. Nun hoffen die Initiator*innen, dass der Ausgang des Verfahrens den Projekten Sicherheit zurückgibt und ihnen rechtliche Möglichkeiten aufzeigt, sich gegen Misstrauen und staatliche Kontrolle zu wehren.
Mehr im Internet:
Ausführliche Informationen sowie eine Chronik der Ereignisse sind auf der Webseite der Amadeu Antonio Stiftung zusammengestellt.
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