Rebecca Blady hat viel zu tun. Trotzdem nimmt sie sich zwischen Kinderbetreuung, jüdischen Feiertagen und der Organisierung einer fast einmonatigen Veranstaltungsreihe Zeit, um über das „Festival of Resilience“ zu sprechen. Die Rabbinerin aus Long Island, New York wohnt seit zwei Jahren in Berlin und ist Geschäftsführerin von „Hillel Deutschland e.V.“. Die jüdische Bildungsinitiative arbeitet mit zahlreichen Studentenorganisationen zusammen und fördert jüdische Gemeinschaften weltweit. Unter dem Motto „Wir sind stärker zusammen“ organisiert das Hauptprojekt „Base Berlin“ nun zum zweiten Mal das „Festival of Resilience“, in Erinnerung an den Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019. Damals wollte ein schwer bewaffneter Rechtsterrorist die Synagoge stürmen. Er scheiterte, ermordete jedoch die Passantin Jana L. und griff daraufhin den „Kiez-Döner“, wo er Kevin S. erschoss.
„Ich bin nicht mehr die gleiche Person wie vor dem Anschlag“, erzählt Rebecca Blady im Gespräch mit Belltower.News. Trotzdem betont sie, dass sie seither auch viel Heilung und Unterstützung von Menschen erlebt habe. Zum höchsten jüdischen Feiertag, der dieses Jahr wenige Tage vor unserem Gespräch am 15. September stattfand, sagt sie entschlossen: „Yom Kippur fühlt sich wieder an wie Yom Kippur. Jede Person geht anders mit dem Geschehen um. Für mich persönlich entstand das Gefühl, eine Mission zu haben und gegen solchen Terror zu kämpfen“.
Das „Festival of Resilience“
Das „Festival of Resilience“ begann am 12. September, findet aber auch parallel zum siebentägigen jüdischen Sukkotfest statt – und endet am 9. Oktober, dem Tag des Anschlags in Halle. Neben staatlichen Gedenkveranstaltungen sei es für Blady auch wichtig, die eigene Geschichte darzulegen. „Die Veranstaltung im letzten Jahr war sehr bestärkend für die Teilnehmer:innen und mir war sofort klar, dass wir das Festival wiederholen werden“, erklärt sie. Wichtig sei es allen Betroffenen rechten Terrors, Gehör zu verschaffen für die eigenen Perspektiven. „Mit dem Festival wollen wir als jüdische Community zusammenkommen und feiern, aber auch darüber reflektieren, was es generell bedeutet, verletzlich zu sein in einer Gesellschaft“, so Blady weiter.
Der Fokus des ersten Festivals lag auf widerständige Praxen gegen rechten Terror in der Vergangenheit. Hierfür sprach etwa Faruk Arslan, der bei dem Brandanschlag auf sein Haus in Mölln 1992 seine Mutter, Tochter und Nichte verlor und Solidarität zwischen den Betroffenen rechter Gewalt forderte. Aber auch Anetta Kahane, die die Amadeu Antonio Stiftung gründete und zuvor bereits in der DDR als Bürgerrechtlerin aktiv war, hielt eine Rede. „Solche Persönlichkeiten sind wichtig, da sie Betroffenen rechter Gewalt inspirieren und Mut machen“, erzählt Blady.
Dieses Jahr liegt der Fokus noch mehr auf den Narrativen der Betroffenen rechten Terrors. Zum Programm zählt die „Ceremony of Resilience“, die explizit an den Anschlag in Halle erinnert, aber auch das „Tischreifest“, das mit den Bundestagswahlen zusammenfällt. „Wir möchten diesen Tag mit Musik und Freude begehen und zeigen, dass wir aktive und mitgestaltende Mitglieder der Gesellschaft sind“, so Blady. Außerdem gibt es dieses Mal auch begleitende Workshops, wie etwa zu Krav Maga, einer israelischen Kampftechnik, die im Zeichen der physischen Resilienz steht, oder auch ein Workshop zum Thema „Jüdisch und Intersektionalität“. Außerdem wird die Übersetzung des Talmud ins Deutsche gefeiert. „Endlich kann der Talmud von allen Interessierten studiert werden, ohne erst Hebräisch lernen zu müssen“, sagt Blady mit Begeisterung in ihrer Stimme.
Solidarische Perspektiven gegen rechten Terror
Aufbauend auf dem Netzwerk, insbesondere mit Betroffenen des rechtsextremen Hanau-Anschlags, das durch das erste „Festival of Resilience“ entstand, sollen dieses Jahr die Perspektiven der Überlebenden rechten Terrors stärker im Fokus stehen. „Es bedeutet an mehreren Wahrheiten gleichzeitig festzuhalten, auch wenn das nicht immer leicht ist“, erklärt Blady. Es gehe darum, was eine ständige Bedrohungslage für betroffene Communitys bedeute. „Letztlich gibt es keine einfache Antwort darauf. Es braucht vielmehr einen gemeinsamen Reflexionsprozess unterschiedlicher Betroffenenperspektiven.“
Für Blady ist klar, dass das Narrativ des „einsamen Wolfs“ oder des „Einzeltäters“ nicht haltbar ist. „Solche Taten finden überall auf der Welt statt und speisen sich aus antisemitischen, rassistischen und misogynen Ideologien, die letztlich immer in Gewalt enden“, sagt sie. Und dagegen möchte Blady etwas tun: Widerstand bedeutet für die Rabbinerin, weiterhin engagiert zu bleiben und für die Dinge einzustehen, die einem wichtig sind. Allein die Durchführung einer solchen Veranstaltung sei eine widerständige Praxis und stärke den Zusammenhalt zwischen unterschiedlichen Communitys, indem gemeinsam eine Botschaft in die Öffentlichkeit getragen werde. „Wir verstehen alle, was es bedeutet, ständig bedroht zu sein, und welche Ängste damit verbunden sind. Daher wollen wir uns gegenseitig stärken. Wir werden nicht aufhören zu sein, wer wir sind und wollen dafür sorgen, dass alle so sein können wie sie sind. Niemand kann uns stoppen, egal was sich uns in den weg stellen wird“.
Die Ceremony of Resilience findet am 23. September 2021 im Berliner Club Cassiopeia statt. Mehr Information zum Festival finden Sie hier.