Um 9 Uhr beginnt der Prozess gegen den Angeklagten, der von zwei Anwälten verteidigt wird. Ihm wird vorgeworfen, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet zu haben, indem er „Orte der Andacht“ angreifen wollte. Er wollte, so die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift, eine schwere Straftat gegen das Leben begehen, und habe sich dafür Stoffe und Waffen bzw. Waffenteile beschafft und verwendet. Über das Bauen und Verwenden der Waffen und Teile soll er sich unter dem Pseudonym „Heydrich“ auf den Chat-Plattformen „riot“ bzw. „wire“ der rechtsterroristischen Gruppe „Feuerkrieg Division“ informiert und ausgetauscht haben. Ende Januar 2020 soll er dann in der Gruppe gefragt haben, was er tun könne, um bekannt bzw. beliebt zu werden, er wolle zum „Heiligen“, zum „Saint”, erklärt werden – das ist rechtsextremer Chatgruppen-Slang für jemanden, der als Rechtsterrorist ein Attentat begeht. Diese Vorwürfe ergeben den Straftatbestand der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat, aufgrund dessen es am 05. Februar 2020 zur Festnahme kam. Seiner Verteidigung nach, sind die Vorwürfe „objektiv betrachtet Tatsachen, jedoch nicht aus einer subjektiven Sicht, er meinte all das ja nicht ernst”.
Am ersten Tag des Prozesses, der zunächst auf vier Gerichtstermine angelegt ist, sagen Fabian D.s Mutter, seine Großmutter, sein leiblicher Vater, sein Cousin, vier Arbeitskolleg*innen und der Polizist, der ihn nach seiner Festnahme im Februar vernommen hat, aus.
Austausch mit anderen Mitgliedern der „Feuerkrieg Division“
Fabian D. kommt aus einem kleinen Ort in der Oberpfalz, nahe der tschechischen Grenze. Er ist gelernter Elektriker und eigentlich nie besonders auffällig gewesen. Er war, den Prozess-Zeug*innen des ersten Verhandlungstages zufolge, sehr ruhig, introvertiert und zurückhaltend. Seine Radikalisierung fand wohl vor allem in einer Chat-Gruppe der „Feuerkrieg Division“ statt. Zu der Zeit hatte die Gruppe ca. 30-40 Mitglieder, die überwiegend aus europäischen Ländern kommen sollen. Die Mitglieder tauschten sich darüber aus, mit welchem Werkzeug man verschlossene Türen von Moscheen oder Synagogen öffnen könnte und die Attentäter von Halle und Christchurch waren ein großes Thema, ihre Videos wurden verbreitet. Ein Video aus der Gruppe hat Fabian D. auch seinem Cousin gezeigt, dabei soll es sich um die „Atomwaffen Division” gehandelt haben. Man sieht Männer in Uniform beim Schießen, Fabian D. sagte, sie wären „politisch engagiert”. Der Polizeibeamte, der den Angeklagten im Februar festnahm, sagt aus: „Die sind so weit rechts, dass, wenn es einen Rand geben würde und man würde weiter nach rechts gehen, würde man runterfallen“. Seiner Aussage nach schien der Angeklagte gut zu verstehen, dass das, was er tat oder zumindest versuchte zu tun, nicht in Ordnung war. Eine seiner Bemerkungen sei gewesen: „Stimmt, wenn Außenstehende so etwas sehen würden, könnten sie meinen, man spricht von einem Amoklauf“. Er habe sich auch kooperativ gezeigt und wollte weitere Informationen zu den Chatgruppen geben, in denen er aktiv war. Er erzählte von einem geplanten Treffen mit einem Mann aus Stuttgart, mit dem er sich austauschen wollte. Zu diesem Treffen kam es jedoch nicht.
Fabian D. wohnt mit seiner jüngeren Schwester bei seiner Mutter und seinem Stiefvater, im Keller hat er einen größeren Wohnbereich. Erste Zeugin des Prozesses war die Mutter des Angeklagten. Sie sagt aus, von all dem nichts geahnt zu haben. Sie wusste von Waffen, die sich Fabian D. als „Deko“ angeschafft hatte. Dabei handelt es sich um Attrappen einer Kalaschnikow und einer AK 47. Später waren zwei Luftgewehre und drei Schreckschusspistolen in seinem Besitz, die er sich zu seinen Großeltern liefern ließ oder zu einem von ihm angelegten Postfach.
Seine Mutter sagt aus, kein gutes Verhältnis zu ihrem Sohn zu haben. Bei der Vernehmung beschrieb sie Fabian als „Eigenbrötler“ und sehr zurückgezogen, wenig kontaktfreudig. Besonders viele Freunde habe er noch nie gehabt, höchstens mit den Nachbarskindern habe er gespielt. Als Fabian etwa 8 Jahre alt war, trennten sich seine Eltern, auf der weiterführenden Schule sei er gemobbt und geschlagen worden. Geflüchtet habe er sich in das Lesen oder in Computerspiele, kurz vor seinem 18. Geburtstag war er einige Male bei Therapie-Sitzungen, um eine Spielsucht in den Griff zu bekommen. Weder zu seiner Schwester, noch zu seinem Stiefvater hatte er ein sonderlich gutes Verhältnis. Beide machten Gebrauch vom Zeugnisverweigerungsrecht und wollten sich nicht dazu äußern, „sie wüssten ja sowieso nichts davon“. Das Verhältnis zu seiner Mutter war so schlecht, dass der Angeklagte eine Kamera installierte, „um zu schauen, wann sie ins Zimmer geht und was sie so macht“. Bis dahin schien das Verhältnis zu allen Familienangehörigen sehr kalt und von Desinteresse geprägt zu sein. Lediglich die Großmutter war bewegt und sagte aus, sie habe nichts davon geahnt, welche Postsendungen sie angenommen hatte und dass ihr nichts in diese Richtung aufgefallen ist.
Affinität für Waffen und die Bundeswehr
Immer wieder kam die Frage der Richter, ob die Zeug*innen mit dem Angeklagten über politische Themen, Waffen oder das Dritte Reich gesprochen hatten. Niemandem war etwas Außergewöhnliches oder Besorgniserregendes aufgefallen. Begeistern habe sich Fabian D. nur für Computerspiele und die Bundeswehr können, so die Zeug*innen. Der Weg zu seiner Waffenaffinität ist nicht ganz nachvollziehbar. Seit dem Jahr 2018 allerdings beobachtete die Mutter ein Interesse für die Bundeswehr. Fabian D. habe fast nur noch Kleidung in diesem Stil getragen und wollte sich für die Bundeswehr bewerben. Er bestellte sich ein Camouflage-Zelt und Instant-Nahrung, um damit draußen schlafen und überleben zu können, so die Aussage seines Cousins. Er beschrieb das Verhältnis der beiden als „Hassliebe“ und ein ständiges Auf und Ab der Häufigkeit ihrer Treffen. Manchmal waren sie gemeinsam im Fitnessstudio, allerdings sagt auch er, er hätte nie einen Zugang zu Fabian gehabt. Zuletzt brach der Kontakt ab, als der Angeklagte ein Fake-Profil von seinem Cousin auf Facebook anlegte.
Zwar besitzt der Angeklagte den kleinen Waffenschein, als seine Mutter ihn im Sommer 2018 zu einem Betriebsausflug zu einem Schießstand mitnimmt, reagiert er ihrer Meinung nach aber nicht besonders beeindruckt oder freudig. Der gelernte Elektriker scheint mit der Zeit allerdings ein sehr großes Interesse an Waffen entwickelt zu haben und sei auf die Waffen, die er besaß, stolz gewesen. Er habe damals in Furth im Wald gearbeitet und habe einen älteren Kollegen Zuhause besucht und sich informiert, da dieser einen großen Waffenschein hatte. Von ihm wollte der Angeklagte wissen, ob man Schreckschusswaffen scharf machen könne. Auch sein Cousin erzählt von Situationen, in denen er im Garten der Großeltern schießen wollte oder in denen er Fabian D. mit seinen „Dekowaffen“ fotografieren sollte.
Seine Radikalisierung scheint also niemandem in seinem näheren Umfeld aufgefallen zu sein, obwohl es genug Anzeichen zu Besorgnis gegeben hätte. Vor Gericht kommt ein Vorfall mit einer Kollegin zur Sprache, bei dem Fabian sie gefragt hatte, ob sie Angst vor Messern hätte und dann eins aus seiner Hosentasche zog. Auch die Tatsache, dass er sich das Buch „Mein Kampf“, diverse Bundeswehr-Abzeichen und Patches und schließlich Sturmhauben mit Totenschädel – ein Symbol der „Feuerkrieg Division” – hatte schicken lassen, hätte seinen Cousin stutzig machen können. Nach außen hin, sagten die Zeug*innen, habe es aber so gewirkt, als hätte er diese Waffen und Messer zur Verteidigung. Seiner Mutter soll er gesagt haben, er habe Angst vor den tschechischen Mitarbeitern in seinem Betrieb und fühle sich damit sicherer.