In Deutschland soll er am 24. August starten. Bewusst ist der Termin, ähnlich wie in Frankreich, kurz vor die Bundestagswahlen gelegt. Warum? Weil er eigentlich von rechtspopulistischen Wahlkampfmechanismen erzählt.
„On est chez nous!“
Das Politdrama „Das ist unser Land!“ (französischer Originaltitel: „Chez nous!“) erzählt die fiktive Geschichte der eigentlich liberal eingestellten Krankenschwester Pauline Duhez. Sie lebt im strukturschwachen Norden Frankreichs und steigt im Laufe des Films zum Gesicht der rechtsextremen Partei „National-Patriotische Bewegung“ auf.
Pauline ist aufopferungsvolle Krankenschwester, alleinerziehende Mutter und hat ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater. Der ihr nahe stehende Arzt und Kollege Dr. Berthier (André Dussolier), Parteiveteran der rechtsextremen Partei „Le Bloc“, wirbt sie für eine Kandidatur der „National-patriotischen Vereinigung“ an. Die Schmeichelei gefällt Pauline, sie lehnt das Angebot allerdings aufgrund ihrer eigentlichen liberalen Einstellung ab. Dr. Berthier macht Pauline mit Agnès Dorgnelle (Catherine Jacob) bekannt, der neuen Partei- Vorsitzenden. Die politische Ausrichtung habe sich geändert, die „National-patriotische Vereinigung“ vertrete nicht die rassistischen Inhalte wie es „Le Bloc“ tat. Es gehe darum, einen Unterschied zu machen, etwas zu bewegen.
„Liberté, Égalité, Fraternité“, aber eben ausschließlich für französische Bürger_innen.
Spätestens beim ersten Wahlkampfauftritt Dorgnelles ist klar, wen sie tatsächlich darstellt. Agnès Dorgnelle arbeitet daran, das rechtsextreme und rassistische Image der Partei ihres Vaters umzudeuten. Mit blondem Bob, Anzug, siegessicherem Lächeln tritt sie auf, skandiert patriotische Parolen und erntet tosenden Applaus der Menge. Begleitet wird ihr Auftritt von französischen Fahnen, der Marseillaise und Parolen wie: „On est chez nous!“ („Wir sind bei uns!“). Es geht eigentlich um Marine Le Pen und ihre rechtspopulistische Partei „Front National“.
Rechtspopulistische Headhunter
Pauline ist täglich von Armut und Leid umgeben und empfindet gegenüber der Politik eine passive Ohnmacht. Dass Dorgnelle und Berthier ein Bild der Veränderung und aktiven Teilhabe versprechen, lässt sie schließlich zusagen.
Warum aber gerade sie kandidieren soll, hat andere Gründe. Ebenso wie es auch in der Realität passiert, setzt die fiktive „National-patriotische Vereinigung“ auf moderne Kommunikationsmanager und Wahlkampfstrategien. Die Verantwortlichen sind Headhunter, die nach klar umrissenen Kandidat_innen Ausschau halten. Sie bedienen sich authentischer, sympathischer und „volksnaher“ Figuren, um ihre Wahlen zu gewinnen. Pauline stellt für sie die Inkarnation genau solch einer Figur dar.
Nach und nach offenbart sich Pauline das, was Dorgnelles Bewegung und die Partei eben auch beinhaltet. Sie lässt sich mit rechtsextremen Weltbildern und Neonazis ein. Dies manifestiert der Regisseur in der zeitgleich beginnenden Affäre und Liebes-Beziehung zu Stanko (Guillaume Gouix), Paulines ersten großen Liebe. Stanko integriert sich in die Familie, unterstützt den Alltag mit den Kindern, gibt ihr Halt. Was Pauline bis zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Stanko ist aktiver militanter Neonazi. Training vor Hakenkreuz-Dekoration, regelmäßige paramilitärische Übungen und nächtliche Aktionen, bei denen Menschen schikaniert und verprügelt werden.
Inwiefern genau diese rassistischen Inhalte auch mit der „National-patriotischen Vereinigung“ verwoben sind, ist Thema der komplexe Beziehung Dr. Bethiers und Stankos. Sie kennen sich aus der Partei „Le Bloc“, aus der Stanko als militanter Neonazi flog, weil er unhaltbar wurde.
„Du hättest nur akzeptieren müssen einen Anzug zu tragen, dann wärst du noch bei uns.“
Stankos Rolle im aktuellen Wahlkampf ist eine reale politische Problematik rechtspopulistischer Wahlkampfdebatten. Es ist der Clash rechtspopulistischer Parteien, die auf der einen Seite offen für Neonazis sind, sich selten gegen sie positionieren, während auf der anderen Seite genau diese Neonazis als Problem für ihr „sauberes“ Image darstellen. Dorgnelle möchten das Bild einer jungen, fröhlichen Partei vermitteln, die den Menschen nah ist, einer Partei der Erneuerung. Jemand wie Stanko, Mitglied der Neonazi-Szene, trübt das Image der Seriosität. Jemand, mit dem man sich nicht sehen lassen kann, dem aber Einlass gewährt wird, so lange er sich diskret verhält. Dr. Bethier ist auf der anderen Seite das Paradebeispiel für ein funktionierendes Verschmelzen. Er hat verstanden, wie man sich verhalten und geben muss, um rassistische Programme verbreiten und salonfähig zu bleiben. In einem Gespräch mit Stanko macht er den Marketing-Schwindel deutlich: „Du hättest nur akzeptieren müssen einen Anzug zu tragen, dann wärst du noch bei uns.“
„Das ist unser Land!“ erzählt aus individueller Perspektive, warum ein strukturschwaches Umfeld und der Wunsch nach Zugehörigkeit zum Populismus führen kann. Auch porträtiert er den „Front National“, wie dieser als Marketing-Instrument agiert und Wähler_innen wie Kunden behandelt.
Der Stern veröffentlicht kürzlich das Imagekonzept der AfD. Die von der AfD für die Wahlkampagne beauftragte Werbeagentur diagnostiziert: „Die AfD hat kein Image-Problem…sie hat ein Riesen-Image-Problem. Sie ist das Gegenteil von dem, was sich in der Werbung ein happy product nennt.“ Auch präsentiert sie die Lösungsstrategie und die neue Plakatkampagne: „Wir setzten optisch auf die Buntheit z.B. von populären TV-Formaten wie ‚Bauer sucht Frau‘. Wir kommen wie eine Lifestyle-Kampagne daher, präsentieren uns bewusst harmlos, um die Blockade der bürgerlichen Kreise zu überwinden.“
Unbestreitbare Parallelen. Für Zuschauer, die sich mit dem Thema schon länger beschäftigen dennoch nichts wirklich Neues.
Kinostart des Films “Das ist unser Land!“ ist in Deutschland am 24.08.2017.
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