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Flüchtlingsfeinde und Neonazis online Das Verbreiten von Lügen

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Vielstimmig: Die Hassrede im Internet gegen Geflüchtete. Sexualisierte Gewalt ist dabei auch oft ein Thema. (Quelle: ngn / SR)

Und so wird aktuell von flüchtlingsfeindlicher Seite über alles gelogen, was Emotionen bis hin zu niederen Instinkten ansprechen könnte und zugleich rassistische Klischees verstärkt: »Flüchtlinge dürfen im Supermarkt einkaufen, ohne zu bezahlen!«; »Flüchtlinge essen die Tiere aus unserem Streichelzoo, die Schwäne von unserem See!« Erzählt werden diese Geschichten oft über Facebook, anmoderiert in der Regel als scheinbares persönliches Erleben aus zweiter Hand (»Meine Cousine…«, »Mein Nachbar…«). Es ist schlau, sich nicht selbst als Betroffene_r auszugeben: Denn Lügengeschichten zu erzählen, ist strafbar. Lügengeschichten zu teilen, die ich von einem anderen gehört oder gelesen habe, ist es bisher meistens nicht. Besonders beliebt sind Lügen über sexualisierte Gewalt durch Geflüchtete. Denn das ist nicht nur ein hochemotionales Thema, es spricht zudem eine bestimmte Zielgruppe an. Beim langjährigen Kampagnenthema des Kindesmissbrauchs  hat  die NPD  gelernt, dass sich gerade Frauen besonders gut für Rassismus oder Demokratiefeindlichkeit mobilisieren lassen, wenn die Unversehrtheit ihrer Kinder – oder ihre eigene – in Gefahr scheint. Wenn es um angebliche sexualisierte Gewalt geht, fordern auch Frauen, die bisher keine rechtsextremen Einstellungen zeigten, die Wiedereinführung der Todesstrafe oder die gewalttätige Bestrafung oder Abschiebung von Geflüchteten. Die Männer verlieren die Flüchtlingsfeinde übrigens trotzdem nicht aus dem Blick: Wenn auch rechtspopulistische bis rechtsextreme Männer zu Sexismus und Überhöhung der (eigenen) Männlichkeit über Frauen neigen, gefallen sie sich (und ihren Frauen) eben auch als »Verteidiger« der »Ehre« ihrer »deutschen« Frauen. Solche Dynamiken können in eine neue Qualität rassistischer Hetze münden, wie Aufrufe zur Bewaffnung durch Neonazis und neu entstehende Bürgerwehren belegen.

Oft haben diese Lügen auch noch argumentative Nebenschauplätze wie Demokratiefeindlichkeit (»Die Politik/die Polizei belügt uns absichtlich darüber«) oder Hetze gegen Presse (»Davon steht nichts in der Zeitung!«). Interessant auch: Die verbreiteten Fälle sind stets von großer Brutalität gekennzeichnet und werden in vielen Einzelheiten erzählt. Parallelen zeigen sich hier zu Liedern von Neonazi-Bands über sexuellen Kindesmissbrauch: Obwohl die Songs vorgeben, den Missbrauch anzuprangern, wird er in der Regel unnötig detailreich geschildert (vgl. ngn). Dies dient dazu, die Täter als unmenschlich und abnorm rzustellen, enthält aber zugleich eine klammheimliche Freude an der Gewaltschilderung.

Die von Flüchtlingsfeinden verbreiteten »Berichte« über sexualisierte Gewalt sind oft in der Regel frei erfunden – weshalb dies die zuständige Polizei inzwischen auch bei Facebook belegt. Keiner der im Jahr 2015 über Facebook verbreiteten Fälle wurde angezeigt. Zwei junge Frau wurden aber der Lüge überführt und werden wegen Vortäuschung einer Straftat bzw. Volksverhetzung verantwortlich gemacht. 15  Ein Beleg für den strategisch-rassistischen Einsatz dieser Lügen ist, dass es in der Realität tatsächlich Übergriffe von Geflüchteten gibt – allerdings vor allem in Flüchtlingsheimen gegenüber geflüchteten Frauen und Kindern. Diese Fälle werden von Neonazis, die sich in Wahrheit nur um die »deutsche Volksgemeinschaft« sorgen, nicht jedoch um »fremde« Frauen oder Kinder, nie erwähnt. Rechtspopulist_innen dagegen tun dies bisweilen, nicht jedoch um die Frauen zu schützen, sondern um die Richtigkeit ihrer These vom »gefährlichen Geflüchteten« oder »gefährlichen Moslem« zu belegen.

Dieser Text schildert das Verbreiten von Lügen über sexualisierte Gewalt in Sozialen Netzwerken. Er beschreibt die rechtsextreme und rechtspopu listische Strategie, gezielt Falschmeldungen zu verbreiten. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es reale sexualisierte Gewalt auch durch Geflüchtete gab und gibt, und dass auch über diese in Sozialen Netzwerken berichtet wird. Vor allem gilt es also, bei diesen Berichten sorgsam zu prüfen, wer sie in Umlauf gebracht hat, ob die Quelle seriös und verlässlich ist und ob sich die Aussage überprüfen lässt (etwa durch Polizei, weitere Zeugen, weitere Berichte usw.).

 

 

Dieser Text ist ein Auszug aus der Handreichung „Das Bild des übergriffigen Fremden – wenn mit Lügen über sexualisierte Gewalt Hass geschürt wird“ der Amadeu Antonio Stiftung.

Die Handreichung zum Download

http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/#Gender_und_Rechtsextremismushttp://www.belltower.news/files/Broschu%CC%88re%20Handreichung%20Internet.pdf

Als Print-Version können Sie die Handreichung „Das Bild des ‚übergriffigen Fremden‘ – Warum ist es ein Mythos?“ bestellen unter netzwerke@amadeu-antonio-stiftung.de.

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