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Folgen der Wahl in Italien „Meloni wird versuchen, die Politik ins Rechtsradikale zu verschieben“

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Giorgia Meloni, Vorsitzende der Fratelli d'Italia, inszenierte sich als "Stimme Italiens" - und gewann nicht trotz, sondern wegen ihrer Bande zum Faschismus. (Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Gregorio Borgia)

Dr. Valerio Alfonso Bruno ist Rechtsextremismusforscher aus Mailand, u.a. für das Centre for Analysis of the Radical Right (CARR), Center for European Futures und MAFTI (Mapping the far-right truth industry). Mit ihm sprach Simone Rafael.

Warum wählt Italien einen neuen Faschismus?

Ich würde nicht von Faschismus sprechen. Es ist eine rechtsradikale Koalition, die sich selbst als Mitte-rechts bezeichnet. Als neofaschistisch könnte man sie bezeichnen – die Fratelli d’Italia haben ihre Wurzeln in einer faschistischen Partei, dem Movimento Sociale Italiano (MSI). Als dieses Movimento nicht vorankam, hat es versucht, mehr wie andere Parteien zu sein und beispielsweise die Verfassung zur respektieren. Es entstand die Nachfolgepartei Alleanza Nazionale (AN). Meloni war hier engagiert, bevor sich vor 10 Jahren die Fratelli d’Italia (FdI) gründeten und Meloni dort ihre politische Heimat fand. Mit den FdI steht sie politisch wieder mehr dem Ideen des Movimento Sociale Italiano nahe, es ist also ein Schritt zurück – in Richtung Postfaschismus.

Aber wie konnte Meloni so mit den Fratelli d’Italia die Wahl gewinnen? Was hat die Wähler*innen angesprochen?

Giorgia Meloni hat sich und den FdI die Wahrnehmung verpasst: Wir sind nicht wie die anderen Parteien in Italien. Wir sind keine Technokraten wie die letzten Regierungen unter Mario Draghi oder Giuseppe Conte (5 Sterne-Partei). Wir sind nicht korrupt. Wir schielen nicht auf politische Posten. Wir sind ‚echte Italiener*innen‘. Diesmal zählt eure Stimme, wir sprechen für das italienische Volk. Die Fratelli d’Italia war nie an einer Regierung beteiligt. Sie waren seit ihrer Gründung immer in der Opposition. Das macht sie glaubwürdig als Partei, die keine Kompromisse eingeht, für ihre Werte einsteht. Ihre Konkurrenzparteien, die Lega oder Forza Italia, waren alle schon am mehr oder weniger merkwürdigen Regierungen beteiligt, FdI nicht. Das ist ein Vorteil, den sie zu nutzen wussten. Ihr zweiter Vorteil ist tatsächlich ihr Verwurzeltsein im Faschismus. Das hat etwa die Lega von Matteo Salvini, die größte Konkurrenz für FdI, nicht. Die Lega kommt aus dem Föderalismus, hat sich zunächst ja für mehr Freiheit für den Norden Italiens ausgesprochen, rechtspopulistische oder rechtsradikale Ideen kamen erst dazu. Warum soll ich also diese chamäleonartige Partei wählen, wenn ich mit den Fratelli d’Italia auch eine ‚origianl‘ faschistische Partei wählen kann? Die FdI haben ja sogar noch die Flammen des Faschismus im Logo! Und jede*r in Italien weiß, dass das ein faschistisches Symbol ist. Die Vergangenheit hinter sich zu lassen sieht für mich anders aus.

Das ist ein Vorteil für die Fratelli d’Italia? Dass sie mit Faschismus assoziiert werden?

Ja, es gibt leider in Italien nicht wenige Menschen, die vom Faschismus fasziniert sind. Oder sagen wir: Von starken Männern, die sagen, wo es langgeht. Daher gibt es in Italien auch viel Begeisterung für Trump und Putin. Sie verehren starke Persönlichkeiten, die Entscheidungen treffen – nicht diskutieren wie liberale Demokratien. Gerade viele junge Menschen in Italien spricht das an. Es gehört zum Geheimnis des Erfolges der Fratelli d’Italia, dass sie es schaffen, beide Schienen zu bedienen. Auf der einen Seite haben sie eine seriöse, institutionelle Fassade, geben sich politikfähig. Auf der anderen Seite pflegen sie die Wurzeln zur faschistischen Vergangenheit.

Was befürchten sie, nachdem jetzt der Sieg der rechtsradikalen Parteien feststeht, für Italien?

Wir werden erleben, wie es Meloni mit den FdI versuchen wird, gesellschaftliche Werte und Rahmen in Richtung einer faschistischen Ideologie zu verschieben. Etwa, wenn es um Migration geht. Erst werden reaktionäre Positionen geteilt, dann extrem rechte. Dabei wird sie nicht den Fehler machen, sich mit der Europäischen Union anzulegen – oder mit dem wirtschaftlichen Establishment in Italien. Da wird sie keinen Streit entfachen, keine Revolution in Gang setzen. Sie wird dort agieren, wo es ihr ohne größeren Widerstand möglich ist – etwa, wenn es um Migration und Integration geht, oder um Bildung und Erziehung. Daraus wird sie politisch Kapital schlagen. Sie wird es sich nicht mit der EU-Kommission verscherzen – Italien ist in einer schwierigen finanziellen Lage, braucht EU-Unterstützung. Das wird sie nicht riskieren.

Es gibt schon jetzt Rassismus und Menschenrechtsverletzungen gegen Minderheiten, etwa im Umgang mit Geflüchteten oder Roma. Erwarten Sie hier Auswirkungen?

Die Situation wird sich jedenfalls nicht verbessern. Ja, ich erwarte einen Rückschlag, wenn es um Menschenrechte geht. Vor allem wird dies über die Verschiebung von Narrativen entstehen. Meloni greift die progressive Weltsicht frontal an. Ihrer Meinung nach stellt jede Bemühung um Vielfalt und demokratische Inklusion von Minderheiten einen Angriff auf die „italienische Identität“ dar. Sie verspricht, daran zu arbeiten, diese imaginierte Identität zurückzubringen. Sie wird daran arbeiten, dass sich italienische Behörden und Institutionen immer mehr nach rechtsaußen bewegen. Auch im Europaparlament versucht Meloni das mit der Fraktion der EKR [Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer, dazu gehören neben den FdI unter anderem Prawo i Sprawiedliwość (PiS) (Polen), Schwedendemokraten (Schweden), Vox (Spanien)]. Sie sucht nicht die Konfrontation – sie zerstört von innen.

Wird das Folgen für die Arbeit von NGOs in Italien haben – oder für die Universitäten?

Nicht direkt. Wir haben ja immer noch unabhängige Medien, wir haben ja immer noch ein System von Gewaltenteilung, von Kontrollen und Gegenkontrollen. Deshalb sagen ja auch einige: Wir sollten jetzt nicht zu laut von Faschismus sprechen. Italien wird nicht Ungarn. So schlimm ist es noch lange nicht. Ich stehe da in der Mitte zwischen Schweigen und Skandalisieren. Ich finde schon, dass wir darüber sprechen müssen, dass sich Italien in Richtung Faschismus bewegt, wenn mit rechtsextremen Argumentationen Politik gemacht wird. Gerade, wenn das mit subtilen Mitteln geschieht, müssen wir genau hinsehen und sehr aufmerksam sein, was gerade passiert.

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