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Fortsetzung oder Neubeginn – Polenfeindlichkeit der Deutschen

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Grenzpfosten zwischen Deutschland und Polen bei Ahlbeck. (Quelle: flickr / cc / dirk@vorderstraße.de)

Auschwitz – das ist der Name für die Massenmorde der Deutschen an den europäischen Juden, es ist das Synonym für die Erfindung der Industrie des Tötens aus ebenso leidenschaftlicher wie kalter Absicht, entstanden aus deutschem Hass, Neid, Verrat und Gier. Die Stadt jedoch, die diesen Namen trägt, liegt in Polen. Und bis heute hält dort die Erinnerung an Krieg und Massaker an. In fast allen Familien hat es Opfer gegeben. Kaum jemand in Polen, in dessen unmittelbarem Umfeld nicht auch eine traumatische Geschichte von willkürlichem Mord, Zwangsarbeit, Gräuel und Tod den Lebensweg begleitet hätte. Die infernale Aggressivität der Deutschen gegenüber den Polen hat nicht erst im zweiten Weltkrieg begonnen, doch dort forderte sie Millionen polnische Menschenleben. Als diese Katastrophe mit dem Krieg vorläufig endete, war ein Trauma entstanden, an dessen Heilung noch einige Generationen zu arbeiten haben werden.

Deutschland verdrängt, Polen überwindet

Wenn heute über das deutsch-polnische Verhältnis gesprochen wird, ist der Blick auf diese Tatsache ungleich verteilt. In Deutschland wird sie verdrängt und in Polen bemüht man sich nach Kräften um die Überwindung des Traumas. Die Nachkommen der Täter aber, sind – um es vorsichtig zu sagen – wenig duldsam mit den Nachfahren der Opfer. Das Wort duldsam ist in diesem Zusammenhang zynisch und beschreibt dennoch eine sehr weit verbreitete, vor allem von Herablassung geprägte Haltung der Deutschen gegenüber den Polen. Auch heute. Und wenn wir das Bild des einen von dem anderen erfragen, sollte am Anfang das Bild der Deutschen bei den Polen stehen. Dass jedoch hier umgekehrt nach dem Bild der Polen bei den Deutschen gefragt wird, zeugt von der Schieflage des deutsch-polnischen Verhältnisses: Wenn es nach physikalischen und auch moralischen Regeln ginge, dürften sich nicht ausgerechnet diejenigen selbst erheben, bei denen das Erbe der Schuld liegt. Logisch wäre es anders herum. Doch das anti-polnische Ressentiment bei vielen Deutschen hat sich gehalten, so als gebe es keine Geschichte die Verheerendes hervorgebracht hat. Wenn heute von deutscher Seite darüber gesprochen wird, dass man mit Polen auf gleicher Augenhöhe spreche, hat auch das etwas Anmaßendes – in zwei Richtungen. Entweder bedeutet es, dass die Deutschen mit ihren Verbrechen abgeschlossen haben und sich ungefragt selbst als geläutert erklären und sich so nun dem malträtierten Polen als Partner auf Augenhöhe  empfehlen. Oder aber es bedeutet, dass man von deutscher Seite nun mit einer Geste des guten Willens die Gleichwertigkeit der Polen endlich einzuräumen bereit ist. Beides bricht nicht wirklich mit der verheerenden Tradition des deutschen Dünkels.

Dieser Hinweis auf die Geschichte ist leider notwendig, denn hört man manche Deutsche über Polen reden, könnte man meinen, das Zusammenleben – zumindest im letzten Jahrhundert – wäre zwar nicht ohne Probleme, aber bis auf einige, selbstverständlich nur polnische Defizite, doch unauffällig gewesen. Gewiss, der Krieg, so heißt es dann, der sei wohl für alle gleichermaßen schlimm gewesen. Diese Verleugnung und Verdrängung ist es, die Normalität so schwierig macht. Normal wird das deutsch-polnische Verhältnis nur, wenn auch die Deutschen akzeptieren, dass es einfach nicht normal ist. Der deutlichste Beleg hierfür: die Polenfeindlichkeit in Deutschland ist nicht verschwunden. Sie hat sich im Krieg ausgetobt, in der Nachkriegszeit verharrte sie und während der Zeit der DDR wurde sie zu bestimmten Gelegenheiten wie zur Zeit von Solidarno?? und während der Wende von der Staatsführung sogar wieder angefacht. Nach dem Fall der Mauer kroch sie ebenso wieder hervor wie andere Formen der Menschenverachtung und versteckte sich gleichzeitig hinter ihnen. Wer über Rechtsextremismus sprach, übersah in der Regel die Polenfeindlichkeit, besonders im Osten. Zum einen weil sie so allgegenwärtig war und zum anderen weil sie schon immer ein Phänomen aller sozialen und kulturellen Schichten war. Der Rechtsextremismus begann erst vor einigen Jahren, ihn auch offensiv zum Thema zu machen.

Polenfeindlichkeit ist sowohl ein nationalistisches als auch ein kulturalistisch-völkisches Konzept. Es ist voller abwertender Stereotype, voller Hochmut und niedriger Verachtung.  Auch heute noch. Und gerade jetzt, wo Polen sich rasant entwickelt und Regionen wie Ostvorpommern auch immer mehr polnische Einwohner haben, nimmt die anti-polnische Stimmung zu und kann zu einem ernsthaften Hindernis der Entwicklung in diesem Teil der Europäischen Union werden.

Nicht allein aus Gründen der Moral ist es notwendig, auf Polenfeindlichkeit heute einzugehen. Der Gestus mit dem sich Deutschland nun diesem Problem stellen muss, sollte ernsthaft sein. Nicht jammernd über die Zustände, von denen hier zu berichten und nicht klagend über die Bedingungen unter denen diese Aufgabe zu meistern sein wird. Nicht wehleidig darüber, wie schlimm das alles ist und nicht sentimental, dass wir uns dem nun zuwenden. Das sind ganz falsche moralische Parameter. Wir beschäftigen uns mit Polenfeindlichkeit, weil sie einfach nicht hinzunehmen ist, weil sie falsch, verlogen und dumm ist. Wir machen etwas dagegen weil es sie gibt. Es wäre schön sagen zu können, wir tun es ganz unabhängig davon, wie viele Polen von Deutschen ermordet wurden. Doch soweit sind wir nicht. Dazu fehlt den Deutschen noch sehr viel an Einsicht, Selbstreflexion und damit die Souveränität des in der Geschichte Besiegten – gerade ihrem östlichen Nachbarn gegenüber.

Anetta Kahane ist Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung und die RAA Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen sich in einem Projekt in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Thema Polenfeindlichkeit: perspektywa.

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